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es noch heutigestags möglich machen würde, den ganzen Handel umzustoßen. In Wahrheit aber hatte der alte Wende nur sich und seinen Nachkommen das Vorkaufsrecht gesichert.

      »Jees Maria, wie sah das vor zwanzig Jahren aus«, begann der Klumpen, dessen Augen mit Behagen auf der grünen Wintersaat ruhten, »dort oben sieht ma noch a paar Steene of'm Wiesla am Busche. Also un noch schlimmer sah alles aus. Brocken, wie gesät un da un dorte een Wezel Steen, groß wie ein Backofen. Dazwischen Grasbüschel, kleen wie hingespeit. Nee, das war keene gute Arbt! Aber wir mußten dran, dr Vater hat keem was geschenkt. Ei den Steen' steckt Schweeß und viel Jahre Arbt, un heute – is die Mauer auch schon übrig. Nach, aber es hat sich gelohnt; 's sein gute Äckerchen, ein wenig leichte. Hält ma se gut eim Dünger, da bringen se's schon. Bloß das Niederstücke, wo ich Futter drauf säen will, das is doch ein wenig gar zu seichte, un ich weeß nich, ob ich nich besser tu, ich rode es bale noch a mal um!«

      »Das wirste ja beim Ackern sehn«, meinte Marie.

      Am andern Morgen begann die Bestellung des Ackers. Dünger wurde angefahren und gebreitet, dann zog der Pflug tiefe Furchen in dem Boden, der in der Sonne rauchte und überall den Duft von Fruchtbarkeit und Segen verbreitete.

      Lerchen lagen auf klingender Schwinge hoch in der Luft, und hinter der blinkenden Pflugschar schritten gravitätische Krähen. Aus dem nahen Walde sang es, als sei jede seiner unzähligen Nadeln ein tönendes Schnäbelchen geworden. In allen Weiten erschollen Peitschengeknall, laute Lockrufe und frohes Singen.

      »'s wimmelt überall, Gabeln blitzen un Pflüge finkeln; aso gar auf'm Eschberge haben se eingespannt«, sagte Marie, die ihrem Manne folgte und den Dünger in die frische Furche harkte.

      »Nuch, es is auch de höchste Zeit, ei acht Tagen is Florian«, erwiderte der Angeredete unwirsch, weil er »das Gemare« bei der Arbeit nicht leiden konnte, wandte die Kühe, kippte den Pflug und schritt bedachtsam wieder zurück.

      Bald war der letzte Eggenstreich getan, der Acker »wie a Möhrenbeete«, und die Einsaat des Hafers begann. Es war schöner, schwerer Hafer, und der Klumpen lobte bei sich das landwirtliche Geschick des Freirichters, dessen Vater nur ein Nagelschmied gewesen war. In stetigem Gang schritt er über das Feld, und die Körner flössen wie bleicher Sonnenschein aus seiner Hand. Er hatte keine Ahnung von der tiefen Schönheit seiner Arbeit, sondern dachte in immer neuen Wendungen an eine reiche Ernte und vieles Geld.

      Die anderen Felder bestellte er mit Sommergetreide und Kartoffeln. Der Klee war schön bestockt aus dem Winter gekommen, die Rübenkörner quollen im Schaff. In aller Muße machte er sich daran, das Niederstücke umzupflügen... Aber obwohl er den Pflug seicht gestellt hatte, erhielt er alle Augenblicke einen derben Ruck; das Schar saß nach wenigen Schritten immer wieder in den Steinen. Die Kühe begannen wegen des fortwährenden Anhaltens unruhig zu werden und trafen einigemal Anstalten, durchzugehen: die Hirsche hob den Schwanz, krümmte ihn, legte die Ohren zurück und brüllte wiehernd.

      Der Lahme spannte aus und zog mit ihnen in den Stall. Indessen grub Marie mit dem Spaten das kleine Gärtchen neben dem Hause um, teilte es sorgfältig in Beete und bepflanzte sie mit Reseda, Majoran, Stiefmütterchen, Levkojen und Goldlack.

      Der Lahme setzte auf den schmalen Streifen zwischen Mauer und Hinterwand des Hauses eine Reihe Pflaumen- und Kirschbäume.

      Zu beiden Seiten der Lücke, durch welche der Zufuhrweg mündete, grub er Turmpappeln.

      »Nee ha, de Pappeln kunnst'r ersparn«, rügte Marie und hob dann den Kopf gegen den Dorfweg hin, auf dem ein Mann und ein Knabe etwas hinter sich herschleppten. Sie sah gespannt hin, obwohl sie gar kein Interesse an jenem Vorgänge hatte, weil sie durch diese auffallende Neugier die Wirkung des Tadels an ihrem Mann abzuschwächen hoffte.

      Sie schien sich wirklich nicht verrechnet zu haben, denn der Klumpen legte die eiserne Schaufel aus den Händen und sah auch hinauf.

      »Kannst'n sehn, wer's is?« fragte er nach scharfem Auslugen.

      »Ich weeß nie, die fahrn was of'm Wägelchen. Jetze geht dr Mann hinten hin und stößt, irnd was Schweres...«, antwortete Marie.

      »Vielleicht a Sarg, Franz Tone of'm Berge is doch gestorben.«

      »Gestorben? Was das für ne Rede is von dir! Gehängt hat er sich, das sollste doch wissen. Der is zugrunde gegangen, nie gestorben. – Nee, das kann's nich sein.« Marie wandte von neuem ihre Augen hin. »Se fahr« ja nach Erlengrund zu, und der Mann, der stößt, geht krumm.«

      »Das is auch alles egal«, schloß der Klumpen und bückte sich wieder nach seiner Schaufel, während Marie dem Hause zuschreiten wollte.

      »Halt a mal!« rief er rauh, richtete sich auf und stieß die Schaufel in den lockeren Boden. »Wie war das, was de vorhin vo den Pappeln sagtest?«

      »Ich meente, es war nich notwendig gewesen«, antwortete Marie mit einem begütigenden Lächeln.

      »Ja! Ha, weil se dr Freirichter hat? Grade deswegen setz ich se eben!«

      »Du weeßt ja, wie komisch er is, wenn er's och nich übel aufnahm.«

      »Baum is Baum, wo se stehn, wachsen se, und übrigens hat mich der Freirichter nich ausgebrüt!«

      »Aber, Karla, meinetwegen ...«

      Allein die ruhigen Worte waren wie Öl auf die glimmende Erregung ihres Mannes, schon bei den ersten Tropfen schlug sie jäh auf. »Gar nischt Karla«, schrie er zornig. »Was der Nagelschmiedejunge kann, kann ich schon lange! Immer dr Freirichter und dr Freirichter! Bin ich denn ein Seeger, den der bloß ufziehn kann?«

      Marie antwortete nichts, nahm ein Schaff, das am Hause lehnte, und verschwand um die Ecke. Der Klumpen redete noch einiges hinter ihr her und trat dann eifrig eine Regengrube um die jungen Stämmchen.

      Indessen erklang das Geknarr eines leichten Wägelchens immer deutlicher. Der Lahme richtete sich auf. Da kam das Gefährt schon den Weg heruntergeholpert: ein Schuljunge führte unbeholfen seine Deichsel, Freiwald ging dahinter und hielt die Bretter, mit denen der Wagen beladen war.

      »Na«, sagte der Alte nach dem Gruß, den das Geräusch des Wagens verschlungen hatte, gab dem zurückschauenden Knaben einen Wink, zu halten, und streckte dem Klumpen die Hand entgegen.

      Dieser ergriff sie und fragte mit einem Blick auf die Ladung: »'s Bornhäusel?«

      Freiwald nickte und erzählte umständlich, warum sich die Lieferung der Arbeit so lange verzögert habe, und indem er nach seiner gründlichen Manier diese Angelegenheit zu einer lehrreichen Probe der neuen Zeitrichtung vertiefte, forschte sein graues, verglänzendes Auge in dem Gesichte Einers. »Heute will eben niemand warten«, beendete er seine Betrachtung und setzte sich langsam nach dem Hause zu in Gang. »De Menschen machen alle denselben Fehler jetzunder: ein jedes denkt, er is wegen der Arbeit da, un de Arbt is doch wegen uns da.«

      Der Klumpen sah zu dem Knaben zurück, um dem Gespräch, er wußte noch nicht wie, eine anders Wendung zu geben.

      Der Brunnenbauer tröstete ihn: »Er kommt schon nach«, und fuhr dann fort: »Da wirste nu denken, das is egal, aber ...«

      »Du hast doch alles gemacht, wie ich drs gesagt habe«, unterbrach ihn der Lahme.

      Freiwald nickte: »De Füllung grün, de Deckleisten und 's Dächel rot.«

      Der Lahme wühlte prüfend unter den Brettern umher.

      »Sachte, sachte«, mahnte der Brunnenbauer, »de Farbe leidet sonste. – Ma sieht ja deine gar nich?« fragte er unvermutet und fixierte Exner scharf.

      »Se wird ei dr Stube sein«, erwiderte der Klumpen gleichgültig.

      Marie erschien eben am Fenster und dankte bleichen Gesichts dem freundlichen Gruße des Greises.

      »Nee Maria, Exner, is die schön, die reene Muttergottes! Da halt och schon de Hände unter se.«

      Der Lahme lachte mit einem Anflug von Geringschätzung.

      »Ja, ja, ich hör'g schon. Du wirst dich erst müssen ans Licht gewöhnen.«

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