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      »Da haste schon recht«, gab der Alte zurück, »aber unse Leben is eben nich mit Schindeln gedeckt oder mit Flachwerk oder Schiefer. Das eenzige Dach für das Haus is ein gutes, sehr gutes Herze. – Da geh och ehe und mach' deine Arbt wenn ich wer fertig sein, ruf' ich dich.«

      Exner ging aus dem Bereich dieser unbestechlichen Augen, und mit ernstem Gesicht machte sich Freiwald an seine Arbeit. Gegen die Vesperzeit war er fertig. Das Brunnenhäuschen stand gleich einer geputzten Dirne am Eingange des Höfchens, dem es mit seinem lebhaften Grün und Rot einen freundlichen Anstrich gab.

      Der Greis trat in die Stube und fand Marie mit den Vorbereitungen zum Vesperkaffee beschäftigt. Er tauchte seine Hand in das Weihkesselchen an der Tür und sprengte drei Prisen des heiligen Wassers auf den Boden mit dem Wunsche: »Viel Glück und Segen ei Haus und Stall.«

      Dann benetzte er seine Hand abermals und bekreuzte Marie auf der Stirn: »Daß de Gutts denkst«, auf den Mund: »Das Rechte redst«, und auf die Brust. Da ward der Greis überwältigt und sah lange auf den blonden Scheitel der jungen Frau, ohne ein Wort sprechen zu können. Als Marie die Augen zu ihm erhob, redete er endlich milde auf sie nieder: »Ihr Weiber tragt euer Kreuze vorne; so trag's gerne, was de mußt.«

      In demselben Augenblicke fiel ein Strahl der untergehenden Sonne durch das Fenster, und beide standen im Licht. »Siehch, Marie, wie Gott lacht«, sprach der Greis in jener tiefen Güte, die nur unter weißen Haaren blüht, setzte sich auf die Bank und schaute zum Fenster hinaus, weil er dem Weibe seine Ergriffenheit nicht zeigen wollte.

      Sie schwiegen beide noch, als der Klumpen hereintrat und mißtrauisch von einem zum andern sah.

      »Ja, ja, Karla, ein junges Weib soll der Mann keen Augenblick alleene lassen, denn da sein a so gar Weißköppige wie de Fliegen of a Honig.«

      Mit dieser Schalkhaftigkeit beantwortete er den Blick des Lahmen, der nur sein Gesicht verzog, sich an den Tisch setzte, eine Tasse an sich zog und den Brunnenbauer zum Essen einlud: »Na, da lang och etze zu.«

      Freiwald rückte sich zurecht, auch Marie kam heran, und der Alte plauderte vom Wetter. Es werde dieses Jahr einen ungewöhnlich trockenen Sommer geben, das Wasser stehe in den Brunnen schon jetzt tiefer als in anderen Jahren, allenthalben sehe man schon haarige große Raupen, und der Kuckuck sei eher als sonst eingetroffen, der Wind wehe beständig ans dem Polnischen, und das Vieh habe zeitig die Winterhaare verloren. Exner war anderer Meinung und versuchte sie durch allerhand beobachtete Anzeichen wahrscheinlich zu machen. Es werde eher ein nasses Jahr geben, weil der Winter milde gewesen sei. Die Abende und Morgen seien ungewöhnlich kalt, und dann fänden sich so viele Nachtschnecken auf dem Felde. Dabei sah er durch das Fenster. »Du hast ja de Bretter rot angestrichen!« brauste er plötzlich auf.

      Freiwald lächelte und nickte: »Die zwee aufs Haus zu, freilich. Die sein im Widerscheine, und Rot verträgt den Schatten besser wie Grün. Das blättert ei dr Nässe zu schnell ab.«

      Dann dankte er für die Bewirtung und stand auf. »Komm och und siehch dir's an, ob's nich sauber is«, sagte er dabei, und als er bemerkte, daß Marie Miene machte mitzugehen, fügte er hinzu: »De junge Frau kann hinne blein, denn wenn die mich tadelt, muß ich mich zu sehr schämen.«

      Mit warmem Handschlag verabschiedete er sich von Marie, und der Klumpen holperte hinter ihm drein.

      Draußen schritten sie um das Häuschen. Exner klopfte an die Bretter, zog an dem Dächlein, trat zurück und maß es mit den Augen. Alles war fehlerlos, keine Leiste gespalten, das Dächlein saß fest, das Ganze tadellos im Lot.

      »Und nu geh a paar Schritte mit mir of'm Weg nuf«, sprach der Alte, der das Wägelchen mit dem Knaben vorausgeschickt hatte.

      Hinter der Mauer, schon auf dem Grunde des Freirichters, blieb Freiwald stehen, sah sich genau um und richtete dann seine Augen in feierlichem Ernst auf den Lahmen:

      »Nu hört uns niemand wie's Gras und der Himmel. Da kann ich reden, wie ich soll und will. De Bretter ofs Haus zu hab' ich zu Fleiße rot angestrichen. Rot is Wut und Bosheit, Schimpfen und Sakramentieren, und wenn's gar schlimm is, Hiebe und Blut. Und daß de an dir hältst und mit Milde hemmst, wenn dei Wägelchen eis Rasen kommt, deswegen hab' ich die zwee Bretter angestrichen wie Blut.«

      »Was geht dich mei Leben an, Freiwald?« fragte der Lahme leise und trat drohend auf ihn zu.

      »Siehch, wie ich recht habe«, sprach der Greis unerschrocken und lächelte. »Karle, schmeiß ich dich mit Steen', wenn ich's gut meen?«

      »Red dr nich erst de Spucke weiß!« Mit diesen Worten, die ein mißtöniges Lachen begleitete, machte der Klumpen dem Gespräch ein Ende und wandte sich ohne Gruß dem Hause zu. Der Alte tat einen Schritt, ihm nachzugehen, ließ aber kopfschüttelnd davon ab und ging in Trauer von dannen.

      In der Stube angekommen, ging der Lahme einigemal auf und ab, dann hielt er dicht vor seinem Weibe: »Was hat Freiwald zu dir gesagt, ehe ich reinkam?«

      »Was der alte Freiwald immer redt, Liebes und Gutes«, antwortete Marie offen.

      »Ein Fabelaffe is er!«

      Exner verließ die Stube und schlug die Tür hinter sich zu.

      Das junge Weib sann den ganzen Abend nach, warum ihr Mann so ärgerlich gewesen sei. Sie war zu stolz, ihn darum zu fragen, und die Nacht schloß beiden die Augen, ehe sie sich versöhnt hatten.

      10

       Inhaltsverzeichnis

      Diesem schweren Tage folgten wieder leichtere, und der unausgeglichene Schatten zwischen den beiden Eheleuten schien nie gewesen zu sein.

      Aber er war nur in ihnen versunken, in jene unerforschlichen Gebiete der Seele hinabgetaucht, wo unser Schicksal wächst.

      Dort verband er sich mit der alten Menschenfeindlichkeit des Klumpen und machte ein uneingestandenes Mißtrauen gegen Marie rege, das seine Worte betastete, ehe sie den Mund verließen, seinen Gedanken geheime Scheelsucht beimengte und in die Augen ein bitteres Leuchten brachte, wenn sie die Schönheit seines Weibes sahen.

      Marie ward davon wie von einem kalten Hauche getroffen, und obwohl sie sich keine Schuld beimessen konnte, war sie doch unzufrieden mit sich.

      In diesen widerstreitenden Gefühlen wurden die letzten Arbeiten verrichtet, und Marie war es möglich, an dem folgenden Sonntag wieder einmal zur Kirche zu gehen.

      In gehobener Stimmung, wie erleichtert, trat sie gegen fünf Uhr früh aus dem Hause. Die Sonne stieg eben über die Wälder des fernen Schneegebirges. In den Tälern drunten lagen noch weiße Nebel, Busch und Gras hingen voller Tautropfen, schlaftrunkener Vogelsang stotterte leise aus dem Walde. Ihr Schritt scheuchte die erste Lerche aus der jungen Saat, schweigend stürzte sich der unscheinbare Vogel empor, und erst hoch im Blau ertönte gedämpftes Singen, das mit dem Sonnenlicht niedersank, daß man meinen konnte, die goldenen Glutfunken in der Luft hätten plötzlich von selbst zu klingen begonnen.

      Diese selige Offenbarung der Natur griff so wohltuend in das Herz der einsamen Kirchgängerin, als begegne ihr unvermutet ein alter, lieber Freund, den sie lange vernachlässigt hatte.

      Als sie an dem Freigute vorüberschritt, trat eben Frau Wende aus dem Hoftor und begrüßte Marie sogleich mit der ihr eigentümlichen lauten Herzlichkeit. »Das is schön! Ein guter Morgen, an dem man eine junge Frau trifft. Da darf ich gar nicht erst fragen, wie's geht, ma sieht's ja.«

      »Nach, ma muß Gott danken.« Sie fühlte sich plötzlich zagen; zögernd und gepreßt kam ihre Antwort.

      »Ach ja, ich hab's wohl gemerkt, daß de gerne höher naus gewollt hättst. Aber gell ja, nu biste zufriede und bereust's nie?«

      »Nee, gewiß nich, gar nich, 's is gut, ganz, ganz gut, ich dank's Ihn, denn Sie sein ja, wenn ich mir's recht besinne, an allem schuld.«

      Marie sprach in lautem Tone, in abgebrochenen Sätzen hart und bitter,

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