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Pflug zum Acker schleifte, waren seine Züge noch verdrossen, seine Augen eingekniffen. Ungeduldig spähte er nach dem Schuster aus, und als die Zugtiere in etwas lebhaftere Gangart verfielen, hieb er sie mit dem Peitschenstiel über die Nasen.

      Endlich kam der Erwartete. Das Leiden und der Kummer lagen wohl noch deutlich auf dem Gesichte, aber an seinem Barte nahm man wahr, daß die Verzweiflung nicht mehr so mächtig in ihm wirkte. Er hing nicht mehr so wirr wie gestern über die Lippe, sondern war sorgfältig in der Mitte geteilt und aufgedreht.

      Mit halblautem Gruß trat Klose heran und sprach auch danach noch undeutlich wie mit geschlossenen Zähnen.

      Der Klumpen verbarg seinen Arger durchaus nicht, wenn er auch keine Erklärung dafür gab. Der Schuster nahm gar keine Notiz davon. Schweigend begannen beide die Tätigkeit.

      Die unfreundliche Stimmung wich stundenlang nicht. Mit Ausnahme kurzer Fragen, ebensolcher Anweisungen und abgerissener Ausrufe wurde nicht gesprochen.

      War der Pflug in die Steine festgefahren, so hob man ihn vorsichtig heraus, schlug mit der Spitzhaue die Felsstücke los und drückte sie mit hölzernen Hebebäumen zur Seite.

      Der schwächliche Schuster, dem diese Arbeit ungewohnt war, zog nach kurzer Zeit seine Jacke aus und trocknete sich den Schweiß. Gegen die Mitte des Vormittags war er so kraftlos geworden, daß seine Spitzhaue schon unsicher niederging und oft umkippte.

      Exner aber wurde immer aufgeräumter. Da er sah, welche Gewalt er über die Steine hatte, war er nicht mehr so mutlos über die trüben Ernteaussichten, die böse Hitze, über den Freirichter, über Freiwild und die geheime Sympathie seines Weibes mit beiden. Sie sollten nur kommen! Je größer die Felsbrocken waren, gegen die er loshieb, desto lustiger war er: »Ja'ch, a Spitzhäckla is halt kee Pechdraht!« rief er seinem Freunde einmal zu, der sich vergeblich bemühte, einen Stein loszuschlagen.

      Sonst wäre Klose eilig mit einer treffenden Antwort bei der Hand gewesen, jetzt aber verzog er nur das Gesicht zu einem müden Lächeln und schwieg. Oft hielt er auch mitten im Gang inne und sah ratlos hinaus. Auf den Zuruf Exners fuhr er erschrocken aus seiner Betäubung und schlug mit der Haue irgendwohin.

      So ging die Arbeit nur langsam vor sich, und der Klumpen sagte mürrisch: »Du mußt a wen'g besser zupacken, Guste, aso geht's ja gar nich vom Flecke!«

      »Nu ja, ja!« entgegnete dieser und fuhr sich verlegen durch die Haare. »Kurasche, Kurasche!« murmelte er sich dann ermutigend zu, und sein Gesicht nahm einen unendlich schmerzvollen Ausdruck an.

      Nach dem Feierabend des zweiten Arbeitstages bat er den Lahmen um vierzig Pfennig Vorschuß.

      Am andern Morgen erschien er singend auf der Arbeitsstelle. Von weitem riß er die Mütze vom Kopfe und schrie: »Nu kann's losjehn, nu woll mr aber tüchte buddeln!«

      Von nun an schritt die Arbeit wirklich schnell vorwärts. Der Schuster griff nicht nur wacker, nein, leidenschaftlich zu, sondern zeigte sich unerschöpflich in derben Witzen und schnackischen Redewendungen. Der Klumpen wurde von seiner Heiterkeit angesteckt und war sogar so ausgelassen, zu dem Liede, das der Schuster zum besten gab, mit seinem unförmlichen Baß irgendwelche Töne als Begleitung zu singen. Versiegte des Armen Humor und begann die krankhafte Glut aus seinem bleichen, knochigen Gesichte zu weichen, so verschwand er hinter einer Dornhecke, und nach einer Weile war er wieder übermütig geworden.

      »Nach«, sprach er am Abend zum Klumpen, als er vor dem Fortgehen einen Augenblick im Hausstur mit ihm geplaudert hatte, »hatte ich heute kee Kurasche?«

      »Nee, heute warste wie vom Bändel los!«

      »Da mußte halt wieder vierzig reißen!«

      Mit Lachen gab ihm der Lahme das Geld, und bald war der Schuster pfeifend unterwegs.

      Es ward nun zur Regel, daß er sich jeden Tag denselben Betrag auf einen »Knorpel«, wie er den Schnaps spaßhaft nannte, herauszahlen ließ. Beide machten sich jedesmal darüber lustig; vor Marie versteckte der Schuster die Schnapsflasche. Einst aber beim Mittagessen, als Klose eine Schnurre zum besten gab und zur Illustrierung aufstand und sich über den Tisch neigte, kam er Marie so nahe, daß sie seinen Atem roch.

      »Guste«, unterbrach sie ihn ernst, »du hast wohl Schnaps getrunken?«

      »Ach nee, Mariela, 's riecht nach Pfefferminzkichla, weeßte, ich hab's ei a Zähnen.«

      Die beiden Männer wechselten einen Blick und lachten unbändig. Marie beruhigte sich scheinbar bei der Antwort, behielt aber den Schuster im Auge.

      Am Nachmittag sah sie ihn taumelnd über das Höfchen geh«. Sofort eilte sie hinaus und stellte ihn: »Guste, du bist besoffen!«

      »Nee, bloß angeheitert. Nach, und sauft nich a jeder Vogel?« fragte er mit der täppischen Betulichkeit der Trunkenen.

      »Warum läßt dir denn bloß de Flasche gar kee Ruh'?« Das junge Weib war näher getreten und sah mit Mitleiden über seine Verwahrlosung hin.

      »Steck die Frage schnell wieder ein, das is ein gar böser Pfennig, den de da ausgibst.« Klose kehrte sich mit einem Lachen ab und wollte davongehen.

      »Nee, du bleibst!« beharrte Marie, »he! – Mit der Paule wird's doch nie anders, wenn de auch nie nüchtern wirst!«

      Der Schuster kehrte die paar Schritte, die er währenddessen nach dem Schuppen zu getan hatte, zurück und fragte dicht vor ihr haltend: »Was schert denn dich das eigentlich! – Is denn noch nie genug, soll's etwan noch schlimmer wern?«

      Das sagte er im Zorn zu ihr. Aber bald machte der Haß in seinem Auge einer blicklosen Stumpfheit Platz. »De Paule, haha, da haste schon ganz recht! Aber das war bloß de Axt; geschlagen hat jemand ganz anders, nich etwan der Trasperschreiber und cetera pee pee!«

      »Guste, wenn de aber amal allen Willen zusammennähmst ...«

      »Was weeßt du von den Worten, die ei deim Munde warm wern! Nu hör, ich brauch Kraft, ich muß een hellen Kopp behalten, deswegen sauf' ich. Wehe dem Tage, an dem ich einmal nüchtern bin! Un außerdem hat's noch viel! viel! Wenn's erst regnet, kommen die Troppen von allen Seiten.«

      Marie schickte sich zu einem neuen Einspruch an, der Schuster schnitt ihn zum voraus ab: »Gib dr keene Mühe! Bei mir is Oberleder ratzekahl vo dr Sohle geplatzt. Da nutzt kee Nagel mehr was.«

      Er ging in den Schuppen und ließ sie stehen. Von der Stube aus sah sie ihn bald darauf, mit einem neuen Hebebaum beladen, vorübergehen.

      Marie hatte wohl die Anklage aus den vieldeutigen Worten des Trinkers herausgehört. Das peinliche Gefühl, mitverantwortlich an dem Hinabgleiten des armen Menschen zu sein, wurde durch reines Mitleid so verstärkt, daß sie den Klumpen ohne Zögern bat, dem Schuster weitere Vorschüsse zu verweigern. Aufmerksam hörte ihr Mann zu, sah sie groß an und verließ ohne jede Erwiderung die Stube. Am Abend gab er vor ihren Augen seinem Freunde wieder das Trinkgeld. Darauf wiederholte sie dringender ihre Forderung und wies ihm nach, daß er durch seine Starrköpfigkeit mitverantwortlich an der Verlumpung Kloses werde.

      Wiederum wartete Exner ruhig, bis sie all ihre Gründe auseinandergesetzt hatte. Er schaute gegen die Diele und verfärbte sich. Dann, als wolle er gegen sie losfahren, riß er sein Gesicht herauf und sah sie wild an, mäßigte sich jedoch und erwiderte nur: »Nee, das bild' dir nich ein! Mann bleib' ich.«

      Allein, war es die Wirkung der Worte Maries für sich, war es die Folge der stillen Wachsamkeit ihrer Augen: auf Tage wüster, arbeitsamer Trunkenheit des Schusters folgten Zeiten strikter Nüchternheit, in denen er wie umgewandelt erschien: wortkarg, reizbar, seine Hände trödelten absichtlich, er schlug mit Fleiß die Schärfe der Haue an den Steinen zuschanden und redete bittere Worte von Geiz und Nichtgenugkriegen, wenn der Lahme darüber ungehalten war. Glaubte er sich unbeobachtet, so maß er seinen Freund voll Haß.

      Dem jungen Weibe begegnete er in diesen Tagen in demütiger Scheu, war dankbar für jeden Blick, erfreut über jedes gute Wort.

      Nach vier Wochen war endlich das Feld aufgebrochen. Mit großen und kleinen Steinen wie übersät, glich es einer verlassenen

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