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»Warum bist du nach Newark gezogen?«

      »Interessiert dich das wirklich?« Josh hatte die Stirn in Falten gelegt und sah mich irritiert an. »Ich dachte immer, bei diesem Spiel fragt man Dinge, die nicht die halbe Welt weiß.«

      »Eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten, ist nicht erlaubt. Also?« Allmählich hatte ich mich an seine Nähe gewöhnt. Mein Wangen fühlten sich zwar immer noch unglaublich warm an, doch je länger wir nebeneinandersaßen, desto mehr nahm meine Nervosität ab. Es war erstaunlich einfach, mit ihm zu reden.

      »Mein Dad hat hier einen neuen Job angenommen, also sind wir umgezogen.«

      Er hatte recht, wirklich spannend war das nicht. Was hatte ich auch erwartet? Dass er auf der Flucht vor der Mafia im Zeugenschutzprogramm in Newark gelandet war? Und selbst wenn das stimmte, dürfte er mir nicht davon erzählen.

      »Wahrheit oder Pflicht, Em?«

      »Wahrheit.« Das war das geringere Übel.

      »Warum spielst du nicht mit den anderen?« Genau in diesem Moment ertönte lautes Gelächter, als Brianna Kennedy dazu genötigt wurde, David Michaels zu küssen. »Was die da drüben machen, will ich nicht tun.« Jedenfalls nicht mit einem von denen.

      »David küssen? Oder küsst du generell nicht gern?« Er lächelte unschuldig, auch wenn ich ihm ansah, wie viel Spaß ihm diese Sache machte.

      Zum Glück retteten mich die Spielregeln. »Nachfragen sind nicht gestattet.«

      »Hm. Aber ich könnte dir diese Frage einfach in der nächsten Runde stellen.«

      »Dann wähle ich ab jetzt wohl Pflicht.« Es war mit einem Mal so leicht, mit ihm zu reden. Mein Herz schlug in seiner Nähe zwar immer noch viel zu schnell, doch es fühlte sich richtig an, bei ihm zu sein. Josh aus der Ferne zu mögen war eine Sache, mit ihm zusammenzusitzen und zu reden, eine ganz andere. Es rückte meine absurde Verliebtheit in ein ganz neues Licht. Vielleicht war die Situation doch nicht so hoffnungslos, wie ich immer angenommen hatte. Aus niemals war in den letzten Minuten was wäre wenn geworden.

      »Pflicht? Wirklich?« Josh lachte leise, und mir lief ein wohliger Schauer über den Rücken. »Da vorne ist ein Pool.«

      »Das würdest du nicht wagen.« Auch wenn ich ihn eigentlich kaum kannte, war ich mir sicher, dass er nicht von mir verlangen würde, schwimmen zu gehen.

      »Nein, würde ich nicht. Aber es war den panischen Ausdruck auf deinem Gesicht wert.«

      Augenrollend stupste ich ihm gegen den Arm. So wie ich es bei Haley oder jedem anderen getan hätte. Doch das hier war anders. Ich berührte Josh. Zum allerersten Mal. Sein Blick fiel auf meine Hand, die viel zu lange auf seinem Unterarm verweilte, bevor ich sie hastig zurückzog.

      »Ich nehme noch mal Wahrheit.« Dass ich die Gelegenheit genutzt hatte, ihn anzufassen, ließ er zu meiner großen Erleichterung unkommentiert. Vielleicht passierte ihm so etwas auch öfter. Seltsame Frauen, die ihn verliebt ansahen und ihre Finger nicht bei sich behalten konnten, waren in Joshs Welt eventuell normal.

      Keine Fragen mehr über Football, so viel hatte ich gelernt. »Auf welches College willst du gehen?«

      »Ohio State.« Er zögerte keine Sekunde mit seiner Antwort.

      »Warum?«

      Josh lächelte, und ein kleines Stückchen meines Herzens schmolz dahin. »Die Nachfrage ist gegen die Regeln, aber ich will mal nicht so kleinlich sein wie andere.« Das letzte Wort betonte er mit einem Augenzwinkern. »Die Ohio State hat ein großartiges Football-Team. Wenn ich da reinkomme, schaffe ich es vielleicht irgendwann zu den Profis. Und du?«

      »Ich will nicht zu den Profis.«

      Wenn ich schon nicht mit Eloquenz glänzen konnte, brachte ich ihn immerhin zum Lachen. Ich mochte sein Lachen, so wie auch alles andere an ihm. Wenn überhaupt möglich, war ich ihm in den letzten Minuten nur noch mehr verfallen. »Eigentlich wollte ich wissen, auf welche Uni du gehen willst.«

      Zum Leidwesen meiner Mom hatte ich mir darüber noch nicht viele Gedanken gemacht. Entweder würde ich hier in Ohio bleiben oder bei meinem Dad in Kalifornien studieren. »Sie muss ein gutes Kunstprogramm haben, mehr weiß ich noch nicht.«

      »Du malst.« Keine Frage. Eine Feststellung.

      »Woher weißt du das?«

      Josh rieb sich mit einer Hand den Nacken. Man konnte den Eindruck bekommen, er wäre nervös. »Ich habe mit Mike über dich gesprochen.« Er verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. »Das stört dich hoffentlich nicht.«

      »Du hast mit Haleys Freund ...« Ich brauchte kurz, um meine Gedanken zu sortieren. »Über mich

      Josh nickte.

      »Warum?«

      »Ich war neugierig.«

      Jap, das hier war eindeutig keine Version der Realität, die irgendeinen Sinn ergab.

      »Wahrheit oder Pflicht, Em?« Hatte er es eben noch vermieden, mich direkt anzusehen, suchte sein Blick in diesem Augenblick meinen. »Und bevor du antwortest, solltest du wissen, dass ich wirklich sehr hoffe, dass du dich für Pflicht entscheidest.«

      Meine Knöchel traten weiß hervor, so fest umklammerte ich mein Handy. Dies war einer dieser Momente im Leben, die wichtig waren. Wegweisend für alles, was noch kommen würde. Es gab keine rationale Erklärung dafür, doch ich spürte, dass von meiner Entscheidung mehr abhing als nur der Ausgang dieses Spiels. »Pflicht.«

      Josh griff nach meiner Hand, löste meine Finger sanft von meinem Telefon und verschlang sie mit seinen. Kurz vergaß ich zu atmen, bevor ich leise nach Luft schnappte. »Es ist offensichtlich, dass wir beide nicht hier sein wollen. Ist es okay, wenn ich dich nach Hause bringe?«

      »Du willst ...?«

      »Dich nach Hause bringen, ja.« Sein Daumen strich über meinen Handrücken und löste eine Gänsehaut aus, die sich auf meinem ganzen Arm ausbreitete. »Und mich dabei von dir vor all diesen Serienkillern beschützen lassen, die da draußen herumlaufen, und von denen ich keine Ahnung habe.«

      »Etwa zweihundert bis fünfhundert sind noch nicht gefasst. Da gehen die Schätzungen auseinander.«

      »Siehst du.« Er strahlte mich über das ganze Gesicht an. »Und deswegen brauche ich dich.«

      Im nächsten Moment stand er auf und zog mich ebenfalls auf die Füße. Meine Hand ließ er auch dann nicht los, als wir uns einen Weg an unseren Freunden vorbei durch den Garten bahnten und gemeinsam in die Nacht verschwanden.

      1. Kapitel

      »Her heart was a secret garden

      And the walls were very high.«

      -William Goldman, The Princess Bride

      Columbus, Ohio

      4 Jahre später ...

      Die Luft war stickig, das Bier schal und die Menschen um mich herum so viel fröhlicher als ich selbst. Diese Studentenpartys waren in ihrer Essenz alle gleich. Manche fanden unter einem Motto statt oder zu einem bestimmten Anlass, doch am Ende ging es meist nur darum, sich zu betrinken und jemanden zu finden, den man mit nach Hause nehmen konnte. Als ich an der provisorischen Bar stand, mein drittes Bier aus einem Pappbecher trank und das Szenario um mich herum beobachtete, wusste ich wieder ganz genau, warum ich kein großer Fan dieser Veranstaltungen war.

      Suchend sah ich mich nach der kleinen Gruppe um, mit der ich hergekommen war. Caroline und Serena hatte ich im Laufe der letzten Minuten in der Menge verloren. Tammy war schon vor einer Stunde mit einem Typen verschwunden.

      Natürlich hätte ich auch zuhause bleiben können, doch selbst die langweiligste Party war besser, als meiner Mitbewohnerin und besten Freundin dabei zuzusehen, wie sie ihren Freund anhimmelte. Die beiden warfen sich oft so verliebte Blicke zu, dass man als Single in tiefe Depressionen gestürzt wurde. Noah und Grace waren

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