Скачать книгу

er in einer Stunde nicht hier ist, kommst du zu uns rüber, okay?« Sie zog sich ein T-Shirt und Shorts über ihren nassen Bikini.

      Ich hob drei Finger zum Schwur. »Versprochen.«

      »Und dann musst du mit mir tanzen. Mike kriege ich garantiert nicht dazu.«

      »Auch das ist versprochen.« Haley liebte es, zu tanzen. Das hatten wir gemeinsam.

      »Okay, dann bis später.« Sie beugte sich vor und drückte mich kurz an sich, bevor sie über den Rasen zu den anderen eilte, die bereits in ihr Spiel vertieft waren. Wahrheit oder Pflicht war seit der sechsten Klasse ein Dauerbrenner auf jeder Party. Das Spiel blieb gleich, nur die Aufgaben und Fragen veränderten sich. Waren es früher harmlose Mutproben gewesen, wussten heute alle Beteiligten, dass spätestens in der dritten Runde geknutscht wurde.

      Ich zog mein Handy aus der Tasche und spielte ein Quiz, das mir Haley empfohlen hatte. Man konnte gegen Gegner auf der ganzen Welt antreten und musste schräge Schätzfragen wie Welches Gewicht hat die Erde beantworten. Nach drei verlorenen Runden hatte ich genug und öffnete meine neueste Entdeckung: eine Serienmörder-Bibliothek. Die App war simpel gestaltet, aber unglaublich umfangreich. Man konnte sich stundenlang durch die Täterprofile, Fälle und psychologischen Hintergründe klicken. Mein Interesse wurde von Derrick Todd Lee geweckt, dem Baton-Rouge-Killer. Völlig vertieft in seine Geschichte, bemerkte ich die Person neben mir erst, als sie sich leise räusperte. »Hi.«

      Als ich den Kopf hob, erstarrte ich. Vor Schreck fiel mir das Handy aus der Hand und landete in meinem Schoß. Keine zwanzig Zentimeter von mir entfernt saß Joshua Sanders auf meiner Decke und lächelte mich an. Mich! Ich brauchte einen Augenblick, um diese surreale Situation und Joshs Anblick zu verarbeiten. Das Footballtrikot von heute Nachmittag hatte er gegen eine graue Jeans und ein schlichtes schwarzes T-Shirt getauscht. An jedem anderen hätte diese Kombination langweilig ausgesehen. Doch nicht an Josh. Das Shirt betonte seinen Oberkörper an genau den richtigen Stellen, und der sehr verliebte Teil von mir versuchte, sich den Anblick genau einzuprägen. Was gar nicht so einfach war, wenn einem das Herz bis zum Hals schlug. Mein Blick glitt über seine Hände, Unterarme, den Bizeps, Trizeps – oder wie auch immer diese Muskeln hießen, die meine Knie weich werden ließen. Sobald ich nach Hause kam, würde ich ihn zeichnen. Im Laufe der Monate hatte ich das bereits ein paar Mal getan, doch die Skizzen waren nie besonders gut gewesen, weil mir die Gelegenheit gefehlt hatte, ihn aus der Nähe zu studieren.

      »Was ist das?« Wenn es ihm aufgefallen war, dass ich ihn wie ein hypnotisiertes Kaninchen musterte, ließ er es sich nicht anmerken. Stattdessen zeigte er auf das Handy. »Lernst du, während die anderen feiern?«

      Oh Gott, jetzt hielt er mich garantiert für die größte Verliererin der Welt. Mit schweißnassen Händen griff ich nach meinem Telefon und schaltete das Display aus. »Das ist nichts.« Ein ganzer Satz, ohne zu stottern! Meine komplette Menschenwürde hatte ich noch nicht verloren, auch wenn Haley in Bezug auf ihn oft etwas anderes von mir behauptete.

      Josh schob sich ein paar feuchte Locken aus der Stirn. Er musste vor Kurzem geduscht haben. Ihn mir unter der Dusche vorzustellen, half nicht dabei, meinen hämmernden Puls unter Kontrolle zu bringen. »Du warst so vertieft, dass du mich nicht gehört hast.«

      Ein Fehler, den ich mir nicht so schnell verzeihen würde. Da hatte ich stundenlang gewartet, und dann verpasste ich seine Ankunft. Doch das hier war besser. So viel besser. Joshua Sanders saß neben mir und wir unterhielten uns. Wie zwei normale Menschen und nicht wie ein dummes, verliebtes Schaf und der Typ, der in einer so anderen Liga spielte, dass es fast schon bedauernswert war. »Serienkiller.« Ich hatte das Wort ausgesprochen, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken. »Eine App. Über Serienkiller.« Spätestens jetzt dachte er garantiert, ich wäre übergeschnappt.

      »Serienkiller?« Seine Lippen verzogen sich zu einem hinreißenden Lächeln. »Du stehst auf Serienkiller?«

      Er sah mich interessiert und zugleich amüsiert an. Ich musste mich in einem schrägen Paralleluniversum befinden, in dem die üblichen Highschool-Regeln nicht galten. Typen wie Josh unterhielten sich auf Partys nicht mit eigenartigen Mädchen über Serienkiller. »Es ist spannend zu lesen, warum Menschen diese fürchterlichen Dinge tun.« Weil ich es nicht besser erklären konnte, zuckte ich mit den Schultern. »Und es beruhigt mich. Irgendwie.«

      »Das klingt ungewöhnlich.«

      Ungewöhnlich. Aus seinem Mund bedeutete das vermutlich so viel wie übergeschnappt. Josh war nur zu nett, um sich anmerken zu lassen, was er von mir hielt. Er war also nicht nur der attraktivste Typ, den ich jemals gesehen hatte, er war auch noch so freundlich, wie alle Welt behauptete.

      Josh lehnte sich zurück und machte zu meiner Überraschung keinerlei Anstalten zu flüchten. »Wer ist dein liebster Serienkiller?«

      Dieses Gespräch war einfach nur absurd, dennoch antwortete ich ihm, weil alles andere schrecklich unhöflich gewesen wäre. »Der Zodiac-Killer.«

      »Der Typ, dessen Identität bis heute nicht ermittelt wurde?«

      Ich wusste, wann ein Kampf sinnlos war. Dieser hier war aussichtlos. Wenn sich Josh auch noch mit Serienmördern auskannte, hatte ich mein Herz unwiderruflich an ihn verloren. »Genau. Und er hat diese verschlüsselten Briefe verschickt, die teilweise noch immer nicht dekodiert wurden.«

      »Er hat junge Paare umgebracht, richtig?«

      Ich nickte. »Ja. Man weiß nicht, wie viele es wirklich waren. Mindestens fünf, doch die Ermittler nehmen an, die Dunkelziffer ist höher.«

      »Wow. Du stehst wirklich auf diesen Kram.« Er stützte seine Ellenbogen auf seinen Knien ab und beugte sich weiter in meine Richtung. Er war mir jetzt so nah, dass ich merkte, wie unglaublich gut er roch. Selbst sein verdammtes Duschgel war attraktiv. »Das gefällt mir.«

      »Dir gefällt, dass ich auf Serienmörder stehe?« Vielleicht war ich nicht die einzig Durchgeknallte hier.

      »Nein.« Er schüttelte lachend den Kopf. »Ich mag es, dass du mir nicht irgendetwas erzählst, von dem du denkst, dass ich es hören will.«

      Das hätte ich durchaus getan, wenn mein Gehirn dazu fähig gewesen wäre, sich kluge, anziehende und im besten Fall auch flirtende Sprüche einfallen zu lassen. »Über Football?«

      Er verzog angewidert das Gesicht. »Du hast keine Ahnung, wie oft mir Mädchen erzählen, dass sie mein größter Fan sind.«

      Okay, diese Information würde ich also für mich behalten. »Und das schmeichelt dir nicht?«

      »Manchmal.« Er stützte seinen Kopf mit einer Hand ab und sah mich aus großen Augen an. »Aber meistens ist das nicht die Wahrheit.«

      »Da vorne spielen sie Wahrheit oder Pflicht.« Was zur Hölle redete ich da? Jetzt dachte er sicher, ich würde ihn loswerden wollen. Dabei war genau das Gegenteil der Fall.

      »Und du hattest keine Lust mitzumachen?« Josh biss sich auf die Unterlippe, was meinen Blick dorthin lenkte. Auf seine Lippen. Nicht hilfreich. »Hast du Angst vor der Wahrheit oder vor der Pflicht?«

      »Ich habe vor gar nichts Angst.« Vielleicht davor, dass er ging und vergaß, dass dieses Gespräch überhaupt stattgefunden hatte. Doch das würde ich niemals zugeben.

      »Dann lass uns spielen.« Das Funkeln in seinen Augen war ein eindeutiges Zeichen dafür, dass ich ihm auf den Leim gegangen war. Wenn ich ablehnte, stand ich als Feigling da.

      »Mit den anderen?« Ich warf einen kurzen Blick zu der Gruppe, in der Haley und Mike saßen. Dass die meisten angetrunken waren, war selbst aus der Entfernung leicht zu erkennen.

      »Nur wir beide, wenn das für dich okay ist.«

      Welch eine Frage. Ich hätte zu allem Ja gesagt, wenn er noch ein bisschen bei mir blieb. »Okay.«

      »Es war mein Vorschlag, also ist es nur fair, dass du anfängst. Ich wähle Wahrheit

      Und damit hatte ich völlig unerwartet die einmalige Chance, Josh Sanders eine Frage zu stellen. Was hätte

Скачать книгу