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habe kurz gedacht, der schickt jetzt alle nach Hause. War auch echt blöd von mir, den Bacardi nicht zu verstecken.

      C hat dann die ganze Zeit wissen wollen, wie spät es ist. Habe ich natürlich nicht gerafft. Dann meinte er auf einmal, jetzt bist du 16 und ob ich mal mit nach draußen komme, er habe eine Überraschung für mich. Wir sind dann in das neue Gartenhäuschen gegangen, er hat ein paar Polster auf den Boden gelegt und mich runter, an seine Seite gezogen.

       Dann hat er mir eine Swatch geschenkt!!!! Die White Memphis!!!

       Total süß!

      Aber er ist ja auch 22 und hat das Geld.

      Dann hat er mir die Uhr um mein rechtes Handgelenk gelegt. Das Plastikarmband fühlt sich komisch an, irgendwie steif.

       Er sagte, er trägt seine Armbanduhr auch rechts, das wäre ein Zeichen, dass wir zusammengehören. Dann hat er die Stelle neben dem Armband geküsst. Das hat richtig gekribbelt! Er hat bis zur Ellenbeuge geküsst, dann ging es nicht weiter, wegen meiner Bluse. Dann küsste er mich auf den Mund. Seine Hände waren ganz warm …

      Das »Erste Mal« (haha, wie doof!) ist wohl nie schön. Eigentlich dachte ich auch, C wäre etwas … sanfter. Aber er ist ja schon älter und ist es nicht mehr gewohnt, mit einer jüngeren, also einer Jungfrau zu bumsen.

      Na Uschi! Dein tolles Geschenk vertreibt mir jetzt die Langeweile.

       Ich will nicht für die blöde Arbeit lernen!

      Meine Eltern meinen echt, dass ich Abi machen soll. Und dass C vielleicht ein bisschen zu alt für mich ist. Sechs Jahre. Älter.

       Die anderen Jungs aus meiner Klasse kommen mir jetzt voll wie die Babys vor. Die machen noch Rülpswettbewerbe. Wie kindisch!

      Claudi ist auch komisch. Die tut so, als ob sie sich für mich wegen C freut, aber zieht auch immer ein Gesicht. Nur weil ich einmal nicht mit ihr zum Hundeplatz gefahren bin. Sie sagt, dass ich nicht vergessen soll, wer ihre beste Freundin ist. Und ich ihr ALLES sagen kann. Dabei ärger ich mich eigentlich. Sie hat jetzt auch eine White Memphis. Angeblich hätte sie sich die schon gekauft, bevor C ihr gezeigt hat, was er mir schenken will. Als er bei Rolf war und sie wieder im Zimmer der Jungs hocken wollte. Claudi war sauer, dass ich sauer war, wegen Partnerlook und Busenfreundinnen.

       Dabei habe ich doch jetzt einen Partner, also Freund! Und der geht mir wirklich an den Busen!

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       Mittwoch, 30. Mai 2018, vormittags

      Laura ist wie ihre Mutter.« Ursula guckte durch das Fenster zum Haus der Pfarrerin, als ob sie beobachten wollte, was ihre Nichte zweiten Grades gerade machte.

      »Vom Aussehen und vom Charakter. Nicole war immer viel widerspenstiger als ich, viel schwieriger.« Die Sekretärin stieß ein kurzes Lachen aus. »Also, was man früher als schwierig bezeichnete, nichts im Vergleich zu ihrer Tochter jetzt. Alle wunderten sich, als sie mit dem vernünftigen Carsten zusammenkam. Und vor allem, es blieb.«

      »Aber«, unterbrach sie Christin, »mit Verlaub, sich an einem Dienstagabend so zu betrinken und dann einfach loszulaufen und sich in einen Graben zu legen, sorry, das ist schon mehr als widerspenstig und schwierig!«

      Ursula zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder ihrem PC zu.

      »Wohnt sie noch zu Hause?«, fragte Christin.

      »Ja, wieder« Ursula schaute von dem Bildschirm hoch, auf dem die Pfarrerin den Grundriss eines Gebäudes erkennen konnte. »Sie ist eigentlich schon mit sechzehn Jahren ausgezogen, in eine Wohngruppe. Dann hat sie mit achtzehn ihr Abi gemacht und ist wieder zu ihren Eltern zurückgezogen.«

      »Ihr Vater hatte also wieder jemanden gefunden?«, schlussfolgerte Christin.

      »Naja«, Ursula spitzte ihre Lippen, »lange hat er nicht gesucht. Claudia fiel ihm buchstäblich in den Schoß. Sie war Nicoles beste Freundin und die Schwester seines besten Freundes.«

      Christin spürte den Unmut ihrer Sekretärin über diese Entwicklung, als wären diese Dinge erst vor kurzem geschehen. Sie hatte am eigenen Leib erfahren, wie es sich anfühlt, wenn fremde Menschen Urteile über einen fällen, und wollte dies ihrer Sekretärin nicht durchgehen lassen. »Aber so war es doch für alle wahrscheinlich am besten«, hielt sie dagegen, »dieser grausame Tod hat doch viele Wunden gerissen, und letztendlich war es für die Kleine dann doch das Beste, bald wieder eine neue Mama zu haben.«

      »Nun, du weißt, worüber wir reden. Wie lange ist dein Mann jetzt tot?«, hakte die Gemeindesekretärin nach.

      »Zwei Jahre«, antwortete die Pfarrerin. Sie setzte an, noch etwas zu sagen, kam aber nicht zu Wort.

      »Zwei Wochen, Christin, zwei Wochen.« Ursula schluckte, als ob sie einen dicken Kloß im Hals hätte. »Dann übernachtete Claudia das erste Mal bei Carsten.«

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       Donnerstag, 31. Mai 2018, nachmittags

      Bis jetzt hatten sie nur das Nötigste miteinander gesprochen. Da dieser Donnerstag wieder ein heißer Tag geworden war, entschied Christin, dass sie mit Laika am Rhein spazieren gehen.

      Er schöpfte Hoffnung.

      Seit Wochen war sie ihm aus dem Weg gegangen. Hätte sie ihn nicht vorgestern angerufen, hätte er jetzt ein klärendes Gespräch verlangt.

      Da der Hund mitfuhr, stiegen sie in ihr Auto ein. Sie duftete angenehm frisch nach Zitrone. Sein Herz schlug schneller, seine Hände fingen an zu schwitzen, er versuchte sie auf seinen Oberschenkeln ruhigzuhalten. Ja, dachte er, ich gestehe, ich liebe diese Frau! Und ich bin nervös wie ein kleiner Junge.

      Oskar kam aus dem Haus gerannt. Freddie ließ sein Fenster herunter.

      »Kommst du gleich noch zu uns rein?«, die kieksige Jungenstimme überschlug sich fast.

      »Ich glaube nicht«, antwortete Christin anstelle von Freddie.

      Freddie presste die Lippen aufeinander, sagte aber nichts.

      »Komm, Ossi«, seine Schwester benutzte den von ihrem Bruder tief verhassten Spitznamen, »du musst den Tisch abräumen.«

      Mathilda stand in der Haustür und verzog keine Miene. Freddie kannte sie mittlerweile gut genug, um diesen Gesichtsausdruck deuten zu können. Sie lag auf der Lauer. Sie wusste, dass sich etwas tat.

      Auf der Fahrt sagte Christin kein Wort. Sie schaute geradeaus und manövrierte den Minivan durch die Rheindörfer. Ihm war nicht ganz klar, wo genau sie hinwollte, »am Rhein« war hier in Voerde ein weitläufiger Bereich. Immer noch sagte sie kein Wort und konzentrierte sich anscheinend auf die schmalen Straßen.

      Die Wiesen und Wege präsentierten sich wie in einem Werbeprospekt für Urlaub auf dem Land. Kühe grasten friedlich auf Weiden. Skurril geformte Kopfweidenstämme zeigten sich stolz mit einer langen, silbrig grünen Krone auf dem Kopf. Obwohl es jetzt schon sehr warm war, sah man um sich herum nur Grün. Dickes, sattes Grün. Die Natur gab noch alles.

      Freddie wusste nicht, ob Christins Wahl, hier entlangzufahren, eine tiefere Bedeutung hatte. Vor über drei Monaten waren sie sich hier, nach vielen Jahren, das erste Mal wieder begegnet. Genau genommen fuhr Christin den gleichen Weg, nur andersherum. Am Spellener Sportplatz bog sie nach links. Also wollte sie wahrscheinlich nach Ork.

      »Am Rhein wird es hoffentlich etwas kühler sein, sonst können wir das mit Laika gleich vergessen«, sagte Christin knapp.

      Nachdem sie die Mehrumer Straße geradeaus querte, schlängelte sie sich mit dem Auto durch das kleine Rheindorf

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