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Bauer, der Mensch, dem Nicole am meisten vertraute und erzählte. Gibt es irgendjemanden, dem Sie es zutrauen würden, Nicole Böses zu wollen? Alles, was Sie sagen, ist absolut vertraulich! C.J.: Nein. Nicole hatte das perfekte Leben. PHK W.I.: Frau Jakowicz, ich bitte Sie eindringlich, sofort mit uns Kontakt aufzunehmen, wenn Ihnen noch irgendetwas einfällt, egal was. Versprechen Sie uns das? C.J.: Ja, natürlich.

       Ende der Befragung

       7. Kapitel

       Sonntag, 3. Juni 2018

      Mit so einem starren Gesichtsausdruck hatte Christin Freddie noch nie gesehen.

      Seine mit Brandnarben verunstaltete linke Gesichtshälfte war natürlich nicht ausschlaggebend für sie, aber seine Augen sprachen Bände. Sie konnte nicht oft genug betonen, dass es ihr und dem Kleinen in ihrem Bauch gutgehe, dass man sie sonst nicht entlassen würde.

      Als Freddie und die Kinder sie jetzt, am Sonntag, aus dem Krankenhaus abholten, kostete es sie viel Kraft, Gelassenheit und Zuversicht auszustrahlen. Nur Mathilda schaute sie ängstlich von der Seite an, sagte aber kein Wort zu dem künstlichen Lächeln ihrer Mutter.

      Dabei war alles so schön gewesen.

      Mathilda hatte gestrahlt und Oskar konnte gar nicht aufhören, Freddie, »meinen neuen Papa«, wie er ihn ständig nannte, zu knuffen und zu berühren.

      Christin und Freddie hatten noch auf der Rückfahrt von Ork beschlossen, Mathilda und Oskar sofort einzuweihen. Die Pfarrerin hatte die Kinder mit einem festlich gedeckten Tisch überrascht, aber war noch nicht auf ihre Fragen dazu eingegangen. Zur Abendbrotzeit kam Freddie dann mit einer Auswahl an Pasta und einem gut verpackten Paket, mit dem er sofort in die Vorratskammer verschwand. Erst nach dem Nudelessen überraschte er sie mit vier Portionen Spaghettieis von ihrer Lieblingseisdiele in Voerde.

      Dann erst teilten die Pfarrerin und der Polizist den Kindern mit, dass sie heiraten würden. Erst formell, so schnell wie möglich auf dem Standesamt, nur mit einer kleinen Gartenparty. Später dann in »ihrer« Kirche.

      Und dass sie bald zu fünft sein würden.

      Bei der Aussicht, bald ein großer Bruder zu sein, geriet Oskar völlig aus dem Häuschen.

      »Hättet ihr auch so geheiratet?«, fragte Mathilda in die fröhliche Runde.

      Bis auf Oskar, der die Tragweite dieser Frage noch nicht verstand, verstummten alle.

      »Ja, Mathilda«, hatte Freddie geantwortet, »ich wollte eurer Mutter eigentlich heute einen Heiratsantrag machen, aber sie ist mir eine Sekunde zuvorgekommen.«

      »Wir möchten beide, dass wir von Anfang an«, Christin strich sich über ihren Bauch, »eine Familie sind.«

      Freddie war bei ihr geblieben. Mitten in der Nacht war sie dann plötzlich von starken Schmerzen im Unterleib wach geworden. Ihr zukünftiger Mann hatte sich auf keine Diskussion eingelassen und sie, nach einem Telefonat mit Ingrid, Christins Mutter, sofort in das katholische Krankenhaus in Dinslaken gebracht.

      Ein kleiner Teufel in ihr behauptete, sie habe kein Recht auf dieses Glück. Noch nicht. Vielleicht in ein paar Jahren. Vielleicht ja auch nie.

      »Ich bleibe jetzt bei dir«, bestimmte Freddie auf der Rückfahrt, »also, bei euch. So kann ich dich wenigstens ein bisschen unterstützen. Kannst du für deine Arbeit eine Stellvertretung bekommen?«

      »Nein, Freddie«, Christin blieb ruhig, »das möchte ich auch gar nicht. Ich werde es langsam angehen, das verspreche ich dir.«

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      Keine halbe Stunde.

      Rekordzeit. Aber Laura freute sich nicht darüber, irgendetwas nagte in ihr. Was hatte sie davon, dass die ganze Familie Bauer jetzt wie durchgeschleudert und zerschlagen war? Dass ihr Vater, der immer stark und selbstsicher war, ganz stumm wurde? Dass Claudia sich ins Bad eingeschlossen hatte und ihre kleinen Brüder sie mittlerweile nur noch abfällig anguckten?

      Ganz nüchtern betrachtet, wunderte sie sich gerade über sich selber.

      Das war es. Sie hatte jetzt so viele Tage hintereinander, wie schon lange nicht mehr, keinen Alkohol getrunken.

      Schämte sie sich jetzt etwa?

      Wütend ging sie in ihr Zimmer, packte eine kleine Tasche mit dem Allernotwendigsten zusammen und verließ das Haus.

      Ganz leise.

      Sonntag, 25.9.1988

      Jetzt werde ich mal eine kleine Lernpause machen.

      Morgen Matheklausur. Um sechs kommt C, bis dahin will ich noch lernen. Aber jetzt berichte ich noch kurz über meinen gestrigen Abend. Denn … ich will Polizistin werden!!!

      Gestern Abend bin ich mit Claudi, Steffi und Anja im Rallye gewesen. Es war ganz ungewohnt ohne C, aber auch mal ganz nett. C musste mit seinen Eltern zu irgendwelchen Verwandten in den Osten und da konnte ich nicht mit. Wegen der Matheklausur.

      Ich habe ihm zwar versprochen, nur zu lernen, aber abends hätte ich eh nix mehr in meine Birne gekriegt. Und Mama hat auch gesagt, geh doch mit, als Claudi anrief.

      Claudi kam dann zu mir. Wir haben uns in meinem Badezimmer ganz gemütlich fertig gemacht. Haben Sade gehört und total viel gelacht. Sie hat mir ihre roten Stiefeletten geliehen, und ich habe ihr meine schwarzen Wildlederpumps gegeben. Und wir haben beide die Pullis angezogen, die wir letztens in Arnheim gekauft hatten. Partnerlook.

      Anja und Steffi waren schon da, als wir am Rallye ankamen. Anja hatte einen selbst gestrickten, pinken Angorapulli an, so mit Fledermausärmeln und Carmen-Ausschnitt. Total schön! Sie hat jetzt einen Freund, Jens. Sieht ganz nett aus. Aber ein bisschen »Macho Macho«! Den hat sie im Schützenverein kennengelernt. Endlich hat sie jemanden, mit dem sie um die Wette ballern kann, die Schützenkönigin!

      Auf jeden Fall habe ich dann irgendwann mit diesem Jens alleine gestanden, ich musste mal eine Pause vom Tanzen machen, und habe mit ihm gequatscht. Er macht eine Ausbildung zum Polizisten, und das hat sich echt interessant angehört! Er meinte, der Sporttest ist echt heftig, aber ich glaube, den kann ich schaffen, habe in Sport immer eine Eins. Wir haben echt lange gequatscht, Anja hat schon doof geguckt, und als wir gegangen sind, hat er gesagt, ich kann ihn ruhig anrufen, wenn ich noch Fragen habe, Anja kann mir ja seine Telefonnummer geben.

      Morgen werde ich direkt mal zur Polizei gehen und fragen, wohin ich die Bewerbung schicken muss.

       Bin mal gespannt, was C dazu sagt!

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       Montag, 4 .Juni 2018

      Bis halb elf am Montagvormittag konnte Christin ihre Lage vor Ursula verheimlichen, um elf standen dann Bernd Hingmann, Freddie und Ursula selbst vor ihrem Sofa, auf dem die Pfarrerin es sich zum Arbeiten bequem gemacht hatte.

      »Christin«, Bernd strahlte sie an, »ich freue mich so sehr für euch beide, aber du musst jetzt an das Kleine denken!«

      Nie hätte sie gedacht, so schnell ein so herzliches Verhältnis zu Bernd Hingmann, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Presbyter zu bekommen. Ihr gemeinsamer Start im Januar war nicht leicht gewesen, aber nach dem ereignisreichen Frühjahr hatten sie sich gegenseitig schätzen und respektieren gelernt.

      »Bernd, das tue ich«, die Pfarrerin versuchte, nicht genervt die Augen zu verdrehen, »aber, jetzt sei doch mal ehrlich, du weißt genau, dass wir so schnell

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