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Operation war gelungen, niemand hätte es besser machen können, und nur darauf kam es schließlich an.

      3

      Erst als Dr. Jorg kurz nach neun Uhr die Unfallklinik verließ und sich ans Steuer seines Wagens setzte, fiel ihm auf, daß seine Frau nicht angerufen hatte. Aber es beunruhigte ihn nicht weiter, denn im Grunde hatte er gar nicht damit gerechnet. Der Gedanke, doch noch nach Hause zu fahren und sie zum Mitkommen zu überreden, kam ihm nicht. Es war ihm lieber, die unerquickliche Begegnung so lange wie möglich hinauszuschieben.

      Er reihte sich in den Verkehr, der um diese Zeit nicht mehr allzu stark war, ein, überquerte die Isar und bog an der Kreuzung rechts nach Bogenhausen ab, wo Olga Krüger wohnte.

      Er merkte, daß er an dem Haus vorbeigefahren sein mußte, entschloß sich zu parken, sobald er eine Lücke zwischen den an der rechten Seite aufgereihten Wagen fand. Er stieg aus, schloß ab.

      Aufmerksam ging er die Straße zurück, bis er die Hausnummer fand, die Olga Krüger ihm angegeben hatte. Sie gehörte zu einem modernen Appartementhaus mit breiten Fenstern, die den Ausblick auf die Grünanlagen an der Isar und über die Stadt freigaben.

      Er fand das Türschild mit dem Namen, den er suchte, klingelte. Kaum drei Sekunden später summte der Öffner. Er trat in eine weite, nahezu feudale Halle – der Boden war mit Marmor ausgelegt, es gab eine riesige treibhausartige Nische mit grünen Pflanzen und einen Lift.

      Er stieg in den Aufzug, drückte auf den Knopf zum fünften Stock. Erst als die Kabine nach oben schwebte, fiel ihm ein, daß er mit leeren Händen kam. Es wäre vielleicht richtiger gewesen, Blumen mitzubringen. Aber wozu? Schließlich verdankte Olga Krüger ihm tatsächlich das Leben, damit sollte sie wohl zufrieden sein.

      Die junge Frau stand schon in der offenen Wohnungstür, als er aus dem Lift stieg. Sie trug ein Kleid aus schwerer matter Seide, das ihre schlanke geschmeidige Figur hervorhob, hatte das schwarze Haar hinter die Ohren zurückgekämmt und auf dem Hinterkopf hochgesteckt.

      Zum erstenmal wurde es Dr. Richard Jorg bewußt, wie anziehend sie war.

      Ihre tiefblauen Augen leuchteten auf, als sie ihn sah. Sie streckte ihm beide Hände entgegen.

      „Dr. Jorg“, sagte sie, „wie ich mich freue! Sie kommen allein?“

      Die, wie es ihm schien, etwas überschwengliche Begrüßung machte den Arzt befangen. Er übersah die Hände, die Olga Krüger ihm entgegenstreckte, verbeugte sich formell.

      „Meine Frau läßt sich entschuldigen“, erklärte er, „sie fühlt sich nicht ganz wohl . . .“

      „Wie schade!“ erwiderte Olga Krüger, aber in ihrer Stimme klang nicht die Spur eines Bedauerns. „Hoffentlich ist es nichts Ernstes?“

      Aber sie erwartete offensichtlich keine Antwort auf diese Frage, sondern führte Dr. Jorg in das Wohnzimmer ihres Appartements, einen großzügig geschnittenen, sehr modern und sehr geschmackvoll eingerichteten Raum.

      „Bitte, machen Sie es sich bequem, Doktor! Ich denke, wir nehmen zuerst einen Aperitif, ja?“ Sie trat schon an die elegante, mit Teakholz verkleidete Hausbar. „Darf ich Ihnen einen Cocktail mixen?“

      „Eigentlich“, sagte Dr. Jorg, „wäre mir ein Whisky lieber . . .“ Er ließ sich in den extravagant geformten Sessel sinken, der sich zu seiner Überraschung als außerordentlich bequem erwies. „Ich habe einen schweren Tag hinter mir . . .“

      „Oh! Ist etwas Besonderes geschehen?“

      „Nur das Übliche. Aber das langt.“ Dr. Jorg streckte die langen Beine aus, versuchte sich zu entspannen. Er beobachtete Olga Krüger, die an ihrer Hausbar hantierte, mit schönen geschmeidigen Bewegungen, die dem Auge wohltaten.

      Dann trat sie zu ihm, reichte ihm das schwere, schön geschliffene Glas mit der goldenen Flüssigkeit, in dem die Eiswürfel klirrten. Sie ließ sich ihm schräg gegenüber auf der Couch nieder. „Cheerio!“ sagte sie. „Trinken wir auf Sie . . . Ihre große Tat, der ich mein Leben verdanke!“

      Sie hob ihr langstieliges Glas, in dem eine Olive schwamm, sah ihm tief in die Augen.

      Dr. Jorg fühlte sich tatsächlich angenehm wohl, zum erstenmal an diesem Tag, ja eigentlich zum erstenmal, seit er, die leblose Olga Krüger auf den Armen, zu Boden gestürzt war. Er gab sich ganz diesem schläfrigen und gelösten Behagen hin.

      Olga Krüger machte es ihm leicht. Sie erzählte von sich, ihrem Leben, das anscheinend sehr gradlinig und komplikationslos verlaufen war. Sie war die Tochter eines Eisenbahners, ein Mädchen mit brennendem Ehrgeiz, das sich zur Chefsekretärin eines großen Werkes hinaufgearbeitet hatte. Später servierte sie eine kalte Platte – Braten, Schinken, Oliven, viele kleine raffinierte Salate, Käsestückchen auf Zahnstocher gespießt, dazu eine Flasche süffigen Rheinwein. Sie aßen beide mit gutem Appetit, rauchten eine Zigarette. Olga Krüger räumte ab, stellte den Plattenspieler ein. „Wollen wir tanzen, Doktor?“ fragte sie lächelnd. „Natürlich nur, wenn Sie nicht zu müde sind.“

      Er konnte nicht gut ablehnen, erhob sich, half ihr den Teppich zurückrollen.

      Langsam bewegten sie sich im Rhythmus einer Beguine über das blanke Parkett.

      „Sie sollten öfter Tanzen, Richard“, sagte Olga Krüger schmeichelnd. „Sie sind ein ausgesprochenes Talent . . .!“

      „Das höre ich heute zum erstenmal“, erwiderte Dr. Jorg lächelnd.

      Sie hatte die Hände auf seine Schultern gelegt, ihr schlanker, schmiegsamer Körper, ihr schönes Gesicht waren ihm sehr nahe.

      „Dann“, sagte sie, „hat dieser Abend für Sie vielleicht doch einen Sinn gehabt!“

      „Es ist wunderschön bei Ihnen, Olga!“

      „Zuwenig“, sagte sie bedauernd, „alles viel zuwenig . . . ein Abendessen, eine Flasche Rheinwein . . .“ „Die Whiskys nicht zu vergessen!“

      „Ja, auch die! Ein schäbiger Dank für ein geschenktes Leben!“

      „Halten Sie mich für einen Mann, der Dank erwartet?“

      „Nein, aber gerade darum . . . ich bin sehr unzufrieden mit mir, Richard! Früher pflegte man für eine Lebensrettung eine goldene Uhr zu verschenken, nicht wahr?“

      Er lachte. „Was sollte ich wohl damit? Schließlich bin ich kein Firmling . . .“

      Sie ging auf seinen Scherz nicht ein, ihre Augen waren sehr ernst geworden. „Ich kann nichts geben, Richard . . . nichts als das, was Ihnen schon gehört! Mein Leben!“

      Die Platte war abgelaufen, die Musik verklang. Aber sie machte keine Anstalten, sich aus seinen Armen zu lösen, legte den Kopf leicht in den Nacken, blickte ihn mit halbgeöffnetem Mund an. In ihren Augen stand eine leidenschaftliche Forderung.

      Er nahm ihre Hände, löste sie von seinen Schultern. „Es ist spät geworden . . .“

      Eine Sekunde lang stand sie wie erstarrt. „Sie wollen doch nicht etwa . . . schon gehen?“

      „Doch“, sagte er mit Festigkeit, „es war ein wunderschöner Abend . . . aber Sie wissen ja, man soll Schluß machen, wenn es am schönsten ist.“ Er zog ihre Hände an seine Lippen, küßte sie auf die Fingerspitzen. „Ich danke Ihnen . . . für alles!“

      Fünf Minuten später schloß Dr. Richard Jorg sein Auto auf, setzte sich ans Steuer, ließ den Motor an und fuhr aus der Parklücke heraus.

      Er war sich darüber klar, daß sein Aufbruch fast wie eine Flucht gewirkt haben mußte. Aber er bedauerte es nicht.

      In den Armen der anderen hatte ihn plötzlich heiße Sehnsucht nach seiner eigenen Frau gepackt, Reue und schlechtes Gewissen. Er begriff, wie sehr er sie in den letzten Tagen gequält hatte und wie sehr sie sich immer noch, gerade in diesem Augenblick, seinetwegen quälen mußte – Inge, seine kleine Inge, die einzige Frau auf der Welt, die er wirklich liebte!

      Er

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