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watete weiter, bis er den Boden unter den Füßen verlor, schwamm dann in kräftigen Stößen auf das immer tiefer sinkende Fahrzeug zu, packte den Türgriff, schwang sich auf den vorderen Kotflügel, der schon tief unter Wasser gedrückt war, und schlitzte das Verdeck des Autos auf.

      Jetzt sah er die Fahrerin. Sie hing ohnmächtig über dem Steuer. Ihr Körper lag schon bis zur Brust im Wasser.

      Es gelang ihm mit unendlicher Anstrengung, den leblosen Körper in den vor Nässe schweren Kleidern hochzustemmen und auf den unzerstörten Teil des Verdecks zu legen. Lieber Gott, betete er innerlich, nur noch ein paar Minuten! Laß das Auto nicht jetzt versinken, nicht jetzt! Nur noch ein paar Minuten . . . Er wußte: Wenn das Auto zu früh unterging, würde der Strudel sie beide unweigerlich mit hinabziehen.

      Mühsam kletterte Dr. Jorg auf den Kofferraum, packte die leblose junge Frau unter den Achseln und zerrte sie hoch.

      Er zog die Bewußtlose ins Wasser und schwamm auf dem Rücken dem Ufer zu, mit Beinstößen, die ihm das letzte an Energie abforderten. Er hatte gerade wieder Boden unter den Füßen gewonnen, als das Auto gurgelnd in die Tiefe des Sees verschwand.

      Auf seinen Armen trug er die Gerettete zum Ufer, erreichte keuchend und zitternd, völlig am Ende seiner Kräfte, die Böschung, glaubte schon, es geschafft zu haben . . . da glitt er auf einem nassen Stein aus. Er drehte sich im Kampf um sein Gleichgewicht um sich selber, die junge Frau entglitt seinem Griff. Beide stürzten zu Boden.

      Dr. Jorg spürte einen jähen, heftigen Schmerz an der Stirn. Ein Feuerwerk roter und gelber Sterne blitzte vor ihm auf und erlosch. Nacht umfing ihn. Er verlor das Bewußtsein.

      Später, viel später hörte Dr. Richard Jorg eine vertraute Männerstimme über sich: „Mensch, Richard, alter Junge!“

      Er riß die Augen auf. Dr. Willy Markus lächelte besorgt auf ihn herab.

      „Wo bin ich?“ fragte Dr. Jorg mühsam.

      „Na, schau dich mal um. Du solltest dich doch hier auskennen. Nein, liegenbleiben, bitte . . . Ich habe nicht gesagt, daß du gleich aufstehen sollst.“

      Dr. Jorg sah weiße Kittel um sich, bekannte Gesichter, helles, schattenloses Licht. „Bin ich . . .“, stammelte er.

      „Sehr richtig, alter Junge.“ Markus grinste. „Du bist in der Unfallklinik! Im Vorbereitungsraum, wenn du es genau wissen willst.“

      „Was . . . was ist denn passiert?“

      „Genau das möchte ich von dir wissen“, erwiderte der Kollege.

      „Wasser . . . kaltes, trübes Wasser . . .“

      „Sehr richtig!“ Dr. Markus reinigte mit einer Desinfektionsflüssigkeit das Gesicht des Kollegen. „Eigentlich hätten wir einen Schnappschuß von dir machen sollen“, meinte er. „Wie du aussahst, als sie dich hier hereinschoben . . . ich dachte, mich laust der Affe.“

      Die scharfe Flüssigkeit brannte in der Wunde. Dr. Jorg zuckte zusammen.

      „Nur eine Platzwunde“, sagte Dr. Markus beruhigend. „Du hast Glück gehabt. Ein Pflaster drauf, und schon ist’s passiert!“ Er legte die Staubinde um Richards linken Arm. Die Injektionsnadel drang in die Vene.

      „Was machst du denn da?“ fragte Dr. Jorg.

      „Ich verpasse dir eine Ampulle Dolantin. Scheinst ja einen argen Schock bekommen zu haben. Bleib still liegen, hörst du? Ärzte sind bekanntlich die schwierigsten Patienten.“

      „Wo ist diese Frau?“ fragte Dr. Jorg. „Die aus dem Wagen . . . im See . . .“ Langsam, ganz langsam kam die Erinnerung wieder.

      „Die du gerettet hast, meinst du wohl.“

      „Ich habe . . .“

      „Genau. Du bist der Held des Tages. Du sahst eine junge Dame im See versinken, und schon hast du dich wie ein Kavalier in die Fluten gestürzt. Meine Hochachtung, alter Junge.“

      „Ja, so war es“, murmelte Dr. Jorg. „Jetzt weiß ich wieder alles. Ich habe das Verdeck aufgeschnitten und sie ’rausgeholt. War ein verdammtes Stück Arbeit.“

      „Kann ich mir denken.“ Dr. Markus zog die Spritze heraus, nahm die Staubinde ab und gab beides einer Schwester. Er begann den Leib des Patienten abzutasten. „Schmerzen?“ fragte er.

      „Ach, woher denn?“

      „Na, erlaube mal. Du könntest dich doch verletzt haben“

      „Aber wie denn? Wasser hat schließlich weder Kanten noch Ecken. Wenn ich nicht auf den blöden Steinen am Ufer ausgerutscht wäre . . . also wirklich, Willy, mir fehlt nichts, außer dieser kleinen Beule an der Stirn.“

      „Na schön. Dann werde ich dich jetzt mal zum Röntgen schicken.“

      „Röntgen?“ Dr. Jorg fuhr auf. „Bist du denn wahnsinnig? Wegen dem kleinen Bums?“

      „Bloß als Vorsichtsmaßnahme. Du solltest doch selbst am besten wissen . . .“

      „Na hör mal. Seit wann wird hier jeder geröntgt, der sich den Schädel gestoßen hat?“

      „Nicht jeder. Aber bei dir möchte ich ganz sichergehen.“ Dr. Markus grinste. „Schließlich bist du ein besonders wertvolles Mitglied der menschlichen Gesellschaft.“

      „Laß die Witze!“

      „Ganz im Ernst, alter Junge.“

      Dr. Jorg zog sich die rauhe Wolldecke um die nackten Schultern. „Alles, was ich brauche, ist ein heißes Bad und ein Aspirin! Wenn ihr mich noch länger hier so herumliegen laßt, hole ich mir den Tod! Und falls du mich wirklich ins Röntgenzimmer schleppen willst, springe ich von der Trage . . . laß dir das gesagt sein!“

      „Na schön“, sagte Dr. Markus. „Auf deine Verantwortung.“

      „Und tu mir einen Gefallen: Sieh zu, daß meine Sachen im Trokkenraum wieder in Ordnung gebracht werden. Wo sind übrigens mein Mantel und meine Schuhe? Ich hatte sie ausgezogen, bevor ich . . .“

      „Alles da. Keine Sorge.“

      „Um so besser. Übrigens, in der Tasche vom Mantel müssen meine Zündschlüssel sein. Kannst du jemanden losschicken, der mein Auto holt?“

      Dr. Markus hob die dichten schwarzen Augenbrauen. „Du hast doch nicht etwa vor, allein nach Hause zu fahren?“

      „Doch. Sobald ich mich einigermaßen erholt habe.“

      „Also hör mal . . .“

      „Ich bin nicht krank.“

      Dr. Markus zuckte die Achseln. „Schon möglich“, sagte er. „Deinem Dickschädel kann ein kleiner Stoß bestimmt nichts ausmachen.“

      Dr. Jorg wandte sich an die Krankenpfleger. „Ab geht’s“, befahl er. „Ins Bad!“

      Dr. Markus lief ijhm nach. „Hör mal“, sagte er. „Wird Inge sich keine Sorgen machen, daß du nicht nach Hause gekommen bist? Soll ich sie nicht wenigstens anrufen?“

      Dr. Jorgs Augen wurden dunkel. Wie hatte er seine Frau vollkommen vergessen können? Das war noch nie zuvor geschehen.

      „Doch“, sagte er betroffen, „tu das . . .“

      „Wird gemacht.“

      „Aber bitte, erzähl ihr nichts von dem Unfall. Sag einfach, ich hätte noch länger hier zu tun. Ich möchte sie nicht beunruhigen.“

      „Ob das richtig ist?“ fragte Dr. Markus zögernd.

      „Laß das meine Sorge sein. Schließlich bin ich mit ihr verheiratet und nicht du!“

      Dr. Markus sah ihn ganz verdutzt an. So hatte Richard Jorg noch nie mit ihm gesprochen. In einem so schroffen, beinahe haßerfüllten Ton. Na ja, der Schock, dachte Willy Markus. Er wird schon wieder vernünftig werden.

      Gegen sechs

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