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auf einer aufgeblasenen weichen Stütze lag.

      Der Anästhesist hatte eine Dauertropfinfusion am Knöchel des Patienten angelegt. Eine Hohlnadel, die in die Vene führte, war durch ein Schlauchsystem mit einem Behälter verbunden. So konnten dem Patienten die notwendigen Medikamente tropfenweise zugeführt werden.

      Außerdem hatte der Narkosearzt eine Intubation durch den Mund direkt in die Luftröhre eingeführt . . . ein biegsames Rohr, das mit dem Narkosegerät in Verbindung stand. Da der Patient in tiefer Bewußtlosigkeit lag, war eine Narkose zwar nicht nötig; aber man konnte ihm auf diesem Wege während der ganzen Operation Sauerstoff zuführen.

      Dr. Jorg warf dem Anästhesisten einen fragenden Blick zu. „Wie sieht’s aus?“

      „Schlecht, leider. Ich habe alles versucht, den Kreislauf anzuregen. Aber . . .“ Der Anästhesist zuckte mit den Schultern.

      „Tun Sie weiter, was Sie können“, sagte Dr. Jorg. Er wandte sich an die OP-Schwester: „Skalpell!“ Dann führte er den ersten bogenförmigen Schnitt aus. Es blutete unerwartet stark. „Sauger!“ forderte Dr. Jorg.

      Der Anästhesist betätigte den Sauger. Das blutende Gefäß wurde sichtbar. Dr. Jorg ergriff es mit der Pinzette. „Strom!“

      Der Assistent legte die elektrische Nadel an das Gefäß und verödete es. Die Blutung war gestillt.

      Dr. Jorg hatte den Hautlappen jetzt zurückpräpariert, halbmondförmig klappte er ihn herunter. Der Knochendeckel lag frei und mit ihm die Bruchstelle.

      Die OP-Schwester reichte ihm den elektrischen Bohrer. Dr. Jorg legte zwei Bohrlöcher an, so daß ein Rechteck entstand, dessen eine Seite die Bruchstelle bildete.

      „Handsäge!“

      Die OP-Schwester reichte sie Dr. Jorg. Er sägte vorsichtig von Bohrloch zu Bohrloch und hob das Knochenstück heraus. Eine jüngere Schwester nahm es in Empfang und legte es in physiologische Kochsalzlösung.

      Jetzt sah man die Hirnhaut. Sie war stark gespannt. Blauschwarz schimmerte die Blutung durch.

      Der Assistent spülte das Operationsgebiet, entfernte Knochensplitter.

      Dr. Jorg nahm das haarscharfe kleine Skalpell und ritzte die starke Dura an, die Hirnhaut. In dickem Schwall spritzte das gestaute Blut heraus. Nach und nach verschwand der Hirndruck.

      Zwar konnte in dieser Minute niemand sagen, der Patient sei endgültig gerettet. Aber dem sicheren Tod war er zunächst einmal entrissen.

      Der Assistent begann die blutenden Gefäße elektrisch zu verschorfen, bis das Operationsgebiet keine Nachblutung mehr zeigte.

      Dr. Jorg füllte Hirnflüssigkeit auf und vernähte die Dura. Dann stand er auf und ging. Seine Arbeit war getan. Das Einfügen des Knochendeckels und die Kopfhautnaht konnte er dem Assistenten überlassen.

      „Versorgen Sie auch noch den Arm und den linken Fuß“, sagte er, bevor er den OP verließ. „Der Junge wird sie ja hoffentlich noch brauchen.“

      Im Waschraum half ihm die Lehrschwester aus dem blutverschmierten Kittel. Dr. Jorg bestellte sich eine Tasse Brühe und eine Schnitte Brot, wusch sich die Hände und zündete sich eine Zigarette an.

      Doch das war die einzige Erholungspause, die sich Dr. Richard Jorg an diesem Vormittag gönnen durfte.

      Danach ging es ununterbrochen weiter. Knochenbrüche, Schnittverletzungen, Quetschungen. Eine Frau, die versucht hatte, sich zu vergiften. Ein Kind mit schweren Verbrennungen.

      Dr. Jorg war ganz überrascht, als plötzlich Dr. Willy Markus vor ihm stand, um ihn abzulösen.

      „Nanu?“ sagte er. „Ist es schon zwei Uhr?“

      „Zwanzig vor“, erklärte der Kollege und Studienfreund und zeigte lächelnd seine weißen, ebenmäßigen Zähne. „Aber einen Junggesellen wie mich macht ein Sonntag im Winter sowieso halb verrückt. Ich hatte nichts Besonderes vor heute mittag. Und da dachte ich, dir läge viel daran, so schnell wie möglich zu deiner Frau nach Hause zu kommen.“

      „Danke, Willy. Vielen Dank.“

      „Laß nur. Und grüß Inge von mir.“

      „Wird gemacht. Servus.“ Richard Jorg ging zum Ärztezimmer, zog sich um und eilte hinaus zu seinem Wagen. Er war dem Kollegen ehrlich dankbar.

      Früher waren sie unzertrennlich gewesen. Richard Jorg und Willy Markus. Als Junggesellen hatten sie zusammen gewohnt, sich immer blendend verstanden, manche Verrücktheit miteinander ausgeheckt. Bis Willy Markus seinem Freund eines Tages seine Freundin Inge vorstellte. Ein bildhübsches blondes, blutjunges Mädchen. Sie hatten sich angesehen, Inge und Richard Jorg, und beide waren ein bißchen verlegen geworden.

      Willy Markus hatte es zunächst nicht bemerkt, er schlug in aller Harmlosigkeit einen Ausflug zu dritt vor. Man kam danach noch öfter zusammen, obwohl Richards Befangenheit Inge gegenüber immer größer wurde. Er wehrte sich gegen die Liebe, die heimlich in ihm wuchs, er hatte alles andere vor, als seinem besten Freund das Mädel auszuspannen.

      Doch nach Wochen war Willy Markus zu ihm gekommen und hatte gesagt: „Du Richard . . . ich komme mit Inge nicht mehr recht klar. Wir haben uns im Grunde nichts mehr zu sagen, und ich fürchte, alter Junge, daran bist du schuld. Halt, sag jetzt nichts. Sie hat mir gestanden, daß sie dich liebt. Und du hast auch Feuer gefangen, mach mir nichts vor. Was sollen wir uns lange herumquälen . . . passiert ist passiert. Ich strecke die Waffen, meinen Segen habt ihr. Wenn ihr ’nen Trauzeugen braucht . . .“

      So rasch und so einfach war das gegangen. Willy Markus benahm sich großartig. Aber ein Knacks in der Freundschaft war geblieben.

      Er zündete sich eine Zigarette an, bevor er sich ans Steuer setzte. Der Wagen sprang nicht gleich an, er mußte die Starterklappe ziehen. Dann fuhr er an und kurvte auf die Straße hinaus.

      Draußen vor der Stadt lastete immer noch der Nebel. Dr. Jorg nahm Gas weg und schaltete das gelbe Nebellicht ein. Nach einiger Zeit lichteten sich die Schwaden etwas. Er sah, daß ein rotes Kabriolett wenige Meter vor ihm fuhr. Am Steuer saß eine Frau. Er konnte nur erkennen, daß sie dunkles Haar hatte und eine Pelzkappe trug.

      Die Fahrbahn war naß und glänzend. Dr. Jorg mochte nicht überholen, es war zu glatt. Er wollte gerade in den zweiten Gang zurückschalten, um noch langsamer zu fahren, als die Dame vor ihm plötzlich ihr Tempo beschleunigte. Der Abstand zwischen den beiden Autos vergrößerte sich.

      Das rote Kabrio hatte jetzt das Ufer eines kleinen Sees erreicht. Die Böschung fiel steil zum Wasser ab, die Straße war durch ein Geländer abgesichert. Eine scharfe Kurve kam heran.

      Dr. Jorg sah, wie der Wagen vor ihm bremste und gleichzeitig ins Schleudern geriet. Das Heck schlingerte hin und her, die Fahrerin verlor die Gewalt über das Steuer. Das rote Kabrio scherte nach rechts aus, durchbrach das Geländer und stürzte in die Tiefe.

      Der ganze Vorgang hatte sich in Sekundenschnelle abgespielt. Wäre nicht das zersplitterte Geländer gewesen . . . Dr. Jorg hätte sich einbilden können, einer Täuschung zum Opfer gefallen zu sein.

      Er brachte seinen Wagen zum Stehen, sprang hinaus, lief zum Geländer, starrte in die Tiefe. Das rote Kabriolett schwamm mit dem Verdeck nach oben auf dem Wasser. Wahrscheinlich hatte es sich im Fallen überschlagen und war dann doch mit der Bauchseite unten angekommen. Aber es sank von Sekunde zu Sekunde tiefer, das Wasser drang unerbittlich ein.

      Was tun? Die Funkstreife oder die Feuerwehr verständigen? Ehe die kamen, war es zu spät. Wenn die Fahrerin nicht selbst genug Geistesgegenwart besaß, sich aus dem sinkenden Fahrzeug zu befreien, war sie verloren.

      Angestrengt spähte Dr. Jorg in die Tiefe. Die Fenster des Wagens waren noch über Wasser. Aber im Inneren war nicht die geringste Bewegung zu erkennen.

      Er raste zu seinem Auto zurück, riß sein Fahrtenmesser aus dem Handschuhkasten, hastete die Straße entlang bis zum Ende des Geländers und stolperte den Abhang zum See hinunter.

      Das Auto war in der Zwischenzeit

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