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Vater, Mutter und der Zauber der Kindheit. Gudbergur Bergsson
Читать онлайн.Название Vater, Mutter und der Zauber der Kindheit
Год выпуска 0
isbn 9788711447765
Автор произведения Gudbergur Bergsson
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Wäre mein Vater eine positive Figur in einem erbaulichen Roman vom Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, geschrieben für Leser, die sich gern etwas vormachen lassen und sich dabei gut und edel fühlen, dann hätte sein Autor ihn als visionären Alten stilisiert und geschrieben: »Als der alte Mann aus tiefstem Herzen diese offenen Worte sprach, ging ein Leuchten über seine Stirn, und er bot sein Eigentum mit freigebiger Hand alleinstehenden Müttern und anderen Bedürftigen dar. Seine Augen sprühten Funken, seine Worte zeugten von einer Mischung aus Stärke, Überzeugung und Mitleid mit tüchtigen Menschen, denen Gott in seiner Güte nur Unglück beschert hatte, und deshalb sprach er zu seinem verlorenen Sohn: Du wirst dieses Haus nie bekommen, denn es ist für Frauen bestimmt, die einen weinenden Säugling an ihrer Brust nähren.«
Ich hörte ihm brav zu, wie es Söhne bei ihren Vätern und Müttern nach christlichem Gebot tun sollen, erlaubte mir aber gleichwohl zu denken, denn ich ließ mir von ihm nie das eigene Denken verbieten: Jaja, ist er mal wieder in dieser Stimmung. Was kann der Alte sich aufregen! Aber laß ihn mal, früher oder später legt sich der Sturm, und der Wind dreht sich, denn auf die Beständigkeit des Wetters und der Gesinnung darf man in Island nicht viel geben.
Zum Lob des Denkens läßt sich sagen, wenn es in den richtigen Momenten zu schweigen weiß, kann es einen sogar von den eigenen Eltern frei machen, was das Schwierigste von allem ist. Also seufzte ich in meiner Seele und hörte meinem Vater geduldig und ein bißchen müde zu. Ich habe lange genug im Ausland gelebt, um an der sogenannten typisch isländischen Mentalität wenig Gefallen zu finden. Eigentlich fand ich sie eher etwas ermüdend und keinesfalls zur Nachahmung empfohlen, und ich bin überzeugt, daß wenig von ihr Zukunft hat. Der Untergang ist ihr sicher. Natürlich kommt es bis zu einem gewissen Grad auf die Umstände an und darauf, ob wir es schaffen, unser Denken zu ändern, ohne unseren Nationalcharakter und unsere Mentalität zu verlieren.
– Ich bin der Meinung, allein Nachfrage und Kaufkraft der Interessenten sollten zu jeder Zeit den Wert eines Hauses bestimmen, fuhr mein Vater mit neuer Überzeugung fort wie ein frischgebackener Immobilienmakler.
Der Zeitgeist war mächtig über ihn gekommen, und das noch in so fortgeschrittenem Alter und bei einem Menschen, der stets Wert darauf gelegt hatte, im Umgang mit seinen Nächsten eigene Wege zu gehen. Dafür folgt er jetzt um so bereitwilliger den ausgetretenen Pfaden anderer, dachte ich.
Ich hätte geglaubt, daß höchstens ein Apologet der Marktwirtschaft eine solche Rede halten würde, wenn ich ihn nicht schweigend wie üblich auf seiner schmalen Ruheliege vor mir gesehen hätte, den Kopf auf einem Kissen unter einem billigen, gelinde gesagt unkünstlerischen, häßlichen und schäbigen Wandteppich mit schmuddelig grauen Rentieren in einem zweifellos deutschen Wald.
Ich hörte, wie er zur Stützung seiner Argumentation seine Haushaltshilfe anführte, eine ehrenwerte Frau, die ihm im Vertrauen gesagt habe, sie könne sich durchaus vorstellen, das Haus zu übernehmen; nicht für sich selbst – sie sei weder geldgierig noch eigennützig, sondern allein mit Tüchtigkeit durchs Leben gekommen, das wisse er schließlich von allen am besten –, sondern für ihre Tochter und ihre Schwiegertochter. Die Tochter könne dann oben wohnen und die Schwiegertochter unten. Beide wären wie viele junge Leute, besonders junge Mädchen, hätten sich Kinder anhängen lassen und nichts als Ärger mit den Kerlen. Daher bräuchten sie viel Verständnis und ein eigenes Dach über dem Kopf.
– Ich habe die beiden hübschen Dinger gesehen, sagte mein Vater.
– Und, wie sind sie? fragte ich.
– Lassen gute Anlagen erkennen, jede auf ihre Weise. Man sieht, daß sie aus gutem Holz geschnitzt und von Grund auf verläßlich sind.
– Dann sind sie also ganz wie das Haus, sagte ich.
– Oder das Haus ganz wie sie, sagte er.
– Sind sie hübsch? fragte ich.
– Beide haben hübsche Mäulchen und sehen ganz niedlich aus, meinte er. Und wenn sie kommen, um mir ihre Kinder zu zeigen, schwingen sie nicht übertrieben locker mit den Hüften.
– Wo ist denn sonst was locker bei ihnen? fragte ich.
Sie haben Männern zuviel vertraut, die es nicht verdient haben; weder die Kanaillen, die sie gleich nach der Konfirmation schwängerten, noch die Kerle, die ihretwegen ihre Frauen verließen, zu ihnen ins Bett stiegen und ihnen ein weiteres Balg anhängten und sie dann zu allem Überfluß auch noch heirateten.
– Ist es etwas so Schlimmes, die Mutter seines Kindes zu heiraten?
– Nein, sagte er. Aber dann erst haben sie trotz ihrer Unschuld begriffen, daß die beiden Schweinehunde waren.
– Auch der Sohn deiner Haushälterin? fragte ich.
– Der ist der Schlimmste. Das hat er von seinem Vater.
– Ein verläßliches Fundament und gutes Holz scheinen deinen Mädchen nicht viel genützt zu haben, bemerkte ich.
– Bist du schwer von Begriff? fragte mein Vater.
– Wieso?
– Weißt du denn nicht, daß die größten Dreckskerle am leichtesten bei den besten Frauen unter die Decke kommen, die gute Anlagen und Charakter haben?
– Das finde ich schon etwas merkwürdig, sagte ich.
– Nein, das ist ganz natürlich, sagte er. Solche Frauen sind so hilfsbereit, daß sie die Männer nicht durchschauen, weil ihre Gutmütigkeit ihnen den Blick trübt. Gewöhnlich kommen unschuldige Mädchen nicht hinter den schlechten Charakter der Männer, bevor sie ein Kind von ihnen erwarten und dann eins nach dem anderen, mit denen sie sitzengelassen werden.
Vor Entrüstung über die Verantwortungslosigkeit der Männer warf mein Vater die Lippen auf.
– Können sie sie nicht im Hafen der Ehe festmachen?
– Willst du etwa, daß die unschuldigen Kinder von diesen Vätern lernen, sich wie Feiglinge aufzuführen? fragte er. Gute und verantwortungsbewußte Frauen behalten ihre Kinder für sich. Vor allem die Jungen lernen das Gute von den Müttern und springen dann später nie schlecht mit Frauen um.
– Deshalb setzt die Gegenwart so sehr auf Erziehung, sagte ich.
– Hoffentlich wird die Zukunft dementsprechend, meinte er, obwohl ich das ja nicht mehr erleben werde.
– Gute Frauen haben also immer genug zu tun, sagte ich.
– Natürlich, antwortete mein Vater. Frauen arbeiten zu Hause wie draußen an den verschiedensten Dingen. Die zum Beispiel, die ich meine Zugehfrau nenne, hat unheimlich viel um die Ohren. Sie muß sich überall um so vieles kümmern, den Kindern oder anderen Frauen helfen, daß sie es oft nicht zu mir schafft, obwohl ich ihre Hausbesuche natürlich aufschreibe, auch wenn sie gar nicht da war.
– So, tust du das? fragte ich.
– Ich bin doch nicht so gemein und verhindere, daß gute Frauen ihr volles Gehalt von der Gemeinde ausbezahlt bekommen. Sie hat es nur verdient, daß ich ihre Besuche bestätige, antwortete er. So bekommt sie wenigstens etwas für all ihre fürsorgliche Hilfe. Und das hat sie mir zu verdanken.
– Du hast doch ein gutes