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50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2. Эдгар Аллан По
Читать онлайн.Название 50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2
Год выпуска 0
isbn 9782291092247
Автор произведения Эдгар Аллан По
Жанр Учебная литература
Издательство Bookwire
Wie hat sie auch nur einen Augenblick vor dem Zorn des Vaters schwanken, einen Augenblick glauben können, Josi sei tot.
Da kommen die Männer heim.
»Hole mir Wein, Bini, ich habe noch einen verdammten Durst,« johlt Thöni, – »schau mich nicht so verächtlich an, Bini, und so seltsam. So, schwillt dir der Kamm wieder, weil der Rebell und Halunke da ist. Es nützt dir nichts. – Am Sonntag muß der Pfarrer unsere Ehe verkündigen!«
»Ins Bett mit dir, Thöni,« keucht und donnert der Presi, der müde und elend auf einen Stuhl gesunken ist.
»Von Euch laß ich mich nicht mehr so anfahren, Presi,« mault Thöni unter der Thür zurück, »wenn ich im Kot bin, so seid Ihr auch drin.« »Geh jetzt,« sagt der Presi matt, »schlafe den Rausch aus. Gelt, Bini, du machst keine Thorheiten wegen des Rebellen!« Thöni schwankt ohne »Gute Nacht« fort.
Sie antwortet dem Vater nicht. Das Linnen, an dem sie arbeitet, ist ihr vom Schoß geglitten. Sie hat das letzte Wort Thönis anders gefaßt als der Vater – für sie ist es ein Schuldbekenntnis, daß an Josi ein Verbrechen geschehen sei.
»Ich gehe jetzt auch zu Bett, es ist mir nicht recht wohl. Gute Nacht, Binia.« Der Vater sagt es so gütig, wie er seit langem nicht mehr geredet hat, aber tiefbekümmert, als hätte er etwas Schweres erlebt.
Binia schläft nicht.
Mitten in der Nacht wandelt sie barfuß und gespensterhaft durch das Haus. Leicht gekleidet schleicht sie von ihrer Kammer durch den Gang zu Thönis Zimmer. Sie lauscht eine Weile an der Thüre. Der drinnen schnarcht laut. Sie öffnet die Kammer, läuft auf den bloßen Zehen zu Thönis Kleidern und zieht daraus den Schlüsselbund, er klirrt leise, der Schläfer wendet sich auf die Seite, sie huscht in den Mondschatten, aber einen Augenblick später schnarcht er weiter, sie huscht zurück durch Gang und Treppen abwärts bis zur Postablage.
Sie entzündet Licht, schließt Pult und Truhen auf und findet, was sie sucht, in einer kleinen Schublade – Briefe – die Notschreie Josis um sein totes Schwesterlein und um sie.
Sie küßt sie – ihre Augen blitzen – ein bleiches Lächeln geht über ihr Gesicht. »Darum hast du so viel trinken müssen, Thöni, du Schuft! Aber ein Narr bist du wie alle, die Schlechtes thun. Sonst hättest du die Briefe vernichtet.« Aus der Ferne hört sie den gleichförmigen Gesang des Wächters, der mit seinem Spieß taktmäßig auf das Straßenpflaster schlägt. Sie löscht das Licht aus, bis er vorübergegangen ist.
Dann entzündet sie es wieder. Ein jubelndes Triumphgefühl steigt in ihr auf – sie will am Morgen die Briefe dem Vater vorlegen – Thöni ist geschlagen, das Feld für Josi frei. – Und vor Josi will sie sich rechtfertigen – so bald als möglich.
Sie schreibt in fliegender Hast ein paar Zeilen, die ihn in den Teufelsgarten bestellen, steigt durch den Untergaden ins Freie und hängt den Brief mit Hilfe einer Stange, einer Nadel und eines Fadens an die Haken des Fensters, hinter dem Josi schlafen muß, und kehrt leis zurück.
Alles was sie thut, thut sie wie im Traum – sie ist ihrer Sinne nicht mächtig, so hämmert die Brust – sie taumelt durchs Haus, sie tritt wieder in Thönis Zimmer, sie steckt den Schlüssel in seine Kleider, sie betrachtet einen Augenblick den Schläfer, sie hebt die geballte Faust: »Josi hast du gemartert und schläfst so gut.«
In ihren Augen funkelt der Haß, sie flüstert: »Weiß Gott, ich könnte Judith sein.«
Fort eilt sie und nun ist ihr doch, sie höre etwas. – Das Entsetzen rüttelt sie – sie hat den Vater seufzen gehört – aber sie hat nicht gewagt, sich umzusehen. War es nur Einbildung der gespannten Sinne, daß er unter der Thür seiner Kammer stand.
Wie eine Bildsäule lehnt sie noch im Morgenrot mit gefalteten Händen an ihrem Bett, blaß und aufgeregt, aber in furchtbarer Entschlossenheit. Sie muß mit dem Vater reden – rasch – rasch.
Am Morgen aber meldet Frau Cresenz, der Vater sei krank, und wie Binia doch zu ihm heraufsteigen will, da fleht jene, daß sie ihm Ruhe gönne.
Daran hätte sich Binia nicht gekehrt, es handelte sich jetzt gewiß um mehr als Ruhe, aber – ihr selber liegen die Erregungen der Nacht wie Blei in den Gliedern – sie hätte die Kraft nicht, mit dem Vater zu reden, wie sie müßte – sie könnte nur weinen.
»Wohl, wohl,« meint Frau Cresenz, »das wird eine heitere Wirtschaft auf den Sommer, der Präsident ächzt, du bist so zitterig wie Espenlaub und von Thöni mag ich schon gar nicht reden – der war heute früh wie eine Leiche – die Post hat er nicht besorgt – er hockt schon wieder beim Glottermüller und säuft. – Und ich überlege, ob ich nicht fortlaufen will.« – –
Der Presi sitzt in seiner Stube im Lehnstuhl und stöhnt: »So viel Elend! – Die Dörfler drohen mit Aufruhr – der Garde ist wild über mich – die Wildleutlaue steht in Sicht – und nun ist auch der Rebell wieder da – der unheimliche Rebell, von dem man nicht weiß, woher er in allen Dingen seine Stärke hat.«
Wie sonderbar hat er es im Kreuz zu Hospel vernommen, daß der zurück ist. Die Bräggerin plauderte so harmlos, als ob sie nichts merke. Thöni aber stürzte Glas auf Glas und in seinem Rausch sagte er auf dem Heimritt immer nur, er werde den Rebellen töten.
Er hat sich an der letzköpfigen Aufregung Thönis geärgert – er konnte nicht schlafen vor Verdruß. – Da – da – hört er eine Thür gehen – er streckt den Kopf aus dem Schlafgemach – – Binia schleicht leichtgekleidet und barfuß aus Thönis Kammer und huscht hinüber, wo sie und die Mägde schlafen – Bini – seine Bini. – Ist's möglich – sie in der Nacht bei Thöni – sie, die sich immer gegen ihn gewehrt und gesperrt hat – sie, das wilde und doch so keusche Blut ist so wohlfeil geworden.
Er ächzt – er stöhnt. – Es ist unfaßbar, daß Binia zu Thöni gegangen sei, aber was das Auge sieht, glaubt das Herz. Er hat gestern abend einen Groll gegen ihn gefaßt – und die Wahrheit – er hat schon lange etwas gegen ihn. Wie, wenn Thöni doch nicht der rechte Schwiegersohn wäre? Es ist ihm furchtbar zu Mute. Er hat mit der Verlobung das Dorf schlagen wollen, nun ist ihm, er habe sich selber und Binia geschlagen. Das arme Kind – der liebe, lose Vogel – ob ihm nun die Wiederkehr Josi Blatters nicht das Herz bricht. Und in heißen Stößen spürt der Presi, wie er Binia liebt, die arme Maus, die sich mit Thöni vergessen hat. – Er möchte sie schlagen vor Wut, er möchte vor ihr niederknieen: »Bini, meine einzige, sage es deinem alten Vater, was er gesehen hat, sei nicht wahr.« Aber er kann das Kind nicht rufen. Vor eigener Scham. Sein Herz klagt ihn schreiend an: »Ich habe sie mißhandelt. Und der Mensch ist wie ein Pferd. Das edelste Tier wird, wenn es genug Schläge bekommen hat, störrisch und stürzt sich in den Abgrund.«
So ist Binia gestürzt, sein herrliches Kind – sein ist die Schuld – er darf ihr nicht mehr in die Augen sehen.
»Möge dich Gott schlagen,« hat er einmal gesagt – und Gott hat sie geschlagen. Es ist schrecklich. – Eine Umkehr giebt es nicht mehr, nur Eile vor dem Rebellen. Am Sonntag muß der Pfarrer die Ehe Thönis und Binias verkündigen. Ein Glück ist in diesem grenzenlosen Elend: Binia weiß jetzt, daß das Spiel mit Josi Blatter aus ist – das ist vorbei!
Es ist ein furchtbar bleiches Lächeln der Genugthuung, das um die Lippen des Presi spielt.
Josi Blatter bringt er nicht aus dem Kopf. Er ist in Ehren und mit guten Zeugnissen aus der weiten Welt zurückgekehrt. – – Ja, er ist halt Fränzis Sohn, das ist seine geheimnisvolle Kraft.
Der Presi keucht und schwitzt. Da pocht es, Frau Cresenz bringt ihm einen Brief, den der Viehhüter Bonzi abgegeben hat. Er trägt die knorrige Schrift des Garden.
Der Presi ahnt nichts Gutes, erst als Frau Cresenz gegangen ist, öffnet er das Schreiben.