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zugeben, so mag er sich melden, an die Weißen Bretter steigen für seine Liebe und der Gemeinderat wird ihm Freiwerber sein!«

      Schweigen.

      »So einer wäre, der hätte heimliche oder offenbare Schuld, will aber die heligen Wasser richten, mag er frei vortreten, und wenn er an die Weißen Bretter steigt, so soll ihm, was er vergangen hat, nicht mehr angesehen sein, als es unsere Altvordern dem Matthys Jul angesehen haben. Gar nicht. Der Gemeinderat mag dann vor Gericht den Brauch des Thales darlegen und im Namen der Gemeinde um seine Freiheit bitten.«

      Schweigen! Der gräßliche Sturz Seppi Blatters lebt noch zu frisch in der Erinnerung aller. Hätten die Gemeinderäte aber vom Altar nach Josi Blatter geblickt, so hätten sie wohl gesehen, wie er den kalten Schweiß von der Stirne strich.

      »So lasset uns denn losen,« spricht der Presi. »Nach alter Sitte ist 77 die Loszahl. Will es jemand anders oder soll es gelten?« Schweigen! Jeder der Männer hebt seinen Filz vor den Mund, das Summen des Vaterunsers füllt den Raum.

      Der Presi hebt den Losbecher, spricht sein Gebet darüber, verschließt ihn mit dem silbernen Deckel, rüttelt ihn und wendet ihn dreimal feierlich. Das Gleiche thun der Garde und die folgenden Mitglieder des Gemeinderates, und der letzte, der es thut, stellt den Becher wieder auf den Altar.

      Der Presi spricht mit lauter klarer Stimme: »In Gottes, in Jesu Christi, in der Jungfrau Maria, in St. Peters und aller Heiligen Namen – so wollen wir losen.« Und er hebt den Deckel der Urne ab.

      Da formt sich bankweise der Zug zum Altar. Mann hinter Mann schreiten sie feierlich heran, die von St. Peter, nur die Alten und Bresthaften bleiben zurück. Am Altar thut jeder einen Stoßseufzer, langt in die Urne, und von den Stufen hinunter bewegt sich der Zug zurück in die Stühle. Dort betet jeder wieder in seinen Hut und öffnet sein Los. Den letzten Gliedern der Gemeinde folgt der Gemeinderat, und das letzte Los nimmt der Presi selbst.

      Langsam und feierlich vollendet sich die Zeremonie, kaum mit einem Laut verrät sich die grenzenlose Spannung, die über der Gemeinde liegt, denn es gilt als ein Zeichen der Schwäche, sich hastig oder neugierig zu zeigen, oder Freude zu äußern, wenn die schreckliche Zahl glücklich vorbeigegangen ist.

      Doch leuchtet jetzt manches Auge mutiger.

      »In Gottes, in Jesu Christi, in der heiligen Jungfrau Maria, in St. Peters und aller Heiligen Namen, der, den das Los getroffen hat, mag stehen bleiben.«

      Alle anderen setzen sich, nur der junge Peter Thugi ragt einsam aus ihnen. Jede Farbe ist aus seinem Gesicht gewichen.

      »Peter Thugi, habt Ihr das Los?« fragt der Presi feierlich.

      »Ja,« sagt der junge Mann, es klingt wie ein Schluchzer. Seine junge Frau ist ihm kürzlich gestorben, er steht mit zwei Kindern und dem alten Großvater allein, ist aber sonst fast mit dem ganzen Dorf verwandt und nicht mittellos.

      In einen seltsamen klagenden Laut löst sich das Erbarmen der Männer aus.

      Ein feierlicher Augenblick.

      Da schnellt Josi Blatter aus der Menge auf: »Presi und Gemeinderat, darf ich reden?« fragt er bewegt.

      »Sprecht, Blatter,« sagt der Presi, indem er den jungen Mann neugierig, doch mit warmer Achtung mißt.

      Josi errötet und verwirrt sich unter den vielen Blicken, die verwundert und mißtrauisch auf ihn gerichtet sind.

      Will er an die Stelle Peter Thugis treten?

      Er schluckt ein paarmal; unsicher zuerst, dann immer fester redet er:

      »Herr Presi, ihr Gemeinderäte und Bürger von St. Peter! Obwohl ich nur ein schlichter Mann und erst vor wenigen Tagen aus der Fremde zurückgekehrt bin, wage ich es, zu euch zu sprechen. Meiner Lebtag hat es mich beelendet, wie mein Vater selig an den Weißen Brettern gefallen ist. Ich bin in der Fremde Felsensprenger gewesen, und wenn ihr es zugebt und mir die nötige Hilfe leistet, so will ich von jetzt an bis zum Allerheiligentag für die heligen Wasser eine Leitung durch die Felsen der Weißen Bretter führen, daß alle Kännel überflüssig sind, und die Blutfron von St. Peter lösen. Es ist die Erfüllung eines Gelübdes für ein großes Glück, das ich erlebt habe, und ich thue es ohne Lohn.«

      Mächtige Bewegung. Man hört dumpfes Murren: »Was er sagt, kann niemand thun!« und halblaute Rufe: »Prahler! – Grobhans! – Gotteslästerer!« Der Presi aber donnert: »Laßt ihn reden. – Josi Blatter, Ihr habt das Wort.«

      »Es giebt jetzt ein weißes Pulver,« fährt Josi fort, »das ist wohl hundertmal stärker an Gewalt als das schwarze und heißt Dynamit. Man sprengt damit die Wege für die Eisenbahnen durch die Berge, und wenn ihr euch draußen in der Welt erkundigen wollt, so werdet ihr erfahren, daß damit Werke errichtet worden sind, gegen die ein Gang durch die Weißen Bretter nur ein Spiel ist.«

      Der Bockjeälpler ruft: »Einen Tunnel habe ich auch schon gesehen.« Andere Stimmen sagen: »Hört – vielleicht hat der Plan doch Hände und Füße,« wieder andere grollen: »Nichts Neues in St. Peter, wir haben am Alten genug.« Dritte drängen: »Nur reden,« und vierte mahnen drohend: »Nein, abhocken. Rebell.«

      So schwirren die Rufe.

      Da mahnt der Garde: »Er hat das Wort vom Presi!«

      Der Bockjeälpler ruft: »Aber er kommt nicht durch die Wildleutfurren!«

      Josi Blatter fährt fort: »Durch die Wildleutfurren baue ich eine Mauer, setze den Kanal darauf, darüber ein stark steiles Dach aus den dicksten Balken, darüber ein zweites wasserdichtes aus Steinplatten, die ich mit Zement, einem gelben Pulver, verbinde. Ich lehne das Dach dicht an die Felsen der Furren, die ich ein gutes Stück empor so verbauen will, daß die Lawine keinen Angriff findet, wenn sie kommt, und daß sie machtlos über die Steinplatten niederpoltern muß. Trägt man zu dem Werk ein wenig Sorge, so hält es tausend Jahre.«

      »Hm – es scheint, er versteht etwas!« – »Laßt euch nicht ein, das ist Aufruhr und Todsünde.« – »Er ist noch der alte Rebell,« verwirren sich die Stimmen.

      Eine unbeschreibliche Erregung herrscht in der Kirche, das Klopfen der geängstigten Frauen, das durch die schwere Thüre dringt, vermehrt sie.

      Josi kann vor dem Lärm um ihn nicht weiter reden, fast hoffnungslos sitzt er ab.

      Da reckt sich der Presi machtvoll, mit funkelnden Augen und mit glührotem Kopf vor der Gemeinde auf. »Ihr Männer von St. Peter,« spricht er mit zwingendem Klang der Stimme, »wir wollen das Angebot Josi Blatters nicht leicht nehmen. Er hat von den Ingenieuren der englischen Regierung in Indien gute Zeugnisse erhalten, er war der Kopf einer Abteilung von über hundert Mann. Und die Engländer sind ein tüchtiges Volk. Prüft also das großherzige Anerbieten, es handelt sich, wenn das Werk gerät, um eine wunderbare Wohlthat für uns, unsere Kinder und Kindeskinder. Weil aber die Angelegenheit so wichtig ist, so meine ich, die Gemeinde sollte eine Abordnung in die Stadt schicken und beim Regierungsrat fragen, was vom Plan Josi Blatters zu halten sei. Ohne ihn können wir nicht vorwärts gehen, er müßte auch zwischen uns und den äußeren Gemeinden vermitteln, daß die heligen Wasser einen Sommer lang stillstehen dürfen. Wir wollen aber rasch handeln, damit wir in acht Tagen wieder Gemeinde halten und entscheiden können, ob wir das Werk annehmen oder nicht. Ich weiß, daß ihr mir alle grollt, aber Gott im Himmel weiß es auch: Wenn ich schon nicht immer eure Ansichten teile, habe ich es doch immer gut mit St. Peter gemeint. Ich will das Amt, das ich zwanzig Jahr bekleide, vor euerm Groll in der Maigemeinde niederlegen. – Folgt nur jetzt noch einmal meinem Rat. Nehmt das Angebot Josi Blatters ernst, ich bitte euch herzlich darum.«

      Mit hinreißender Wärme, mit strahlendem Auge, zuletzt mit einer Bescheidenheit, die die Herzen bezwang, hat der Presi geredet und alle verwirrt. Ist das der hochmütige Mann, der dem Dorf den harten höhnischen Bescheid gegeben hat?

      Sein Auge sucht Josi Blatter – ein kleines, unendlich schönes Lächeln geht um seinen Mund – ein Lächeln, bei dem Josi ist, es schmelze der Haß aller Jahre hinweg.

      Er ist wonnig bestürzt über den Blick.

      Nun aber hält der

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