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um mich, sagst du, schmerzenreich und ist jetzt doch Thönis Braut!«

      Josi hat alle Fassung verloren.

      Da kommt der Garde zurück. Wie er hört, daß Josi schon am Morgen in die Stadt gehen will und von dem Versprechen erfährt, das er Indergand gegeben, seufzt er erleichtert auf. Er setzt sich Josi gegenüber und nimmt seine Hand. »Ich meine,« sagt er herzlich, »ich sei auch dein Vater, Josi, und will offen mit dir reden. Wie du zu Bini standest, weiß ich und der Herrgott, der ins Herz sieht, weiß ebenso gut, wie schwer es mir wird, ihr ein Leid anzuthun. Daß du aber morgen die Beate Indergand sehen willst, das ist des Himmels Wink. Kämpfe, kämpfe, Josi, gegen dein Herz! Es wird jetzt schon eine Aenderung im Bären geben, Thöni Grieg kann nicht in St. Peter bleiben, ich könnte mich nicht zähmen, wenn ich ihn träfe, den unseligen Hund. Was da aber komme, Josi, hüte dich vor Binia! Der Bären wankt. Zu maßlos hat der Presi gewütet. Ein Volksgericht bereitet sich vor, wie es in alten Zeiten gegeben hat – und, lieber Josi, ich möchte dich, wenn der Bären gestürzt ist, nicht unter den blutenden Opfern finden. Darum, um Gottes willen, Hand weg von Binia. So wenig zu ihr wie zu den Feinden des Presi – mein Haus soll rein bleiben von Schuld – und wenn dir die Beate ein wenig gefällt, so sei freundlich zu ihr. Es ist Gottes Hilfe zu deiner Rettung.«

      »O, wäre Bini nur nicht verlobt,« stöhnt Josi, »ich holte sie jauchzend mitten aus der Wut derer von St. Peter, aber ich kann nicht der Nachgänger Thöni Griegs sein – nein, beim Himmel nicht – und nicht mit einem Stecklein könnte ich sie mehr anlangen.«

      »Josi, geh' zur Ruhe,« mahnt Vroni, »du bebst ja am ganzen Leib – du bist krank.«

      Josi steht auf.

      »Noch eins, Josi,« sagt der Garde, »so schwer es dir und mir fallen mag – gegen das Dorf wollen wir über Thönis That schweigen und wenigstens jetzt auch noch nicht vor Gericht klagen. Die Wildleutlawine hat sich gerüstet und das ist immer eine schwere Zeit – ein Wort von uns, und sie kann den Bären mit den heligen Wassern zusammenschlagen. Gieb mir die Hand darauf, Josi, daß du ruhig bist.«

      Stumm reichen sich die Männer die Hände, zuletzt sagt der Garde: »Mit dem Presi will ich aber morgen doch reden – nicht seinetwegen – aber wegen des armen Dorfes.«

      Zum erstenmal schlief Josi wieder in der Heimat, doch wirre Träume quälten ihn, am meisten der, Binia schwebe in irgend einer großen Gefahr und rufe mit ihrem Vogelstimmchen: »Josi – Josi – ich bitte dich – hilf mir.« Schreiende Amseln flogen die ganze Nacht um ihn und einmal war ihm, jetzt sei wirklich eine an die Kammerscheiben geschossen. Er wollte aufstehen, aber mit bleiernen Gliedern blieb er liegen. Im ersten Grauen des Morgens sah er ganz bestimmt etwas Weißes vor seinem Fenster. Er stand auf. Ein Briefchen, durch das ein Faden gezogen war, hing am Fensterhaken.

      »Bini!« schrie er.

      Sie schrieb: »Ich muß mich vor Dir rechtfertigen, sonst sterbe ich. Bei dem schönen, unvergeßlichen Tag von Santa Maria del Lago, sei heute um Mitternacht im Teufelsgarten. Dein unglücklicher Vogel Binia.«

      Josi biß sich auf die Lippen und sein Gesicht verfinsterte sich. »Thorheiten, Bini,« flüsterte er, und beim frühen Morgenessen sagte er zu Vroni: »Schwesterlein, ich habe es mir überlegt. Ich muß wieder in die Fremde. Je bälder je besser. Am Sonntag noch wollen wir miteinander zur Kirche gehen, dann reise ich wieder ab.«

      Und seltsam! Vroni war über seine Rede wohl traurig, das Wasser trat ihr in die Augen, aber sie widersprach ihm nicht.

      Sie dachte an Binia und ihre ahnungsreiche Seele witterte Gefahr für Josi.

      Er zögerte und zögerte fortzugehen, er scherzte noch mit Joseli, der erwacht war, und dann war es immer, als wolle er noch etwas sagen oder fragen.

      »Du kommst gewiß zu spät,« mahnte Vroni.

      Jetzt endlich ging er, er ging den erinnerungs- und schmerzenreichen Weg über den Stutz hinunter, am Teufelsgarten und am Schmelzwerk vorbei.

      Als er zu den Weißen Brettern aufschaute, erschrak er. Es rieselte weiß in den Wildleutfurren und knatterte in einem fort. »Gerade wie damals,« dachte er, »als ich mit Vroni Mehl holen ging. Aber so früh im Jahre!«

      Er dachte an den Vater – er dachte an seinen eigenen großen Plan, als ein zweiter und stärkerer Matthys Jul und für Binia die heligen Wasser den sicheren Weg durch die Felsen zu führen und St. Peter aus der Blutfron zu lösen.

      In seinen sehnigen Armen zuckte das Leben, ein wunderbarer Anreiz lag in dem Gedanken.

      Bah – Bini ist für ihn verloren – er will wieder fort, die in St. Peter mögen selber sehen, wie sie mit den heligen Wassern fertig werden.

      Im Teufelsgarten dufteten die ersten Veilchen. Eine wunderliche Stunde kam ihm ins Gedächtnis.

      »O Binia! – Binia!« seufzte er.

      Er hatte nicht den Mut gehabt, Vroni zu Binia zu schicken und ihr sagen zu lassen, sie möchte von dem Stelldichein abstehen. Ein Wort, wenn auch nur zu Vroni, wäre ihm doch wie ein schnöder Verrat am geliebten Bild erschienen.

      »Glaube mir, sie hat gräßlich um dich gelitten – sie ist zur Verlobung mit Thöni gezwungen worden.« Die Worte Vronis klangen ihm in den Ohren. Und Binia ist in Gefahr.

      »Ich kann sie aber doch nicht treffen – sie ist die Braut Thöni Griegs,« murmelte er, und der Gedanke an Binia und an die Warnung des Garden quälte ihn so, daß er im reinen Frühlingstag vor Weh fast starb. Da kam ihm Kaplan Johannes entgegen. Der Schwarze mit dem Bettelsack stutzte einen Augenblick – dann schlug er ein höllisches widriges Lachen an: »Guten Tag, Söhnchen! – Bist du wieder da, du undankbares Aas!«

      »Schweige, Pfaff!« Und Josi machte eine drohende Bewegung mit seinem Stock.

      Ein entsetzlicher Haß loderte aus den Augen des Verrückten, Josi aber hatte eine sonderbare Empfindung: »Wie wenn mir einer Gift angeworfen hätte.«

      In Tremis streckte die alte verkrümmte Susi ihren Kopf aus dem Fenster. »Je, je,« lachte sie verwundert, »der zweimal verloren gegangene Rebell! – Jetzt seht Ihr aber schön aus. Bini muß jetzt wohl den Thöni fahren lassen. Hä-hä hä!«

      »Haltet Euer altes Maul!« rief er ihr verdrossen zu, er eilte vorwärts und kam in Hospel eben recht auf die Post.

      Der Wagen rollte das große Thal entlang. Ein betagtes Ehepaar und ein junges Mädchen teilten sich mit Josi in den Raum des offenen Gefährtes. Das Mädchen glich Vroni und war blond wie sie. Er hörte bald, daß sie erst in Hospel eingestiegen sei, wo sie übernachtet habe. Die drei sprachen dann aber wieder von gleichgültigen Dingen, namentlich vom Segen der heligen Wasser zu Hospel und den fünf Dörfern, wo ihr erster lauer Strom die Aprikosen- und Pfirsichblüten geöffnet hatte.

      »Ihr seid von Bräggen,« wandte sich Josi höflich an das Mädchen, »sagt, ist Felix Indergand gut heimgekommen von seiner weiten Reise?« »Vorgestern,« antwortete sie frisch, »kennt Ihr ihn?«

      »Freilich, freilich, warum nicht. Wir waren in Indien zusammen, mir haben uns erst vor wenigen Tagen getrennt.«

      »Da seid Ihr Josi Blatter von St. Peter im Glotterthal?«

      Zwei hübsche Augen richteten sich auf ihn, ein herzliches Lächeln umspielte die Lippen des Mädchens.

      »Felix,« fuhr sie fort, »hat uns viel von Euch erzählt, er sagte, ohne Euch hätte er es niemals ausgehalten in dem fremden Land, aber wenn er fast vergangen sei vor Heimweh, dann habet Ihr ihn immer so lieb angesehen mit Euren braunen Augen.«

      Sie lächelte wieder und betrachtete Josi, der unter ihren Blicken unruhig wurde.

      Himmel, dachte er, das ist wirklich ein frisches liebes Mädchen.

      Bei einem der nächsten Dörfer stiegen die alten Leute aus – die Jugend fuhr bis in die Nähe der Stadt allein durch den Frühling und plauderte.

      Beate Indergand war Waise, ein stattliches Bauernheimwesen lastete auf ihr und ihrer Mutter, und wenn Josi nicht zu viel in ihre

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