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heißen Herzens fühlte, durchrieselte ihn die Angst.

      »Binia, lieber, lieber Vogel, versprich es mir, daß du nie, nie mit Josi Blatter zusammenhältst, in deinem ganzen Leben nie!«

      Sie brach an seiner Brust in Thränen aus: »O Vater, ich hab' es dir schon lange bekennen wollen, Josi Blatter ist ein ehrbarer Bub. Er hat das, was Ihr meint, gar nicht gesagt. Gewiß Gott im Himmel nicht!«

      Er stutzte – er starrte sie an – er riß sie mit der ganzen Gewalt seines Armes von seiner Brust hinweg, daß die leichte Gestalt an die Wand taumelte.

      Und entsetzt kreischte er: »Schon so weit bist du, Seppi Blatter, daß mein Kind für deinen Buben lügt?!«

      Kapitel Acht

      Das Haus des Garden, das gleich am Eingang des Dorfes, etwas abseits vom Thalweg, gegen den Glottergrat hinausschaut, ist nächst dem Bären das stattlichste von St. Peter. Außer einer Grundmauer aber, auf der die unterste Reihe kleiner heller Fenster ruht, ist kein Stein an dem Bau. Ein ländliches, sonnenverbranntes Holzhaus, auf einem Brett über den Fenstern ein halb Dutzend goldener Immenstöcke, dann wieder Fenster im braunen, von der Sonne zerrissenen Gebälk und gleich darüber das steinbeschwerte, an den Enden durch Sparren fest aufs Gebälk geklammerte Schindeldach. So steht es da. Das glühende Rot der Nelkenbüsche wächst aus Töpfchen und Kistchen vor seinen Fenstern, verblaßte Malereien schmücken seine Holzfelder, zwei gekreuzte Schwerter, das Hauszeichen der Zuensteinen, Winkel, Triangeln, Kreuze und Bundhaken, die den Aelplern in einer Art Geheimschrift die Gerechtsame des Hauses an Weide und Wasser verurkunden, auch ineinandergeschobene Dreiecke, Schlüssel und Feuerschlangen, die der Bauherr vor hundert Jahren mit schlichter Kunst hingemalt hat, damit keine bösen Geister den Eintritt in die Heimstätte finden.

      Die Sorge, die nicht nach Schutzbildern fragt, ist aber unvermutet ins Haus getreten. Vor ein paar Wochen hat bei Ausbesserungsarbeiten an den heligen Wassern ein fallendes faules Holzstück den Garden am Kopf leicht verletzt, und vor wenigen Tagen ist aus der Wunde, die schon geheilt schien, die Gesichtsrose entstanden. Mit einem unförmlich verschwollenen Kopf, ein Tuch um die Stirne geschlagen, mit rot unterlaufenen Augen, wälzt sich der arme Mann und stöhnt: »Grad jetzt bei der vielen Arbeit – und grad jetzt, wo Fränzi gestorben ist! Wohl, wohl, die werden im Gemeinderat schön mit den Kindern wirtschaften. Nicht einmal die letzte Ehre habe ich ihr geben können.«

      »Alter, fahre doch nicht so im Bett hin und her,« jammert die Gardin, die hochgewachsene Frau mit dem verschwiegenen herben Gesicht, und frischt das Tuch mit Wasser an. »Es sind ja noch vier Gemeinderäte. Die können die Geschäfte auch einmal besorgen.«

      »Das macht alles der Presi – und der hat immer einen Zahn auf Fränzi und ihre Haushaltung gehabt.«

      – – Einen Augenblick schlummert der Garde, dann fängt er wieder an: »Du, Frau, wie ist Fränzi eigentlich gestorben?«

      »Wie Vroni erzählt hat, die fast nicht hat reden können vor Schluchzen, leicht und schön.«

      »Die Frau – sie war ja erst ein bißchen über vierzig – ist leicht gestorben, sagst du – leicht von ihren Kindern weg?« stöhnt der Garde verwundert.

      »Ich meine, wie einmal das Schlimmste überwunden gewesen ist. Am Morgen, bevor sie gestorben ist, hat sie zu den Kindern gesagt: ›Mich hat der Vater beim Namen gerufen, jetzt glaube ich auf meine Seligkeit, daß ich sterben muß.‹ Eine Predigt hat sie ihnen gehalten, da steht ihr die Sprache still, Josi holt den Pfarrer, sie nimmt die Sakramente, sie schaut ruhig vor sich hin und ist wie ein Licht erlöscht.«

      Einen Augenblick herrscht Ruhe. Da schlägt die Uhr im Arvengehäuse mit langsamen hellen Tönen Fünf.

      »Schlafe jetzt, Alter,« mahnt die Gardin, »denke, wie's Fränzi gegangen ist, sie hat sich im vorigen Winter bei der Armseelenwacht erkältet, hat nicht dazu gesehen, da ist der große Husten gekommen, der sie gelegt hat.«

      Der Garde aber ächzt und stöhnt lauter. »Eben jetzt beginnt im Bären die Gemeinderatssitzung, die über das Los Josis und Vronis entscheidet. Du, Frau, Vroni wollen wir zu uns nehmen. Sie hat's um Eusebi verdient. – Die ganze Schule hat sie mit ihm nachgeholt. Und sie ist mein Patenkind.«

      Die Gardin, die stolze Frau kämpft innerlich, sie will nicht Ja sagen, aber den schwerkranken Mann noch weniger mit einem Nein aufregen.

      Zum Glück schlummert er, während er auf Antwort wartet, ein. – –

      Nachdem Fränzi gestorben war, schickte der Presi den Schreiber als Stellvertreter des erkrankten Garden in die Wohnung der Waisen. Dieser verrichtete bei der toten Fränzi, die in den abgemagerten Händen einen Blumenstrauß hielt, ein Gebet, gab den Kindern ein paar kühle Trostworte und sagte ihnen, sie möchten am Tag nach dem Leichenbegängnis abends fünf Uhr im oberen Bärenstübchen erscheinen, damit der Gemeinderat mit ihnen über ihre Zukunft rede. Dann verständigte der Presi die Gemeinderäte, daß sie zu der anberaumten Sitzung erscheinen. Es kam aber, wie er ausgerechnet hatte. Die Gardin schickte Bericht, ihr Mann liege tief im Bett, man dürfe mit ihm kaum von der Angelegenheit sprechen. Der Armenpfleger war mit einem Trupp Vieh ins Welschland hinübergegangen und kam erst in vier oder fünf Tagen zurück. Der Gutsverwalter, der eben das Wasser in seinen Weinbergen zu Hospel besorgte, erklärte sich im vornherein mit den Beschlüssen, die gefaßt würden, einverstanden, und der Kirchenvogt meldete, die Stunde sei für ihn so ungeschickt, daß er vielleicht erst etwas später kommen könne. Die anderen sollen nur anfangen mit den Bauern zu verhandeln, die Lust hätten, Josi und Vroni in ihren Dienst zu nehmen.

      Im Stübchen saßen um fünf Uhr abends nur der Presi und der Schreiber, ein kleiner, alter, kahlköpfiger Mann mit großer Hornbrille, ausgemergeltem knochigem Gesicht und spindeldürren langen Fingern.

      »He, Schreiber, ist das wieder eine Sitzung. Kein Gemeinderat ist da!«

      »Fränzi hätte aber auch nicht zu einer ungeschickteren Zeit sterben können,« erwiderte der Schreiber pfiffig, »jetzt, wo niemand weiß, wie der Arbeit wehren.«

      »Ja, meint Ihr, die Geschichte komme mir gelegen, so grad, wo die ersten Gäste eintreffen!«

      »Ihr nehmt's eben ernst mit dem Amt, Presi!«

      Der Geschmeichelte murrte: »Ja, und des Teufels Dank habe ich auch. Ich mach's, und wenn die Sache gethan ist, geht das Schimpfen los und ganz Sankt Peter brüllt, ich sei ein gewaltthätiger und eigenmächtiger Sarras.« Beide lachten, dann fragte der Schreiber: »Hätte man über die Kinder nicht eine Steigerung abhalten sollen?«

      »So, damit die Leute sagen, der Presi suche immer nur Gelegenheiten, daß im Bären fleißig getrunken werde. Ich weiß schon, was man über mich redet. Und dann? Wer käme zu dieser strengen Werkzeit an eine Gant? Die Kinder Fränzis sind, denk' ich, auch nicht so begehrt. Im übrigen, Schreiber, könnt Ihr wieder gehen, ins Protokoll setzt einfach, ich hätte Vroni aus Liebe und Barmherzigkeit zu mir ins Haus genommen und Josi habe der Gemeinderat als Knecht zu dem früheren Wildheuer und jetzigen Bergführer Bälzi gegeben.«

      »Zu Bälzi!« Dem Schreiber fiel die Hornbrille von der Nase.

      Der Presi lächelte überlegen.

      »Ihr könnt eine Bemerkung in dem Sinn dazu setzen, Bälzi sei der einzige, der sich um Josi beworben habe, und da er in der letzten Zeit ein ordentlicher Mann geworden sei, so habe der Gemeinderat aus Mitleid für seine große Familie ein mildes Werk gethan und ihm den Buben auf Zusehen hin, wenigstens aber über den Sommer, als Knecht zum Wildheuen gegeben. So, jetzt könnt Ihr gehen, ich habe mit den Kindern besonders zu reden, schickt mir zuerst den Buben herein!«

      Mit einem kaum merklichen Kopfschütteln packte der Schreiber seine Sachen zusammen.

      Draußen im Flur saßen die Geschwister in ihren abgestorbenen Sonntagsgewändchen. Vor ihnen stand Bälzi und redete, die Hände lebhaft verwerfend, auf Josi ein, der mit zusammengezogenen Brauen verächtlich von ihm wegschaute und ihm kein Wort erwiderte. Vroni hatte verweinte Augen.

      Jetzt stand

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