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indem er gegen das Fenster blickte.

      »Der Bursche,« dachte er, »ist in seiner Schlankheit und Kraft, mit dem braunen, gescheiten Gesicht, mit den Blitzaugen verdammt hübsch. Es giebt kein wirksameres Mittel, die Gedanken Binias, ohne daß sie eine Ahnung hat, von ihm abzubringen, als daß sie ihn recht niedrig und in schlechter Gesellschaft sieht – grad mit Bälzi. So viel guten Sinn hat das Kind.«

      »Herr Presi,« unterbrach Josi, der wie auf feurigen Kohlen stand, die Ueberlegungen des Bärenwirtes, »Vroni und ich haben gemeint, wenn wir nur in dem Häuschen bleiben könnten, wir wollten schon –«

      »Thorheiten,« schnitt ihm der Presi das Wort ab und maß ihn mit dem Ausdruck des höchsten Unwillens, »warte, bis ich dich etwas frage, und ein Bursch wie du, Josi, der über mich und andre die größten Gemeinheiten sagt, muß einen Meister haben.«

      Mit glühendem Haß betrachtete er den sauberen Jungen.

      Josi standen die Flammen der Entrüstung im Gesicht: »Herr Presi, ich weiß schon, was Ihr meint, die Mutter selig und der Garde haben mich darüber zur Rede gestellt, aber es ist, weiß Gott, nicht wahr! Ich habe es nicht gesagt.« »Soll ich dir jemand gegenüberstellen, der's gehört hat?« erwiderte der Presi mit kalter Verachtung. – »Binia hat's gehört, wie du es im Schmelzwerk draußen gesagt hast,« fügte er nach einem Augenblick der Ueberlegung bei.

      »Bini. – Bini! – – Laßt Bini auf die Stube kommen!« Josi zitterte vor Zorn am ganzen Leib.

      »Es nützt nichts mehr, es ist vom Gemeinderat schon entschieden, daß du zu Bälzi gehst.«

      Der Presi rief im gleichen Augenblick Bälzi in die Stube und hielt nun beiden eine donnernde Rede, wie sie sich als Herr und Knecht miteinander zu vertragen haben. Mit einer Handbewegung entließ er sie. Vroni kam an die Reihe und freundlich gewährte der Presi dem verschüchterten Kind die Bitte, daß sie erst dem Garden Lebewohl sagen gehe, ehe sie als Magd in den Bären trete. »Ich lasse ihm gute Besserung wünschen und werde ihn in den nächsten Tagen besuchen.«

      Josi, der starke Josi, hatte, als er mit Bälzi die Treppe hinunterging, vor Zorn und Schrecken die Thränen in den Augen, ihm war, als habe man ihm mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen. Bälzi aber sagte gutmütig: »Greine doch nicht, wir wollen lieber einen Schoppen zusammen trinken und auf gute Freundschaft anstoßen, ich will dir gewiß kein strenger Meister sein.« Josi trank nicht. Als er vom Wirtstisch aufschaute, stand Binia mit einem Ausdruck grenzenlosen Mitleides unter der Thüre, fast als wolle sie auf ihn zueilen, aber er sah vor eigenem Leid ihre tiefe Bewegung nicht. Dumpf und mit erstickter Stimme rief er: »Du Giftkröte, wie hast du so über mich lügen können!« »Josi!« Mit einem Schrei des Entsetzens rannte Binia davon.

      Vor der Thüre nahmen die Geschwister herzbeklemmenden Abschied voneinander. »Rede mit dem Garden!« mahnte und tröstete Vroni, »er meint es gewiß gut mit dir.« Josi schüttelte aber traurig den Kopf; seit ihn der Garde wegen der Verleumdung des Presi scharf angefahren, hatte er auch zu ihm das Zutrauen verloren. Geheimnisvoll sagte er: »Sieh, Vroni, ich weiß schon, was ich thun werde.«

      Bälzi drängte. Stolz wie ein Hahn führte er seinen Knecht, den ersten, den er hatte, durch das Dorf, Josi aber ließ den Kopf hängen, er schämte sich seines Meisters.

      Vroni berichtete dem ungeduldigen Garden.

      »Kind, du gehst nicht als Küchenhelferin in den Bären,« keuchte er, »tritt in die andere Stube, ich halt's nicht mehr aus im Bett.«

      Sie hörte, wie er in einer Wut aus den Federn sprang.

      Einige Augenblicke später stand er zum Ausgehen gerüstet vor ihr. Aber wie? Durch schmale Spalte nur schauten seine rotunterlaufenen Augen, das hochgeschwollene Gesicht glänzte, aus den Blasen auf den Wangen floß das Wasser in den Bart und die Lippen waren aufgerissen.

      »Garde,« sagte Vroni bestürzt, »wollt Ihr nicht warten, bis die Gardin kommt?«

      Jammernd eilte diese zu dem schwankenden Manne und mahnte, er wütete aber immer zu: »So geht's nicht in St. Peter, das leide ich nicht, bei meiner Seligkeit leide ich es nicht. Presi, ich glaube es selber, die Tatze muß dir aus dem Grab wachsen. – Du bleibst bei uns, Vroni, du gehst nicht in den Bären!« Liebkosend fuhr er ihr durchs blonde Haar.

      »O Pate,« lächelte das Kind aus allem Elend und die blauen Träumeraugen ruhten voll innigen Vertrauens auf dem entstellten Gesicht, dann wandte sie sich fragend an die Gardin.

      Allein die hatte für nichts Gedanken, als ihren Mann zurück ins Bett zu bringen, sie hielt ihm in ihrer Not den Spiegel vor das Gesicht. Er fuhr erschrocken zurück. »Teufel, so sehe ich aus – da kann ich allerdings nicht ins Dorf gehen. Nun, ein paar Tage mag es Josi schon bei Bälzi aushalten.«

      Die Aufregung hatte dem Kranken geschadet, er verwirrte sich, er kommandierte im Bett unaufhörlich wie am Glottergrat, als Seppi Blatter an den Weißen Brettern stand: »Drei Fuß nachgeben!« – »Links anhalten!«

      – »Zu viel!« – »Etwas rechts!« – »So ist's recht!«

      – Zwischenhinein schimpfte er auf den Presi, dann fragte er wieder: »Ist Vroni wirklich da – bringe sie doch herein, wenn sie da ist.« Mit Seufzen schickte sich die Gardin in den Zuwachs, den ihr Haus erfuhr.

      Als am anderen Tag der Presi durch Thöni eine Nachfrage wegen Vroni schickte, erwiderte der Garde: »Sagt dem Presi, der Teufel werde ihn holen, bevor Vroni in seine Küche kommt.«

      Thöni machte ein langes Gesicht und der Presi fügte sich.

      In seiner schweren und langwierigen Krankheit ließ sich der Garde die nötigen Dienste am willigsten von Vroni gefallen, die ihn mit ihrer sonnigen Heiterkeit am meisten beruhigte. Sie hatte ihr schönes Heim.

      Ein Zug der Bedächtigkeit ging durch alles, was im Haus des Garden gesprochen und gethan wurde; es war, als sei auch in der Woche ein Abglanz vom Sonntag darin, und wenn die Sonne durch die Fenster schien, sich im blanken Kupfer- und Zinngeschirr spiegelte, war es Vroni feierlich zu Mut. Die Bäuerin, der Großknecht Meinrad, der Viehbub Bonzi und die Magd Resi, alle arbeiteten fleißig, doch ohne Hast; während der Garde krank lag, wurden Felder und Vieh grad so gut besorgt, wie wenn er mithelfend hätte beim Werk sein können.

      Eusebi hatte zum Verdruß seiner Mutter eine stille närrische Freude, daß nun Vroni im Hause weilte, er ging dem Mädchen auf Schritt und Tritt nach, sah ihm bei seinen Hantierungen zu und half ihm dabei.

      Und was sagte der Garde in einem der fieberfreien Augenblicke, die jetzt glücklicherweise wieder kamen, zu seiner Frau, die noch nicht recht wußte, wie sich zu dem hereingeschneiten Gast stellen?

      »Ich finde, daß Vroni dem Haus wohl ansteht, es ist immer, als scheine die Sonne darein, wenn doch nur ihr helles Haar glänzt.«

      An Vroni aber zehrte der heimliche Kummer um Josi. Sie wußte, was es hieß, bei Bälzi Knecht zu sein. Harte Arbeit an den Flühen, Aufbruch im Morgengrauen, Heimkehr in der Abenddämmerung und – was schlimmer war – wenig Brot, viel Schelte, dazu das Beispiel eines schlechten Haushaltes, in dem häufig gestritten wurde. Denn einen wetterwendischeren Menschen als Bälzi gab es nicht. Er konnte in einem Augenblick die Freundlichkeit selbst sein, im nächsten aber ein Teufel an Bosheit.Dann flogen nicht nur die Worte, sondern was ihm in die Hände geriet. Und Josi, der starke, trotzige, ließ sich gewiß keine Prügel gefallen. Entweder gab's Händel, oder Josi verdarb in guter Freundschaft mit Bälzi.

      Ungefähr wie Vroni dachte Binia.

      Der wilde, schmerzvolle Zuruf des unglücklichen Burschen hatte sie geschüttelt und gerüttelt.

      Vor ihrem Bett kniete sie am Abend: »Mutter – Mutter – ich bin schuld, daß es Josi so schlecht geht – Mutter, sage mir, wie kann ich das große Unrecht wieder gut machen? – Mutter, muß ich dem Vater folgen und gar nicht mehr mit Josi reden?«

      Wie sie aber auch das brennende Köpfchen quälte, kam doch kein kluger Gedanke darein.

      Sie wußte nur eins. Seit Josi keine Mutter mehr hatte, stand er ihrem Herzen noch

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