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draussen sorglich auf ihn warteten, um achtzugeben, damit er keinen falschen Schritt tue.

      Günter Albus hatte bis jetzt nicht gewagt, auszusteigen, nun folgte er den anderen. Zum Sprechen mit der Tochter Karl Bauers bot sich keine Gelegenheit mehr, die grosse Tür des villenähnlichen Hauses wurde von einem Diener geöffnet, der ihnen die Überkleider abnahm. Man betrat einen kleinen, hallenartigen Raum, in dem sich Günter Albus dann mit Karl Bauer und dessen Tochter allein sah.

      Karl Bauer reichte ihm mit liebenswürdigem Lächeln die Rechte.

      „So, Sie Mitbringsel meines etwas impulsiven Töchterchens, jetzt müssen wir uns vor allem erst einmal miteinander bekanntmachen. Mein Mädel hat Ihnen eine Freude und Überraschung bereiten wollen, weil Sie, wie sie sich ausdrückte, beim Anhören meiner ‚Legende’, das Atmen vergessen hätten. Sie hält grosse Stücke auf ihren Vater, und nach ihrer Ansicht kann man sich für mich gar nicht genug begeistern.“

      Günter Albus erwiderte bebend vor Freude, dass er seine Hand in die des Meisters hatte legen dürfen: „Es ist auch meine Ansicht. Gar nicht genug kann man sich für Karl Bauer begeistern. Ich vergass, während die ‚Uralte Legende‘ gespielt wurde, die ganze Welt. Ich vergass sie allerdings auch, als Sie Beethoven und Wagner brachten. Es war das schönste Konzert meines Lebens, und ich habe schon sehr viele und bedeutende gehört.“

      Jetzt erst gab Karl Bauer die Hand frei, die er mit leichter Wärme drückte.

      „Sie sind danach ein grosser Musikfreund. Spielen Sie selbst irgendein Instrument?“

      Günter verneigte sich tief.

      „Es ist wohl an der Zeit, mich vorzustellen. Ich heisse Günter Albus und studiere Musik. Ich spiele natürlich verschiedene Instrumente. Ich möchte Dirigent werden. Ein grosses Orchester schwebt mir vor, die Oper lockt mich.“

      Seine hellen Augen blickten offen in das Gesicht des vor ihm Stehenden.

      Ein Schatten zog über die Züge Karl Bauers. Da hatte Gisa anscheinend eine Torheit begangen, indem sie ihren Platznachbar aus dem Konzert zu ihm brachte. Sicher war dieser Albus jemand, der mit dem Namen „Karl Bauer“ irgendwelche selbstsüchtigen Hoffnungen für die eigene Karriere verband, der Gisa gekannt und sich schlau an sie herangemacht hatte. Na, das half nichts, der Mensch war nun einmal da, mochten sich die beiden heute abend deshalb über ihn unterhalten, soviel sie Lust hatten. Damit war dann die Geschichte aber auch ein für allemal erledigt.

      Die Tür öffnete sich. Ein Herr und eine Dame traten ein. Sie sahen vornehm aus und mussten wohl auch im Konzert gewesen sein. Der Herr trug einen Abendanzug, die Dame ein braunes Seidenkleid mit tiefem Ausschnitt.

      Karl Bauer stellte vor: „Günter Albus, ein Bekannter von Gisa.“ Er wandte sich an Günter. „Das ist Herr Hartwig und seine Gattin, alte Freunde von mir, die mir Gastfreundschaft gewähren, wenn ich in Berlin bin.“

      Gisa trat zu Günter Albus, dem peinlich war, als Gast eines Gastes hier zu sein.

      Die Tür zum Nebenzimmer wurde weit geöffnet. Ein reichgedeckter Tisch lud zum Niedersetzen und zu behaglicher Mahlzeit ein.

      Karl Bauer nahm zwischen dem Ehepaar Hartwig Platz, der Sekretär Karl Bauers, der vorhin neben dem Künstler im Auto gesessen, tauchte auch plötzlich auf. Er hiess Frans Hoven und war Holländer.

      Während des Essens sprach man nur flüchtig über das Konzert, aber nachdem man vom Tisch aufgestanden und ins Wohnzimmer gegangen war, rief der Hausherr laut und strahlend: „Es war ein märchenhafter, ein wundervoller Abend. Die Berliner tobten förmlich vor Begeisterung. Ich bin unsagbar stolz, Dein Freund sein zu dürfen, Karl.“

      Bauer lachte vergnügt: „Ach, ich weiss genau, dass ich was kann! Doch glaubt mir nur, wenn’s mal wieder vorüber ist, freue ich mich diebisch, dass alles gut gegangen ist. Jedesmal, wenn ein Konzert beginnt, habe ich richtiges Lampenfieber, und das ist geradezu eklig.“

      Gisa Bauer sass mit Günter Albus in einer Zimmerecke. Sie sagte so leise, dass sie nur von Günter verstanden wurde: „Wir wollten über die Legende sprechen. Doch wir werden hier wohl nicht dazu kommen. Haben Sie vielleicht morgen abend Zeit? Wir sollten uns treffen, Vater arbeitet an freien Abenden.“

      Günter Albus begriff noch immer nicht, dass ihm das Glück in den Schoss gefallen, Karl Bauer so ganz privat kennenzulernen, wie doch nur wenige den berühmten Mann kannten, und er begriff nicht, weshalb seine reizvolle Tochter sich so viele Mühe mit ihm, dem vorläufig noch lieben Niemand, gab.

      Er antwortete: „Wohin befehlen Sie mich morgen abend, gnädiges Fräulein?“

      Sie krauste die Stirn, und ihre Augen wurden schmal.

      „Ich schlage vor, wir treffen uns um acht Uhr abends vor dem zweiten Haus von hier links an der Ecke. Merken Sie sich den Treffpunkt nur gleich, wenn Sie heute fortgehen. Man ist von mir gewöhnt, dass ich manchmal abends allein ein bisschen auf den Bummel gehe. Ich tue es sehr gern. Zuweilen lockt es mich, ein Kabarett oder Café ganz allein zu besuchen.“

      Sie legte flüchtig, kaum wahrnehmbar und doch bedeutsam einen Finger auf die Lippen, rief laut: „Bitte, Vater, sagtest Du etwas zu mir?“

      Karl Bauer nickte. „Ja, das tat ich. Mir fiel eben ein, Herr Albus ist doch Musiker und steuert auf meinen Beruf zu. Er hat meine ‚Uralte Legende‘ atemlos angehört, hast Du mir erzählt. Deshalb möchte ich gern wissen, ob er auch etwas davon behalten hat.“

      Er dachte: Wart’ Bürschchen, Dich blamiere ich, weil Du Dich listig an mein Mädel herangepürscht hast, um Karl Bauers Bekanntschaft zu machen! Er musste sich blossstellen, der künftige Herr Kollege, wenn er ihn jetzt aufforderte, sich an den Flügel zu setzen und einige Stellen aus der „Uralten Legende“ zu wiederholen.

      Er warf Günter Albus die Aufforderung wie einen Fehdehandschuh zu.

      Der wildfremde junge Mensch, mit dem sich Gisa in eine trauliche Ecke zurückgezogen hatte, störte ihn, seit er wusste, dass er Musik studierte. Es war aufdringlich von diesem Herrn Albus, sich in das stille, feine Haus seines Freundes Hartwig hineinzudrängen.

      Günter Albus erhob sich sofort. Seine hellen Augen waren jetzt die eines Träumers. Er schritt zum Flügel und setzte sich. Ihm war es, als höre er wieder die ersten Takte der „Uralten Legende“ im Konzertsaal aufklingen, meisterhaft gespielt von dem Orchester.

      Günters Hände legten sich auf die Tasten, drückten sie nieder, spielten nach, was sich tief in seinem Herzen verankert hatte.

      War es nicht, als sängen Geigen und Celli aufs neue die süsse Mär vom göttlichen Kinde?

      Günter Albus spielte und vergass völlig seine Umgebung. Weil kein Laut ihn unterbrach, spielte er die „Uralte Legende“ immer weiter, so, wie sie ihm noch im Ohr lag, so, wie er sich mit seinem Herzen daran erinnerte.

      Endlich aber ging sie zu Ende. Tiefe, volle Akkorde wurden zu Orgelklängen, die das Zimmer so über die Massen füllten, dass darin für nichts anderes mehr Raum zu sein schien.

      Karl Bauer erhob sich und ging zu Günter Albus, gegen den kein misstrauischer Gedanke mehr in ihm war. Er legte ihm die Rechte auf die Schulter, und als Günter Albus den Kopf hob, sagte er ernst: „Das haben Sie gut gemacht, Sie können etwas, Sie haben mich sehr überrascht. Es war meine ‚Legende‘, doch Sie fügten noch etwas ein, Ihre eigenen Gedanken, die zu allem passten, als hätte ich sie miterdacht. Kommen Sie morgen vormittag um elf Uhr zu mir, bitte.“

      Er sah ihn freundlich an, und in seinen dunklen Augen lag noch das Verwundern ob der Überraschung, die er keinem Menschen zugetraut.

      Mit einemmal drehte sich alles um Günter Albus. Es war, als hätte der Meister ihm den Ritterschlag erteilt.

      Herr Hartwig war sehr zuvorkommend; seine schicke grauhaarige Frau brachte ihm selbst ein Tässchen Mokka. Der Sekretär, von dem es vorhin wie eisige Kälte ausgegangen, gab sich freundschaftlich zuvorkommend, und Gisa Bauer suchte immer wieder seinen Blick, als hätten sie beide gemeinsam ein schönes Geheimnis.

      Als Günter

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