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      »Das bezweifle ich ja gar nicht, Egon! Es ist nur so, daß es gewisse Dinge gibt, die …«

      » … dich nichts angehen, Arnold! Unterstellen wir mal, daß ich nicht perfekt bin, wer ist denn das schon? Aber es ist ermüdend und unerträglich für mich, jede einzelne meiner Anordnungen vor dir verteidigen zu müssen!«

      »Jetzt übertreibst du aber!« Arnold rang sich ein Lächeln ab.

      »Mag sein, aber du siehst, wie unangenehm mir deine Dreinrederei ist, daß es mir schon ganz so vorkommt.«

      Arnolds Lächeln gefror. »Entschuldige, Egon, das habe ich nicht gewußt … ich wollte nicht …«

      »Bitte, sei jetzt nicht beleidigt. Es ist mir schwer genug gefallen, dir das zu sagen. Aber es schien mir besser, ein für allemal reinen Tisch zu machen, als …« Er erhob sich halb, um Arnold zu verstehen zu geben, daß die Unterredung beendet war.

      Arnold stand auf. »Du hast wahrscheinlich recht«, gab er zu und bemühte sich, seiner Bitterkeit Herr zu werden.

      Egon streckte ihm die Hand über den Schreibtisch entgegen. »Im Fall Zibalsky habe ich dir zu danken. Du weißt, daß du als Zeuge vor Gericht wirst aussagen müssen?«

      »Als Zeuge? Ich?« wiederholte Arnold konsterniert. »Aber du hast die Frau doch nicht etwa … angezeigt?«

      »Was denn sonst? Ich weiß, es gibt Unternehmer, die ertappte Diebe mit Geldstrafen belegen, aber wir lehnen jede Art von Selbstjustiz strikt ab, und du wirst zugeben …«

      »Eine Gerichtsverhandlung … wegen eines Päckchens Kaffee!«

      »Wobei wir sie erwischt haben, Arnold! Es wird nicht das einzige gewesen sein, was sie im Lauf der Zeit hat mitgehen lassen.«

      »Ich habe sie heute zum erstenmal hier gesehen!«

      Egon schüttelte den Kopf. »Arnold, Arnold, du wirst dich doch nicht wieder mit mir streiten wollen?!«

      »Keineswegs. Aber ich finde es einfach zu hart, wegen einer solchen Kleinigkeit soviel Aufhebens zu machen. Erst bemühen wir uns, die Waren so verlockend wie möglich aufzubauen, und wenn dann jemand zugreift …«

      »Trotzdem sind wir keine Jahrmarktsbude, und die Frau ist kein Kind, das sich eingebildet haben kann, die freie Wahl zu haben!«

      »Nein. Das weiß ich. Aber du hast kein Recht, so hart zu sein.«

      Sekundenlang starrten die beiden Männer sich schweigend an.

      »Soll das heißen, du wirfst mir wieder einmal vor, daß ich seinerzeit in die Ladenkasse gegriffen habe?« fragte Egon langsam.

      »Daran habe ich nicht einmal im Traum gedacht«, entgegnete Arnold.

      »Das will ich hoffen. Denn sonst könnte ich dir vorhalten, daß es dir sehr schlecht steht, eine Diebin zu entlarven, noch dazu eine Frau, die alles über dich weiß!«

      Arnold war so weiß geworden, daß die Lippen sich hart in seinem blutleeren Gesicht abzeichneten. »Alles, Egon?« fragte er. »Wirklich alles?«

      Egon sah beiseite und lachte trocken auf. »Entschuldige, Arnold. Ich weiß selber nicht, was in mich gefahren ist, warum ich diesen alten Kohl aufwärmen mußte.«

      Arnold war sehr ruhig geworden. »Wir werden uns wohl nie mehr in die Augen sehen können, ohne daran zu denken. Ich möchte kündigen, Egon.«

      Egon war drauf und dran, es ihm auszureden, unterließ aber dann doch den Versuch. »Hast du dir das auch reiflich überlegt?« fragte er nur.

      »Ich denke schon. Schlimmeres als dies hier kann es für mich nirgends geben.«

      Arnold drehte sich um und ließ Egon stehen.

      Torsten hatte sich am Donnerstag früher als gewöhnlich bei der Modem Advertising freimachen können und war noch auf einen Sprung in die Tengstraße gefahren.

      Knut, der schon da war, machte keinen Hehl daraus, daß ihm das Auftauchen des Bruders durchaus nicht paßte. »Ich dachte, du hättest für heute was vor!«

      »Eben drum!« Torsten hing sein Jackett in den Schrank. »Ich will mich ein bißchen frisch machen.«

      »Von mir aus. Aber beeil dich.«

      »Nur keine Bange. Bevor dein Flamingo kommt, bin ich längst auf und davon.«

      »Uschi ist kein Flamingo«, erklärte Knut mit Nachdruck.

      »Na, entschuldige schon, ich wußte ja nicht …« Torsten pellte sich aus Hemd und Krawatte. »Uschi … ist das dieses braungelockte Wesen, mit dem ich dich neulich im P 1 gesehen habe?«

      »Genau die.«

      »Dann nehme ich alles zurück. Die ist ein Klassemädchen.« Torsten griff sich seinen Bademantel. »Wie lange läuft das?«

      »Ziemlich«, antwortete Knut zurückhaltend.

      Torsten stopfte seine schmutzige Wäsche in einen Beutel, klemmte die graue Flanellhose in einen Halter und holte sich die Freizeithose und den leichten Sommerpulli aus dem Schrank, die er nach dem Brausen anziehen wollte.

      Knut hatte eine bunt bestickte Tischdecke aufgelegt – ein Weihnachtsgeschenk der Mutter –, stellte einen Leuchter darauf und zündete die Kerze an, um sie gleich darauf wieder auszublasen. »Reichst du mir mal den Recorder?« bat er.

      Torsten sah sich um. »Wo ist er denn?«

      »Auf dem Schrank. Da hast du ihn selber hingetan.«

      Der flache moderne Schrank reichte fast bis an die Decke. Knut hätte sich einen Stuhl nehmen müssen, um hinaufzulangen. Torsten mußte sich immerhin gewaltig recken.

      Mitten in der Bewegung taumelte er und zog die Hand leer zurück. Er drehte sich zu Knut hin um, versuchte zu reden, brachte aber kein Wort hervor.

      »Mensch, laß den Quatsch!« rief Knut, der im ersten Moment glaubte, der Bruder wolle eine Schau abziehen. Aber dann, als er Torstens von Angst und Schmerz verzerrtes Gesicht sah, war er alarmiert.

      Torsten blickte ihn flehend an. Seine Augen waren unnatürlich weit geöffnet und zeigten sehr viel Weiß, sein Mund stand offen, mit gebogenen Winkeln, und die Stirn war auffällig gerunzelt. Er rang verzweifelt nach Luft.

      »Setz dich, um Gottes willen, setz dich!« Knut führte Torsten zum Tisch und drückte ihn auf die Kante. Der Leuchter fiel polternd herunter. Torsten saß so, daß seine Beine den Boden nicht berührten – Knut erinnerte sich, daß Professor Klinner diese Stellung als unblutigen Aderlaß in einer seiner Vorlesungen empfohlen hatte.

      Aber Torstens Befinden besserte sich nicht. Er atmete so mühsam, daß die Muskulatur im Halsbereich in Strängen hervortrat. Knut hörte, ohne das Stethoskop anlegen zu müssen, wie es in seinen Lungen brodelte. Er fühlte den Puls; er war kaum zu ertasten. Torstens Hände waren eiskalt, und kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn.

      Knuts Gedanken rasten. Was war zu tun? Namen von Medikamenter! schossen ihm durch den Kopf: Strophantin, Morphium! Aber er hatte nichts dergleichen zur Hand. Torsten hustete. Schaumiger, blutiger Schleim trat auf seine Lippen.

      Der Anfall hatte erst wenige Sekunden gedauert, aber den beiden jungen Männern kam es wie eine Ewigkeit vor.

      »Frau Unterhuber!« schrie Knut. »Schnell! Kommen Sie!« Er hätte gern die Tür aufgerissen, um sich deutlicher vernehmbar zu machen, aber er wagte Torsten nicht allein zu lassen.

      Frau Unterhuber erschien. »Na, was soll das Gebrüll?«

      »Mein Bruder ist krank, bitte, bleiben Sie bei ihm! Ich muß den Notarzt anrufen!«

      Als Frau Unterhuber den Ernst der Situation erkannte, war sie sofort bereit zuzupacken. »Wär’s nicht besser, ihn hinzulegen?«

      »Nein, nein, es ist schon richtig so, passen Sie bloß auf, daß er nicht fällt! Möglich, daß er ohnmächtig wird!«

      Knut

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