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Unsinn.« Sie ärgerte sich, weil ihr Lachen nicht ganz echt klang. »Wir haben bloß über Ralf gesprochen.«

      »Und?«

      »Immer dasselbe. Ethel ist unglücklich.«

      »Wie du mit mir.«

      »Aber Arnold, das stimmt doch gar nicht!«

      »Wirklich nicht!?« Er klappte sein Buch zu, legte es fort und nahm die Brille ab.

      Sie spürte, wie sehr er hoffte, daß sie zu ihm kam; aber sie konnte sich nicht dazu überwinden. »Ich bin todmüde«, wich sie aus, »schlaf gut.« Sie wollte die Tür schließen.

      »Laß auf!« befahl er.

      »Warum das?«

      »Ich will hören, was im Haus vorgeht.«

      Sie stutzte. Wußte er mehr, als er sich anmerken ließ? Ahnte er, daß sie ihm nicht treu gewesen war? Hatte er etwas von der schlimmen Geschichte erfahren, in die Sven während seiner Haft verwickelt gewesen war? Vielleicht war jetzt die Gelegenheit, reinen Tisch zu machen.

      »Wenn du noch mit mir reden möchtest …«, sagte sie zögernd, »soll ich uns eine Tasse Kaffee machen?«

      »Ich dachte, du wärst todmüde.«

      »Das schon.«

      »Dann geh ins Bett. Ich verlange nicht, daß du dich für mich aufopferst.«

      »Aber, Arnold …«

      »Geh schon!«

      »Gute Nacht!«

      Die ersten Tage in der Intensivstation verbrachte Torsten zwischen Schlafen und Wachen. Zugleich mit dem Schmerz war auch die entsetzliche Angst vergangen, die ihn bei seinem Anfall gepackt hatte. Er fühlte sich nicht einmal mehr krank, sondern nur sehr schwach, und ließ alles widerstandslos und ohne zu fragen mit sich geschehen. Ständig war eine Schwester um ihn, und jede Stunde kam ein Arzt und kontrollierte Puls, Blutdruck, Temperatur und Herzaktion. Torsten empfand es als angenehm, so umsorgt zu werden und vor allem jeder Verantwortung enthoben zu sein.

      Am Morgen des vierten Tages hatte er das Gefühl, völlig ausgeruht zu sein, und fragte Schwester Gerda, eine intelligente, energische und nicht mehr ganz junge Frau: »Darf ich heute aufstehen?«

      Sie zeigte sich nicht überrascht. »Das kann ich Ihnen nicht erlauben, Herr Miller! Da müssen Sie schon den Herrn Doktor fragen.«

      Der behandelnde Arzt, Dr. Kleemann, erschien noch vor der eigentlichen Visite, um Torstens Zustand zu kontrollieren. Er war ein magerer kleiner Mann mit Spitzbart und grauen Augen hinter randlosen Brillengläsern. »Na, gut geschlafen?« fragte er mit berufsmäßiger Freundlichkeit. »Heute morgen sehen wir ja prachtvoll aus.« Er las die Temperatur von der Tafel über dem Bett ab, während er den Puls fühlte.

      »Mir geht’s so gut, daß ich am liebsten aufstehen möchte.«

      »Glaube ich Ihnen gern, mein Lieber«, behauptete Dr. Kleemann ein wenig gedankenabwesend.

      »Also darf ich aufstehen?« stieß Torsten nach.

      »Auf einmal so ungeduldig? Sie sind doch erst drei Tage bei uns.«

      »Wenn ich wenigstens wüßte, wann ich wieder gesund sein werde!«

      Dr. Kleemann zog sich einen Stuhl ans Bett und setzte sich. »Mein lieber junger Freund! Warum haben Sie es denn so eilig? Glauben Sie, daß Sie draußen etwas versäumen? Es ist doch ganz schön, sich mal um nichts kümmern zu müssen und sich ein bißchen verwöhnen zu lassen.«

      »Das schon.«

      »Aber?«

      »Aber ich muß doch wissen, woran ich bin! Was habe ich überhaupt für eine Krankheit?«

      Dr. Kleemann zog sich ein Zigarettenpäckchen aus der Kitteltasche, steckte es dann aber gleich wieder, ohne sich zu bedienen, fort. »Ich weiß es nicht«, sagte er und verzog die Lippen, »irgend etwas mit Ihrem Herzen ist nicht Ordnung. Aber ich bin kein Herzspezialist. Ich kann Ihnen nur sagen, um was es sich nicht handelt: Sie haben keinen Herzinfarkt!«

      »Ist das gut oder schlecht?«

      »Können Sie sich unter einem Herzinfarkt was Gutes vorstellen? Na also.«

      »Und woher sind Sie so sicher, daß es kein Infarkt war?«

      Dr. Kleemann wies auf einen grauen Apparat, der einem Fernsehapparat nicht unähnlich war. »Weil wir, wenn Sie sich erinnern, ein Elektrokardiogramm gemacht haben.«

      »Aber wenn es kein Infarkt war …«, wollte Torsten weiterbohren.

      Dr. Kleemann schnitt ihm das Wort ab. »Fragen Sie mich nicht. Ich kann Ihnen nicht mehr sagen, als ich weiß. Und jetzt werde ich Ihnen zuerst mal ein kleines Spritzchen verpassen.«

      »Schon wieder?«

      »Nur in den Potsch. Wenn Sie sich bitte freimachen wollen … Schwester!«

      »Wofür diese ewigen Spritzen bloß gut sein sollen!«

      Die Schwester reichte Dr. Kleemann das aufgezogene Instrument.

      »Diese hier zum Beispiel«, erklärte er und hielt sie gegen das Licht, »enthält Cephalotin, ein Antibiotikum, mit dem wir einer Lungenentzündung vorbeugen wollen. Sie wissen, diese Gefahr besteht immer, wenn ein Mensch längere Zeit liegen muß, besonders dann, wenn das Herz nicht zufriedenstellend arbeitet.«

      Die Schwester hatte eine Stelle an Torstens Oberschenkel abgerieben, jetzt stach Dr. Kleemann die Injektionsnadel hinein und drückte sachte auf den Kolben. Danach massierte er die Einstichstelle.

      »So, das hätten wir. Schön ruhig bleiben, junger Freund, und nur ja nicht aufregen. Sie denken, daß Sie’s nicht mehr aushalten können, aber dann machen Sie sich mal klar, daß Sie dem Tod gerade von der Schippe gesprungen sind, und in einem langweiligen Krankenzimmer liegt man immer noch besser als unter der Erde.«

      Dem war nichts entgegenzusetzen.

      Seit seiner Kinderzeit hatte Torsten nicht mehr nach Tisch geschlafen; hier im Wachzimmer gewöhnte er es sich ganz zwangsläufig wieder an. Kaum war das Essen hinausgetragen und Schwester Gerda hatte ihm noch einmal das Laken glattgezogen und die Kissen aufgeschüttelt, duselte er schon. Aber es war kein erquickender Schlummer, sondern ein alptraumhaftes unruhiges Entgleiten aus der Gegenwart.

      Als die Tür geöffnet wurde, schreckte er hoch. »Nein! Nicht!« stöhnte er laut. »Bitte nicht!« Dann erkannte er den Bruder.

      »Entschuldige«, sagte Knut, »aber ich wäre gar nicht reingekommen, wenn sie nicht auf den Gängen schon mit dem Kaffeegeschirr klappern würden.«

      Torsten fuhr sich durch die Haare. »Gut, daß du mich geweckt hast! Ich habe was Schreckliches geträumt!«

      »Was denn?«

      »Ich weiß nicht mehr.« Torsten lächelte schief. »Jemand war hinter mir her. Ich hatte was ausgefressen … irgendwas versiebt, ich weiß selber nicht was. Dieser Traum verfolgt mich, seit ich hier liege.«

      Knut, stämmig, blond, braun gebrannt und vor Gesundheit strotzend, brachte einen Hauch von Leben und Freiheit in das sehr sterile, sehr abgeschirmte Wachzimmer. »Du bist ein bißchen plötzlich aus deinem gewohnten Leben gerissen worden«, meinte er, »vielleicht liegt’s daran. Vielleicht hast du irgendeine Arbeit nicht mehr erledigen können. Aber mach dir keine Gedanken deshalb. Ich habe dich in der Modern Advertising entschuldigt.«

      »Und was haben denn die gesagt?«

      »Was schon?! Sie lassen dir gute Besserung wünschen. Was auch immer du hast unerledigt liegenlassen, inzwischen ist es aufgearbeitet, verlaß dich drauf.« Knut blickte sich um. »Wo ist denn eigentlich deine Krankenschwester?«

      »Anscheinend weggegangen.«

      Knut zog sich den Stuhl zum Bett. »Ein Zeichen, daß es dir besser geht. Du siehst auch sehr gut

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