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      Ferner ist eine intensive Brandschutz- und Selbsthilfeaufklärung zu betreiben, in der Grundkenntnisse und -fertigkeiten zur Selbsthilfe vermittelt werden. Betroffene Bürger sollten sich (ggf. in persönlichen Beratungsgesprächen mit der Feuerwehr vor Ort) mit ihrer häuslichen Flucht- und Rettungswegsituation vertraut machen und aktiv im Vorfeld planen, wie sie sich im Brandfall auch ohne die Feuerwehr rechtzeitig in Sicherheit bringen können. Wie in Kapitel 2.3 bereits genannt, ist ohnehin die Stärkung der Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung eine gesetzliche Pflichtaufgabe der Kommunen, auf die die öffentlichen Brandschutzmaßnahmen wie etwa die Vorhaltung einer Feuerwehr ergänzend aufbauen. Darüber hinaus kann die Vorhaltung von Kleinlöschgeräten (z. B. Feuerlöscher) zielführend sein, um Klein- und Entstehungsbrände bereits vor Eintreffen der Feuerwehr zu bekämpfen und den Einsatzverlauf günstig zu beeinflussen. Ebenso sind ggf. weitere Hilfsmittel zur Flucht zweckdienlich (z. B. Notleitern oder Brandfluchthauben, mit denen sich Personen aus (verrauchten) Bereichen retten können). Neue Bauanträge in den »kritischen Gebieten« sind besonders genau zu prüfen. Bei Bedarf sind verschärfte Brandschutzmaßnahmen aufzuerlegen, zum Beispiel in Form von zweiten baulichen Rettungswegen oder über Rauchwarnmelder hinausgehende Brandmeldetechnik auch in Wohngebäuden geringer Gebäudeklassen. In Extremfällen ist gar eine Baugenehmigung oder -nutzung zu ver- bzw. untersagen, wenn keine schutzzielerfüllende Umsetzung möglich erscheint.

      Wenn also durch die beispielhaft in Bild 10 dargestellten Maßnahmen der »Selbsthilfe und -rettung« sichergestellt ist, dass die Nutzer einer Wohneinheit frühzeitig noch in der Entstehungsphase eines Brandes durch Rauchwarnmelder gewarnt werden (und damit auch gar nicht von einem vollentwickelten Brand mit entsprechend toxischer Rauchentwicklung überrascht werden können), die Nutzer dann wissen, wie sie sich korrekt zu verhalten haben, gegebenenfalls mit bereitstehenden Löschmitteln initiale Löschversuche unternehmen, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit den vorgehaltenen Fluchtmitteln oder über einen der beiden baulichen Rettungswege das Gebäude sicher verlassen können, ist das Schutzziel »Körperliche Unversehrtheit« vollumfänglich erreicht – und zwar unter Umständen sogar effektiver als durch einen Rettungseinsatz der Feuerwehr (in Bild 10 als zweite Möglichkeit dargestellt).

      Vor diesem Hintergrund zeigt sich die verwendete Bezeichnung als »Kompensationsmaßnahmen« als inkorrekt, da die hierunter subsummierten Maßnahmen keine konkrete Kompensation für Defizite im Versorgungsniveau der Feuerwehr darstellen, sondern effektive und legitime, gleichwertige Maßnahmen zur Schutzzielerfüllung.

      Schlussfolgerung für das Sicherheitsniveau

      Im Hinblick auf die Ausführungen zur outcome-orientierten Planung wird der im Kapitel 3.1 erläuterte Unterschied zwischen den Begriffen »Sicherheitsniveau« und »Versorgungsniveau der Feuerwehr« besonders gut deutlich. Wie in Bild 11 dargestellt, ist bei schutzzielorientierter Betrachtung sowohl mit geringer oder gänzlich ohne Vorhaltung einer Feuerwehr ein hohes Sicherheitsniveau für die Bürger erreichbar.

      Im Fall A gibt es keine Feuerwehr. Der Bürger ist auf sich alleine gestellt, ohne dass er deswegen jedoch besondere Maßnahmen trifft, und unterliegt daher einem geringen »Sicherheitsniveau«. In den Fällen B und C gibt es ebenfalls keine Feuerwehr. Der Bürger trifft jedoch »Kompensationsmaßnahmen«, die zwar im Fall B nicht genügen, um das angestrebte Sicherheitsniveau zu erreichen, dieses im Fall C jedoch sogar gänzlich ohne Feuerwehr erfüllt bzw. sogar übertrifft.

      In den Fällen D und E trifft der Bürger keine Maßnahmen, es gibt jedoch eine Feuerwehr, die aber nur im Fall E, nicht jedoch im Fall D das Erreichen des angestrebten Sicherheitsniveaus gewährleistet. In den Fällen F und G werden die Vorhaltung der Feuerwehr und »Kompensationsmaßnahmen« in jeweils unterschiedlichen Umfängen kombiniert, die in den dargestellten Fällen dem angestrebten Sicherheitsniveau genügen.

      Somit ist festzustellen, dass sowohl mit als auch gänzlich ohne Feuerwehr das angestrebte Mindest-Sicherheitsniveau in der theoretischen Betrachtung sowohl erreicht als auch nicht erreicht werden kann. Die Vorhaltung einer Feuerwehr ist per se kein Garant für das Erreichen des angestrebten Sicherheitsniveaus.

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      Bild 11: Umfang verschiedener Maßnahmen zum Erreichen des angestrebten Mindest-Sicherheitsniveaus

      Gänzliches Aufgeben der Feuerwehr

      Durch die in den Feuerwehrgesetzen der Länder formulierte Aufstellungsverpflichtung einer Feuerwehr hat die Gemeinde grundsätzlich keine Wahl, ob sie eine Feuerwehr einrichtet oder nicht. Keine Feuerwehr einzurichten, verstößt gegen den Willen des Gesetzgebers. Kommt eine Gemeinde ihren gesetzlich zugewiesenen Pflichtaufgaben nicht nach, können die erforderlichen Maßnahmen rechtsaufsichtlich erzwungen werden.

      Es ist angesichts der Schrumpfungsprozesse jedoch zu befürchten, dass es trotz Ausschöpfung aller bedarfsplanerischen Maßnahmen insbesondere in peripheren ländlichen Regionen, die besonders stark vom Bevölkerungsrückgang betroffen sind, zu unvermeidbaren Extremfälle kommen wird, in denen sich eine Reduzierung des Versorgungsniveaus der Feuerwehr bis zur gänzlichen Aufgabe der Feuerwehr nahezu alternativlos zeigt.

      Die Realität zeigt, dass es bereits heute Gemeinden (z. B. in Mecklenburg-Vorpommern) gibt, in denen keine Feuerwehr mehr existiert, da nicht ausreichend geeignete Bürger für den Dienst in der Freiwilligen oder Pflichtfeuerwehr vorhanden sind und eine hauptamtliche Sicherstellung des abwehrenden Brandschutzes und der Hilfeleistung jenseits jeder Verhältnismäßigkeit liegt. Im Einsatzfall kommt die nächste Hilfe von den nächstgelegenen noch funktionierenden Feuerwehren von Nachbargemeinden.

      Auch von diesem Fall sind andere Bereiche der Daseinsvorsorge längst betroffen, bei denen offensiv die Debatte über den strukturierten Rückzug der Daseinsvorsorge aus ländlichen Räumen ohne erkennbare Entwicklungsperspektive geführt wird, indem Regionen gezielt abgesiedelt und dabei bestehende Strukturen und Angebote der Daseinsvorsorge aufgegeben werden.

      Aring (2011) stößt beispielsweise das (bisher eher akademische) Denkkonzept der »Garantie- und Selbstverantwortungszonen« an. Dabei erfolgt eine räumliche Differenzierung von Siedlungsgebieten unterschiedlicher Versorgungsangebote in zwei Bereiche: In den »Garantiezonen« wird für jeden einzelnen Infrastrukturbereich eine langfristige und suffiziente Versorgung sichergestellt. Dahingegen sind die Bürger in den »Selbstverantwortungszonen«, in denen es zu Abweichungen von den einschlägigen Standards kommt und in denen ortsspezifische Lösungen herhalten müssen, auf sich allein gestellt. Die Bürger können aktiv entscheiden, ob sie in Garantiezonen ziehen und wohnen wollen, in denen sie sich sicher sein können, langfristig auf alle relevanten Angebote der Daseinsvorsorge zurückgreifen zu können, oder ob sie in den Selbstverantwortungszonen (mit vielleicht höher Naturqualität) ziehen und wohnen möchten, in denen sie aber von der öffentlichen Hand keine Infrastruktur garantiert bekommen.

      Der Verzicht auf eine Feuerwehr ist weder wünschenswert noch eine grundsätzlich legitime Planungsoption. Allerdings wird man in den genannten Regionen und Extremfällen nicht umhinkommen, sich mit solchen Situationen beschäftigen zu müssen. An dieser Stelle müssen geeignete Kompensationsmaßnahmen getroffen werden, für die eine outcome-orientierte Betrachtungsweise wirkungsvolle Handlungsalternative aufzeigen kann und auch im Prozess der Feuerwehrbedarfsplanung effektive Lösungen anbietet.

      2.5 Qualität der Feuerwehr

      An mehreren Stellen in diesem Buch wird

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