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wir benutzen. Meine Herren, ich erwarte Sie um elf Uhr in der Wachtstube des Winterpalais. Die Gardetruppen, mit wenigen Ausnahmen, stehen auf unserer Seite, das Volk . . .“

      „Und — der Zarewitsch?“

      „Der Zar Alexander wird sich dem Wohle Russlands nicht verschliessen“, sagt Pahlen kühl. „Auch die Stadtverwaltung geht mit uns.“

      „Sie sind unheimlich entschlossen, Pahlen“, klingt in die von heissem Atem durchkeuchte Stille die Stimme des bedächtigen General Bennigsen. „Sind Sie sicher, dass alle mit Ihnen gehen, bis zur — Letzten Konsequenz?“

      „Es wäre besser, wenn kein Blut vergossen werden muss“, fällt Wolkonski ein.

      Pahlens Gesicht ist wie von Eisen. Kaum, dass sich seine Lippen bewegen. Und doch hört jeder im Raum deutlich seine Worte: „Il faut casser des oeufs pour faire une omelette! Zar Paul muss sterben, wenn Russland gedeihen soll!“

      Tusch. Die Musik aus dem Saal, die bisher nur leise herüberklang, wird lauter, schwillt an zu feierlich getragenen Klängen: „Gott sei des Zaren Schutz!“

      Ganz mechanisch, aus alter Gewohnheit heraus, haben die Offiziere Stellung genommen bei den Klängen der Zarenhymne. Auch Pahlen lässt schweigend die Töne vorüberbrausen. Erst als der letzte verklungen ist, richtet er sich auf und seine Augen suchen jeden einzelnen im Kreise, halten ihn eine Sekunde fest.

      „Also, ich erwarte Sie im Winterpalais. Wer fernbleibt, ist ein Verräter an Russland. Um elf Uhr, meine Herren.“

      Im Ballsaal richten sich die Damen aus tiefer Verneigung auf, als die Zarenhymne verklungen ist. Nur Juliane Krüdener sinkt noch einmal zurück in die zeremonielle Kniebeuge, denn die Kronprinzessin Elisabeth, die an der Seite ihres Gemahls soeben erschienen ist, macht huldvoll ein paar Schritte auf sie zu.

      „Guten Abend, Baronin. Sie wünschten Gelegenheit, mir etwas mitzuteilen?“

      Juliane Krüdener taucht aus ihrem Hofknix auf. „Kaiserliche Hoheit, hier ist wohl nicht recht der Ort, um . . .“

      „Wenn Sie mir etwas Böses melden wollen, Baronin, so behalten Sie es lieber für sich“, lächelt die Kronprinzessin still. „Ist es aber Gutes, so ist jeder Ort gelegen.“

      „Kaiserliche Hoheit sollten die Gräfin Narischkin nicht allzusehr in Dero Nähe ziehen.“

      „Sie zielen auf meinen Mann.“ Stille Abwehr steht im Antlitz Elisabeths. „Natalie Narischkin ist schön. Der Kronprinz liebt es, Schönheit und Jugend um sich zu sehen. Sollte ich so geschmacklos sein, es ihm zu verdenken? Der Kronprinz tut nichts Niedriges.“

      „Seine Kaiserliche Hoheit gewiss nicht. Aber die Narischkin . . .“

      „Politische Geheimnisse mit unserer Krüdener, Elisabeth?“ scherzt Alexander, zu den beiden tretend.

      „Durchaus nicht, Alexander. Unser Gespräch war gänzlich belanglos.“

      Juliane Krüdener presst die Lippen zusammen bei den kalten, abweisenden Worten der Kronprinzessin, aber ein freundliches Lächeln Alexanders entschädigt sie sofort. Gnädig reicht er ihr die Hand. „Ich freue mich, Sie zu begrüssen, liebe Baronin. Aber — unsere schöne Natalie sehe ich nirgends?“

      „Sie ist fortgegangen, Kaiserliche Hoheit“, sagt die Krüdener rasch. „Einer — Verabredung wegen liess sie diesen Herrn, ihren Verlobten, allein.“

      „Das war hässlich von der schönen Natalie“, sagt der Zarewitsch lächelnd, den jungen Offizier ins Auge fassend, der bescheiden im Hintergrund steht, und auf den Juliane mit einer leichten Handbewegung deutet. „Wie heissen Sie, Leutnant?“

      „Orlow, Kaiserliche Hoheit!“

      Stramm aufgerichtet, die Brust vorgedrückt, steht Alexander Orlow da. Der Konprinz betrachtet ihn mit Wohlgefallen. „Ich gebe Ihnen Urlaub, Leutnant. Sie werden den Wunsch haben, Ihrer Braut nachzueilen.“

      „Nein, Kaiserliche Hoheit!“ Flammend rot ist Alexander Orlows Gesicht geworden. Seine Augen leuchten selbstvergessen. „Die Baronin Krüdener hatte die Gnade, mich zu ihrem Kavalier zu ernennen. Wer die Freundschaft einer Juliane Krüdener geniessen darf, verzichtet gern auf eine — Natalie Narischkin!“

      Juliane hält den Atem an. Einen Augenblick ist ein Stutzen im Gesicht des Kronprinzen. Fast nachdenklich klingt seine Stimme, als er sich an die Baronin wendet.

      „Was sagen Sie dazu, liebe Krüdener?“

      „Ich bin der gleichen Meinung wie Eure Kaiserliche Hoheit. Dass es hässlich ist, wenn man seinen Verlobten verlässt, um einer — anderen Verabredung nachzukommen.“

      „Sie haben Recht“, nickte der Kronprinz. „Und — Sie auch, Leutnant. Unsere liebe Krüdener wiegt wohl die schöne Natalie auf.“

      Heisser Triumph ist in den Augen Julianes, als das Kronprinzenpaar weitergeht und sich anderen zuwendet. Zwei herrliche Siege an einem Abend! Was ist ihr der Leutnant Orlow? Ein Nichts, ein hübscher Bengel von Leutnant, grade gut genug, um einmal zum Tanz befohlen zu werden. Aber sie hat ihr zeigen wollen, welche Macht sie besitzt, ihr, der unausstehlichen Rivalin, der Narischkin, die mit ihrer Jugend prahlt und glaubt, den Kronprinzen mit einem koketten Augenaufschlag fesseln zu können. Es ist geglückt! Einfach aus den Händen gerissen hat sie ihr den hübschen Leutnant. Sieh her! Ich brauch’ nur zu wollen, und dein Verlobter folgt mir wie ein Hund!

      Und nun der zweite, noch grössere Sieg! Die Narischkin in Ungnade bei dem Zarewitsch, der nichts von ihrer Verlobung gewusst hat! Der Weg ist frei! Der Weg zum Zarewitsch Alexander, der eines Tages Herrscher dieses mächtigen Landes sein wird. Wenn nur die Kronprinzessin nicht wäre, die stille, klarblickende, die viel, viel mehr sieht, als sie sehen soll!

      „Warum haben Sie ihn so angesehen, Baronin?“ sagt neben ihr, von Leidenschaft durchzittert, die Stimme Orlows. „Den Zarewitsch meine ich. So . . . so seltsam, gradeso wie . . .“ Wie mich — verschluckt er und ballt unwillkürlich eine Faust. „Wenn er mir auch Sie nimmt, Sie Wunderschöne . . .“

      „Dummkopf“, lächelt Juliane Krüdener und gibt ihm mit ihrem Fächer einen leichten Schlag auf den Arm. „Freuen Sie sich lieber. In vier Wochen sind Sie Kapitän!“

      3.

      „Die Namen, Kutusow!“

      Mit wutverzerrtem Gesicht macht Zar Paul I. halt vor dem General Kutusow, der breit und wuchtig mitten im Arbeitszimmer steht.

      „Namen kann ich nicht nennen, Majestät. Ich weiss sie selbst nicht.“

      „Du lügst, General! Wer die Verschwörung kennt, der kennt auch die Verschwörer!“

      „Ich kam, um Eure Majestät zu warnen“, sagt Kutusow fest. „Nicht, um zu verraten.“

      Noch wilder, noch verzerrter erscheinen die Züge des Zaren. „Hüte dich, Kutusow! Du spielst mit deinem Kopf!“

      „Mein Kopf gehört Eurer Majestät.“

      Die ruhige Stimme scheint einen Augenblick die Raserei Pauls zu dämpfen. Er macht schweigend, die Hände auf dem Rücken ineinandergekrampft, ein paar Gänge durch das Zimmer. Bleibt dann jäh wieder vor dem General stehen.

      „Ich muss wissen, wer die Rebellen sind. Du sprachst von hochgestellten Personen, Kutusow!“

      „Zu Befehl. So hoch gestellt in Eurer Majestät Gunst und Liebe, dass ich es nicht wagen kann, den Namen zu nennen, — selbst wenn ich wollte.“

      „Und wenn sie noch so hoch stehen!“ Wieder wird das Antlitz des Zaren zu einer Fratze, die nichts Menschliches mehr enthält. Furcht und grausame Rachsucht lodern in seinen Augen. „Und wenn es mein eigener Sohn wäre! Ich will sie zerschmettern! Einen Strick um den Hals und in die Newa mit den Schurken! Wer, General? Du wirst dies Zimmer nicht lebendig verlassen, bevor du mir die Verschwörer genannt hast!“

      „Mein Leben liegt in den Händen Eurer Majestät“, sagt

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