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Sie versprachen mir . . . Sie gaben Ihr Wort!“

      „Es war unmöglich, Majestät! Selbst wenn ich es wollte . . . ich hätte es nicht verhindern können!“

      „Pahlen!“ Alexander hat das Gesicht mit beiden Händen bedeckt, wankt zurück und lässt sich schwer in den Stuhl vor seinem Schreibtisch fallen. „Das wollte ich nicht! Bei Gott, das hab’ ich nicht gewollt!“

      „Das Geschehene ist nicht zu ändern, Majestät.“ Auch Pahlens Stimme klingt heiser. „Denken Sie jetzt an Russlands Zukunft.“

      „Gehen Sie, Graf Pahlen!“ Ohne den Kopf zu wenden, macht Alexander eine Bewegung des Abscheus. ,,Erwarten Sie meine Befehle.“

      Mit einer stummen Verbeugung verlässt Pahlen En das Zimmer.

      Kronprinzessin Elisabeth ist zu ihrem Mann getreten, der noch immer, die Hände vor das Gesicht geschlagen, von Schmerz und Grauen geschüttelt, am Schreibtisch sitzt. Sanft und mütterlich streicht ihre Hand über seinen Scheitel.

      „Du darfst nicht daran zerbrechen, Alexander. Du bist jetzt der Zar, Russlands Vater.“

      „Le roi est mort. Vive le roi.“ Alexander hebt langsam das Gesicht und betrachtet unwillkürlich seine schlanken Hände. „Ein böser, böser Anfang, Elisabeth. Wie kann man das Szepter führen mit Händen, die . . .“

      „Deine Hände sind rein vom Blut.“ Mit einer raschen Bewegung ergreift Elisabeth seine Hände und küsst sie. „Das weiss Gott, und wir alle wissen es.“

      „Majestät dürfen solchen Gedanken nicht nachhängen“, klingt neben ihr die Stimme Juliane Krüdeners. „Russland erhofft von Eurer Majestät das Glück. Für das Blut ist nur einer verantwortlich: Graf Pahlen.“

      „Pahlen! Ja!“ Alexanders Rücken strafft sich. Hastig, die Zähne in die Unterlippe beissend, reisst er einen Bogen Papier aus der Mappe, schreibt und klingelt.

      „Sofort dem Grafen Pahlen zu übermitteln!“

      Der Adjutant, der auf das Klingelzeichen eingetreten ist, wirft einen kurzen Blick auf das Schriftstück und erschrickt.

      „Majestät! Ich soll . . . dem Grafen Pahlen . . . das hier . . .?“

      „Ja!“ Alexander hat seine Haltung wiedergefunden. Sein Antlitz ist noch kalkweiss, aber die Augen funkeln scharf den bestürzten Adjutanten an. „Majestät — sagt ihr! Das Wort geht euch frisch von der Leber! Aber wenn ihr gehorchen sollt . . . Bin ich der Zar, so hast du meine Befehle auszuführen, ohne zu fragen!“

      „Zu Befehl . . . Majestät!“

      Einem Heerlager gleicht in dieser Nacht die sonst so stille, marmorne Kühle des Winterpalais. Breit geöffnet die Portale. Gardekompanien marschieren mit festem Schritt hinein, nehmen, Gewehr bei Fuss, Aufstellung in der grossen Vorhalle. Draussen auf dem Schlossplatz glühen Fackeln. Kutschen über Kutschen fahren vor und speien Offiziere und hohe Beamte aus ihrem Innern. Aus den Seitenstrassen strömen aufgeschreckte, dunkle Volksmassen zusammen, werden von einem Truppenkordon zurückgehalten. Irgendwo beginnt ein Armsünderglöcklein zu bimmeln. Treppauf, treppab hasten im Winterpalais die Adjutanten und Ordonnanzen. Zwischen sporenklirrenden, kommandierenden Offizieren drücken sich verängstigt, mit bleichen Gesichtern, die Lakaien und Kammerdiener.

      „Unmöglich!“

      „Pahlen verbannt? Der Mann, dem er die Krone zu danken hat!“

      „Das dulden wir nicht!“

      „Pahlen? Wo ist er? Pahlen!!“

      „Da kommt er ja!“

      Einer aus der Gruppe von Offizieren, die erregt den Adjutanten umstehen, deutet auf die Freitreppe, von der Graf Pahlen eben ruhigen Schrittes heruntersteigt. Wie ein Schwarm aufgescheuchter Raubvögel stürzen ihm die Offiziere entgegen.

      „Wissen Sie’s schon, Pahlen?“

      „Alexander hat Sie verbannt!!“

      ,,Mich?“ Mit ungläubigem Lächeln nimmt Pahlen das Schriftstück aus der Hand des Generals Bennigsen, liest . . . liest . . .

      „Zum Teufel mit dem Wisch!“ Fürst Suboff reisst den Verbannungsbefehl wütend aus seiner Hand und zerfetzt ihn. „Wir dulden es nicht! Wir halten zu dir, Pahlen! Wenn’s sein muss, schicken wir Alexander dem Zaren nach!“

      „Unsere Regimenter sind treu!“ schreit Wolkonski, wendet sich und wirft den Arm in die Luft. „Soldaten! Seine Erzellenz Graf Pahlen, unser Befreier!“

      „Urra! Urra! Urra!“ Dumpf rollt das Hochgeschrei der Kompanien wider vom vergoldeten Stuck der Decken.

      „Ruhe!“ Gebieterisch hebt Pahlen die Hand! „Ruhe, sag’ ich!“

      „Die Nerven noch nachzitternd vom blutigen Geschehen der Nacht, geht Fürst Suboff zu ihm dienstbereit, tatendurstig.

      „Was wirst du tun, Pahlen? Gib Befehle!“

      „Was ich tun werde?“ Pahlen mustert achselzukkend den Eifrigen. „Der Zar hat befohlen. Ich werde dem Befehl Seiner Majestät gehorchen.“

      „Sind Sie wahnsinnig geworden, Pahlen!“

      „Sie wollen dem Undankbaren gehorchen!“

      „Diesen Affront dulden!“

      „Pahlen, sei nicht kleinmütig!“ Fürst Suboff drängt ungestüm die wild erregten Offiziere zurück. „Wir haben heute alle Trümpfe in der Hand! Das Schloss ist unser! Die Truppen halten dir die Treue! Die Stadt steht zu uns! Und du willst dir bieten lassen, dass man dich wegjagt wie einen Hund!?“

      „Ruhig, Suboff!“ Hart wie ein Fels steht Pahlen inmitten der Drängenden. Aus bleichem Gesicht funkeln hart seine Augen. „Du predigst Rebellion!“

      „Es ist Aufruhr, Pahlen, und du bist unser Anführer!“

      „Das war ich!“ Lauter und schärfer wird die Stimme Pahlens. „Ich habe die Verschwörung geleitet und den Zaren gestürzt, weil es so sein musste! Glaubt ihr, ich hätte revoltiert um meinetwillen oder um euretwillen? Ich brauche nichts. Ich stand so hoch in Pauls Gunst, dass ich durch seinen Sturz niemals höher steigen konnte. Oder meint ihr, mich hätte die Machtlust gekitzelt? Für Russland hab’ ich’s getan! Weil das Vaterland zugrunde zu gehen drohte durch den Wahnsinn seines Herrschers! Weil kein anderer Ausweg mehr da war, hab’ ich die Verschwörung geleitet! Zum Wohle Russlands! Das Ziel ist erreicht! Die Revolution geglückt. Alexander I. ist mein Zar, der rechtmässige Nachfolger Pauls! Ich verlange, dass ihr seinen Befehlen gehorcht, wie ich es tue!“

      „Ein Undankbarer ist er, ein Verräter an dir!“

      „Alexander I. ist der einzige Mann, der Russland den Weg zu Glück und Ruhm führen kann.“ Zornig durchbricht Pahlen den Kreis der Freunde, schreitet mit festem Schritt auf die Front der stumm harrenden Kompanien zu.

      „Es lebe unser allergnädigster Herrscher, Zar Alexander der Erste!“

      Weithin durch das Winterpalais braust der Masenruf der Soldaten, dringt durch verschlossene Türen und dichte Vorhänge bis in das Zimmer, in dem ein Mann mit der Stunde ringt. Alexander hebt bei dem rollenden Ruf den Kopf. Leer blicken seine Augen die beiden Frauen an, die sich bemühen, die schweren Sorgenfalten von seiner Stirn zu streicheln. Ein bitteres, trauriges Lächeln zuckt um seine Lippen:

      „Zar!“

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