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noch, als du denkst.«

      »Laß uns noch einen Schluck trinken!« schlug er vor.

      »Gehen wir ins ›Trader Vic’s‹?«

      Sabine stimmte erleichtert zu.

      Durch die Drehtür, die der Portier für sie in Bewegung setzte, betraten sie das elegante Foyer des Hotels »Bayerischer Hof«. Bernhard nahm ihr das Cape ab, um es zusammen mit seinem Trench zur Garderobe zu bringen. Sie nutzte die Gelegenheit, ihre Tochter anzurufen. Als er auf dem Rückweg von der Garderobe an ihr vorbeikam, lächelte sie ihm zu. Er gab ihr mit einer Geste zu verstehen, daß er vorausgehen und sich um einen Tisch kümmern wollte. Sie nickte.

      Wenige Minuten später folgte sie Bernhard hinunter in die Nachtbar des Hotels.

      Wenn man aus der hell beleuchteten Halle ins Trader eintrat, war es im ersten Augenblick so dunkel, daß sie am Fuß der Treppe stehenbleiben mußte, um sich zu orientieren. Sofort tauchte Bernhard neben ihr auf, legte ihr die Hand unter den Ellenbogen und führte sie. »Alles in Ordnung«, erklärte sie, »Stefanie war noch ganz munter. Sie hat einen uralten Film mit Gregory Peck im Fernsehen entdeckt.«

      »Na, siehst du.« Er schob einen Sessel an ihre Kniekehlen, und sie setzte sich.

      Als ihre Augen sich umgewöhnt hatten, merkte sie, daß es nicht wirklich dunkel war in dem Nachtlokal, sondern nur schummrig. Windlichter auf den Tischen bildeten die einzige Beleuchtung, die den Gästen ungemein schmeichelte. Selbst Bernhards kantiges Gesicht wirkte weich und gelöst. Von irgendwoher erklang gedämpft hawaiianische Musik.

      »Ich habe uns Planters Punch bestellt, Liebling. Ich hoffe, daß es dir recht ist.«

      »Ja, natürlich.«

      Immer neue Gäste kamen die Treppe herunter, lachend, plaudernd, aber nur schemenhaft sichtbar. Man konnte Abendkleider und funkelnden Schmuck eher erahnen als sehen. Balinesische Masken lächelten, umrankt von großblütigen bunten Girlanden, von den Wänden.

      »Hier gefällt’s mir«, meinte sie.

      »Wenn du willst, können wir öfters ausgehen.«

      »Lieb von dir«, sagte sie, ohne ihm zu glauben. Sie zweifelte nicht an seinem guten Willen, aber sie wußte, daß es mit ihm nicht anders sein würde, als mit Harry. Zu oft arbeitete er bis in die Nacht, und zu oft kam es auch noch spät zu einer unvorhergesehenen Besprechung. Sie kannte das.

      Die Drinks, üppig mit exotischen Früchten dekoriert, wurden serviert. Sie probierten, tranken sich zu. Bernhard bot Sabine Zigaretten an, gab ihr Feuer und zündete sich ebenfalls eine an.

      Sie wußte, er würde nicht auf ihre Auseinandersetzung von vorhin zurückkommen, dazu war er zu diplomatisch. Auch eine Bemerkung, die ihr ermöglichen würde, das Thema noch einmal aufzugreifen und ihm ihren Standpunkt klarzumachen, war nicht von ihm zu erwarten. Stefanie hatte sie versprochen, in einer knappen Stunde zu Hause zu sein. Es blieb Sabine nichts übrig, als ohne große Vorrede die Sache zur Sprache zu bringen. »Ich habe dir noch nicht erzählt«, sagte sie unvermittelt, »daß ich wahrscheinlich für ein Jahr nach Genf gehe.«

      Bernhard verzog keine Miene. Wenn diese Eröffnung ein Schlag für ihn gewesen war, so ließ er es sich nicht anmerken.

      Wider Willen bewunderte sie ihn für seine gute Haltung und berichtete hastig die Einzelheiten. Jetzt, da das Schlimmste überstanden war, fiel es ihr nicht schwer, die richtigen Worte zu finden.

      »Wann?« fragte er endlich.

      »Nicht sofort. Anfang August, würde ich sagen. Ich muß ja zuerst noch mein Französisch aufpolieren, aber andererseits sollte Stefanie rechtzeitig zum neuen Schuljahr in der Schweiz sein.«

      »Und seit wann weißt du es?«

      »Baumgartner hat mir Anfang der Woche das Angebot gemacht.« Versöhnlich legte sie die Hand auf seinen Arm. »Am Telefon konnte ich es dir nicht sagen, und ich wollte mir auch erst darüber klarwerden, was ich selber will.«

      Er hob die Augenbrauen und fragte mit leiser Ironie: »Und jetzt weißt du es?«

      »Ich wollte immer schon ins Ausland. Schon als Kind habe ich mir das gewünscht. Nicht einfach eine Reise in die Fremde machen, sondern dort leben – in Frankreich, England, Italien oder sonstwo. Jetzt ist eben die Schweiz daraus geworden.«

      »Und was ist mit uns?«

      »Uns kann ein bißchen Abstand ganz gewiß nur guttun. Unsere Beziehung ist irgendwie – ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll – festgefahren. Hast du das selbst noch nicht gemerkt?«

      »Nein. Keineswegs. Was ich merkte, ist nur, daß du dich mir entziehst.«

      »Aber warum sollte ich das? Gib mir einen einzigen plausiblen Grund dafür an!«

      »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«

      »Du bist mir zu nah, schon zu vertraut, bevor…« Sie unterbrach sich. »Ich weiß jetzt schon, daß ich wahnsinnige Sehnsucht nach dir haben werde. Ich werde dir schreiben. Außerdem gibt es ein Telefon, und natürlich besuchst du uns in Genf. Ein Jahr ist doch gar nichts, weniger als nichts.«

      »Und was wird aus deiner Wohnung?«

      Sabine hätte unendlich erleichtert sein müssen, daß er so nüchtern reagierte. Doch verwundert stellte sie fest, daß es sie enttäuschte. »Du weißt, sie gehört mir. Harry hat sie gekauft. Ich werde sie natürlich behalten.«

      »Du könntest sie möbliert vermieten.«

      »Das habe ich mir auch schon überlegt. Aber das will ich nicht. Wenn erst einmal fremde Leute drin waren, würde es nie mehr sein wie früher.«

      »Es würde dir einen schönen Batzen Geld bringen.«

      »Stimmt. Aber das habe ich zum Glück ja nicht nötig. Wenn ich die Wohnung so lasse, wie sie ist, weiß ich, daß ich jederzeit zurückkommen kann. Vielleicht gefällt’s mir ja auch gar nicht in der Fremde.«

      »Das will ich dir trotz allem nicht wünschen.«

      Sabine sah ihn aus großen Augen an. »Wirklich nicht?«

      »Glaubst du, ich würde wünschen, daß du auf die Nase fällst?« Er lächelte mit schmalen Lippen. »Für so schäbig wirst du mich doch wohl nicht halten.

      »Natürlich nicht. Ich weiß, du bist ein wunderbarer Mann! Ich habe nie bezweifelt, daß…«

      Bernhard fiel ihr ins Wort. »Das war kein fishing for compliments, Liebling. Hör, bitte, auf damit! Trink aus! Es ist schon spät.« Er winkte dem Ober. »Bitte, zahlen.«

      3

      Am nächsten Morgen – es war ein Samstag – schliefen Sabine und Stefanie aus und gönnten sich dann einen Brunch in ihrem geliebten Alkoven. Sabine, die die Mahlzeiten hergerichtet hatte, war schon geduscht, frisiert und angezogen, ihre Tochter noch zerstrubbelt in Schlafanzug und Bademantel.

      Stefanie gähnte herzhaft, während sie die Schale eines weichen Eis mit der Rückseite des Löffels zerklopfte.

      »War es wenigstens schön gestern abend?«

      Sabine hatte sie in der Nacht ganz rasch zu Bett gebracht und sich auf keine Unterhaltung mehr eiligelassen. Jetzt nahm sie einen Schluck Kaffee und sagte: »Wie man’s nimmt.«

      Stefanie pellte die Schale ab und legte sie auf den Rand des Eierbechers. »Was soll das heißen?«

      »Ich glaube, ich habe einen Riesenfehler gemacht.« Stefanie tat uninteressiert. »Ach ja?«

      »Ich habe Bernhard erzählt, daß wir nach Genf gehen.«

      »Und? Wie hat er reagiert?«

      »Ziemlich gleichgültig.«

      »Das sieht ihm ähnlich.«

      »Du mußt das verstehen, Liebes. Ich wollte dich nicht überfahren, aber da

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