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legte ihr den Arm um die Schultern.

      Wenn sie ihrer Tochter nicht mehr in die Augen sehen konnte, fiel es Sabine leichter zu sprechen. »Also, ich will nicht länger um die Sache herumreden«, erklärte sie, »es geht um Folgendes: ich soll für ein Jahr nach Genf gehen.«

      Stefanie rückte von ihr ab. »Nach Genf?« schrie sie. »Ja, ist er denn verrückt geworden?«

      »Nein, Liebling. Ich bin sicher, er meint es nur gut mit mir«

      »Aber du kannst doch nicht einfach nach Genf ziehen!«

      »Na, so umständlich wäre das ja nun auch wieder nicht.«

      »Und was ist mit mir?«

      »Du kommst natürlich mit. Herr Baumgartner hat sich auch deinetwegen schon erkundigt. Es gibt dort eine internationale Schule. Mit deinen zwei Jahren Englisch kannst du dem Unterricht schon folgen «

      »Und was ist mit dem Max-Joseph-Stift? Mit meinen Freundinnen? Mit Fräulein Liebknecht?«

      »Es wäre ja nur für ein Jahr, Liebes.« Sabine nahm noch einen nervösen Zug aus ihrer Zigarette und drückte sie dann aus.

      Stefanie, noch immer in ihrem Rücken, blieb ganz stumm. Sabine drehte sich zu ihr um und sah, daß sie Tränen in den Augen hatte.

      »Du lieber Himmel, Stefanie!« rief sie. »Nimm es doch nicht so tragisch! Es handelt sich doch nicht um ein Muß, sondern um eine Idee, die ich mit dir besprechen wollte!« Sie zog das Mädchen in ihre Arme.

      »Es klang aber ganz so«, murmelte das Mädchen, den Kopf an ihrer Schulter, »als wäre es schon entschieden.«

      »Nein. Ist es nicht. Ich weiß ja selbst noch nicht, was ich will. Einerseits ist es verlockend, andererseits doch auch ein bißchen beängstigend. Es ist gar nicht so leicht, sich in meinem Alter noch umzustellen.« Stefanie rieb die Nase an ihrer Schulter. »Also alt«, meinte sie großmütig, »bist du wirklich noch nicht. Im Vergleich zu anderen Müttern…« Sie ließ den Satz offen.

      Sabine schob sie sanft von sich. »Ich denke, mit diesem Schlußwort sollten wir die Besprechung beenden. Gibt es was Schönes im Fernsehen? Wir könnten aber auch mal wieder in Ruhe lesen. Was meinst du?«

      Doch Stefanie ging auf dieses gut gemeinte Ablenkungsmanöver nicht ein, sondern begann, mit nachdenklichem Gesicht, Teller und Tassen auf das Tablett zu stellen.

      Sabine und Stefanie waren noch nicht mit der Küche fertig, als es an der Wohnungstür klingelte. Da sie niemanden erwarteten, sahen sie sich einen Augenblick fragend an, dann lief Sabine durch die Diele, um zu öffnen. Sie hatte es nicht gerne, daß ihre Tochter die Tür aufmachte und so Gefahr lief, einem Fremden gegenüberzustehen.

      Doch vor der Tür stand Lisbeth Albers, Sabines beste Freundin. Die beiden hatten zusammen gewohnt, als sie noch Jura studierten. Sabine hatte als erste aufgegeben, um den Rechtsanwalt Dr. Harald Meyendorf zu heiraten, Lisbeth nicht lange danach, um sich zur Sekretärin ausbilden zu lassen.

      Wenn ihre Wege auch recht verschieden verlaufen waren, hatten sich die beiden Frauen doch nie ganz aus den Augen verloren, was vor allem Lisbeths Anhänglichkeit zu verdanken war. Immer wieder hatte sie Sabine angerufen, sie besucht oder Ideen für eine gemeinsame Unternehmung gehabt.

      Harry hatte Lisbeth abgelehnt, sich über ihren, wie er fand, zu sorglosen und lockeren Lebenswandel mokiert und versucht, sie in Sabines Augen schlecht zu machen. Tatsächlich war ihm die Freundschaft der beiden Frauen ein Dorn im Auge, und die Vorstellung, daß die beiden nicht nur harmlos miteinander plaudern, sondern Einzelheiten ihres Intimlebens austauschen könnten, irritierte ihn.

      »Komm rein!« rief Sabine jetzt. »Was für eine Überraschung!«

      Die Freundinnen umarmten sich kurz.

      »Keine Sorge!« erwiderte Lisbeth. »Ich werde nicht lange bleiben.«

      »Aber warum? Du hältst mich von nichts ab.«

      In diesem Augenblick wurde ihnen beiden bewußt, wie sehr sich die Freundschaft seit Harrys Tod verändert hatte. Früher war Lisbeth auch manchmal um diese Stunde hereingeschneit, hatte, einen Wodka mit Zitrone schlürfend, Sabine in der Küche bei ihren Vorbereitungen zum Abendessen Gesellschaft geleistet, um sich dann, möglichst bevor der Ehemann nach Hause kam, schleunigst zu verkrümeln.

      Betroffen, als hätten sie sich einer Taktlosigkeit zu schämen, blickten sie sich an.

      Lisbeth war eine vollbusige Person, einen halben Kopf kleiner als Sabine, und hatte eine Vorliebe für geblümte Kleidung – auch etwas, über das sich Harry lustig zu machen gepflegt hatte. Heute trug sie zudem noch eine mit künstlichen rosa Rosen besteckte Toque auf dem blondierten Haar.

      »Du siehst gut aus!« befand Sabine ehrlich; sie war der Ansicht, daß die reichlich verspielte Aufmachung zu Lisbeth paßte.

      »Ein süßes Hütchen, wie? Du solltest es mal aufprobieren.«

      »Du weißt, so etwas steht mir nicht.«

      Lisbeth ließ sich nicht davon abhalten, an ihrem Hut herumzunesteln, als wollte sie ihn abnehmen. »Käme nur auf den Versuch an.«

      »Laß nur, Lisbeth!« wehrte Sabine ab.

      Sie führte die Freundin ins Wohnzimmer, einen sehr großen, etwas düsteren Raum mit Parkettboden, Stukkaturen an der Decke und einem offenen, gemauerten Kamin. Ohne eine Aufforderung abzuwarten, ließ Lisbeth sich auf das bequeme Ledersofa sinken. »Immerhin«, konstatierte sie, »läufst du nicht mehr in schwarzen Gewändern herum.«

      »Das habe ich zu Hause nie getan.«

      »Du wolltest also nur deiner Umgebung deine Trauer bekunden?«

      »Halt dich zurück, Kleine! Davon verstehst du nichts.«

      »Verzeih mir, wenn ich deine edlen Gefühle verletz habe.«

      Darauf ging Sabine nicht ein. »Mach’s dir bequem«, sagte sie trocken, »ich hol’ dir deinen Wodka.«

      »Du hältst nicht mit?« rief Lisbeth ihr nach.

      »Ich habe gerade Tee getrunken«, entschuldigte sich Sabine freundlich über die Schulter zurück.

      Ihr war bewußt geworden, daß die Freundschaft mit Lisbeth zwar ihre Ehe und diverse Liebschaften der Freundin überdauert hatte, möglicherweise jedoch an ihrer Witwenschaft scheitern könnte. Harrys Tod hatte sie tief getroffen, und er fehlte ihr immer noch sehr. Lisbeth hatte in Harry immer nur den Tyrannen und Störenfried gesehen, auch wenn sie die Freundin, wie Sabine vermutete, insgeheim um den Ehepartner beneidet hatte. Sabine wollte nicht ausschließen, daß Lisbeth ihr diesen Schicksalsschlag gönnte. Es bräuchte sicher eine ganze Menge Diplomatie und Toleranz, um das zerstörte Vertrauen in ihre Freundschaft wiederherzustellen.

      Stefanie war inzwischen mit der Küche fertig. Sie hatte den Rest Tee in ein Glas geschüttet, weil sie wußte, daß die Mutter ihn manchmal später noch trank.

      »Laß nur, Liebling«, bat Sabine, »ich trinke ihn gleich.« Sie nahm ihr das Glas aus der Hand, stellte es auf ein Cocktailtablett, tat ein zweites Glas dazu, füllte es mit Wodka und spritzte in beide Gläser Zitronensaft. Danach ließ Stefanie zwei Eiswürfel hineinplumpsen. »Danke, Liebes!« Sabine beugte sich hinunter und küßte die Kleine flüchtig auf die Schläfe. »Komm doch mit und sag Lisbeth ›Guten Tage!«

      »Wollen wir ihr nicht auch ein paar Erdnüsse anbieten?«

      »Gute Idee! Aber, nein, laß nur. Vergiß nicht, daß sie gewissenhaft auf ihre schlanke Linie achtet.« Weil sie wußte, daß Stefanie solche kleinen Aufgaben gern übernahm, hielt sie ihr das Tablett hin. »Trag du’s hinein, ja?«

      Stefanie mochte Lisbeth, die sie nie wie ein Kind behandelte oder Bemerkungen losließ wie: »Ach, bist du groß geworden!« Nachdem sie die Getränke serviert hatte, gab sie ihr einen Kuß auf die Wange.

      Lisbeth überspielte ihre Gerührtheit. »Gib acht auf mein kunstvolles Make-up!« scherzte sie.

      »Bloß

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