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      Dass trotz des hohen Blutzolls die Soldaten aller kriegführenden Staaten in ihrer überwältigenden Mehrheit dennoch weiterkämpften, mag damit zu tun haben, dass sie gar keine andere Möglichkeit besaßen, außer der Option, die Waffen zu strecken. Sich zu ergeben und dadurch in Kriegsgefangenschaft zu geraten, war ein durchaus gefährliches Unterfangen.

      Eine viel häufigere Variante war jedoch nicht die selbst gewählte Kapitulation, sondern jene, die durch Kriegshandlungen des Gegners unausweichlich wurde.

      Für die Nehmerseite wurden Kriegsgefangene mit der zunehmenden Dauer des Krieges und der damit verbundenen Lebensmittelknappheit zu einer immer größeren Belastung, und dies galt besonders für die Mittelmächte, die schwer unter der alliierten Blockade litten.

      In der von der „Bundesvereinigung der ehemaligen österreichischen Kriegsgefangenen“ 1931 herausgegebenen Publikation „In Feindeshand“ umriss Hans Weiland ein Defizit der österreichischen Weltkriegshistoriographie, das von Anfang an bestand:

      Wenn aber dieses höchst aufschlussreiche Segment eben nicht ausgespart bleibt, sondern nach alltags- und mentalitätsgeschichtlichen Gesichtspunkten beleuchtet wird, eröffnen sich interessante Einblicke, die zwangsläufig zu neuen Fragestellungen führen müssen. Was erwartete den Kriegsgefangenen nach seiner Einbringung? Wie bewältigten die Betroffenen selbst diese neue Erfahrung?

      Psychisch belastend war ihre Situation allemal: Wurden sie zuvor noch als patriotische Helden gefeiert, so wurden sie nach der Gefangennahme nicht selten ihren Gegnern als gedemütigte Kriegs- und Siegesbeute vorgeführt. Der Kriegsgefangene schied aus der kämpfenden Truppe aus und war jetzt zumindest in militärischer Hinsicht unbedeutend geworden. Diese Veränderung der Lebenssituation wog gewiss schwer, denn mit dem Eintritt in das Kriegsgefangenenlager schloss sich scheinbar das Tor zur Außenwelt. Die Gefahr, vergessen zu werden, war nun durchaus zu einer sehr realen Bedrohung geworden. Wie die Briefe italienischer Kriegsgefangener aus oberösterreichischen Lagern, vornehmlich Mauthausen, bezeugen, war es vor allem die Sehnsucht nach den nächsten Angehörigen, verbunden mit der Furcht, sie nie mehr wiederzusehen. Dieses unbändige Gefühl verleitete nicht wenige Kriegsgefangene dazu, erfolglose Fluchtversuche zu unternehmen. Jene aber, denen dazu der Mut fehlte, verfielen in tiefe Resignation.

      Ein Bericht des kriegsgefangenen Lehrers Adolf Braun aus Odessa, konfiniert im Lager Marchtrenk, macht noch ein weiteres Verhalten sichtbar. Die Kriegsgefangenen, die häufig mit den schrecklichsten Erlebnissen von der Front ins Hinterland transferiert wurden, zogen sich auf sich selbst zurück und mieden zunächst jeden Außenkontakt. Erst allmählich wuchs die Bereitschaft, sich zu öffnen und am Lagerleben teilzuhaben. Konstant blieb freilich die Sehnsucht nach der Heimat.

      Für die Wachmannschaften führte die Belastung eines jahrelangen Dienstes vor Ort anscheinend zu ähnlichen Begleiterscheinungen.

      Überdies wurde die massenhafte Requirierung von Einrichtungsgegenständen für die anfänglich schlecht ausgestatteten und hastig errichteten Lagerkommanden samt Verwaltungsstäben von der Bevölkerung als große Belastung empfunden.

      Als die Stadtgemeinde Braunau im Sommer 1915 durch das K. u. K. Kriegsministerium vom geplanten Lagerbau erfuhr, lehnte man dies zunächst aus wirtschaftlichen Gründen einhellig ab. Man befürchtete eine Verknappung der Nahrungsmittelressourcen. Als wahrer Grund der Ablehnung kristallisierte sich jedoch rasch die Furcht vor einem Ausbruch von Seuchen heraus, und dies war in der Landeshauptstadt Linz nicht anders.