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dass seine Nachkommen das Land sowieso erhalten werden, besteht er darauf, sie zu bezahlen.

      Über drei Orte im Land berichtet uns die Bibel, dass sie »für Geld« gekauft wurden, zwei davon »für volles Geld«: die Machpelahöhle, der Tempelberg und Josephs Grab. 2 300 Jahre nach dem Kauf der Machpelahöhle werden Rabbiner schreiben: »… die drei Orte, die die Nationen Israel nicht abstreiten können: die Machpelahöhle und der Tempel und Josephs Grab« (Bereschit Rabba 79,7).

      Gerade diese Orte werden Israel heute sehr wohl abgestritten, vielleicht gerade weil sie Israels langjährige Beziehung zum Land symbolisieren. Juden machen auf die Bezahlung aufmerksam, die sie aus ihrer Perspektive zu rechtmäßigen Erben macht. Die Machpelahöhle kostete 400 Schekel – Silberschekel, nicht israelische Schekel. Schekel war eine Gewichtseinheit, umgerechnet 11,34 g. Das wären nach heutigen Silberpreisen rund 2 300 €.

      Die Einheimischen bieten ihm eines ihrer Gräber an, aber er hat eine konkretere Vorstellung. Abraham will die Höhle Machpela, dt. »Zweifachhöhle«, bekommt sie und wir besuchen sie bis heute. Als ich zum ersten Mal dort war, habe ich die Höhle mehr gesucht als besucht. Man sieht keine Höhle mehr, sondern Herodes’ Monumentalbau aus dem 1. Jh. n. Chr. Meine Enttäuschung wurde aber wiedergutgemacht, als ich verstand, dass ich wirklich am richtigen Ort war. Unter dem Bau gibt es eine Höhle mit zwei Räumen – eben eine zweifache Höhle, sie ist nur für Besucher heute unzugänglich. In ihr befinden sich Gebeine vieler Toten, sie wurde sicher lange als Grab benutzt. Auch ihre Lage passt zur biblischen Angabe »am Ende eines Feldes«. Das Gebäude steht am felsigen Hang direkt am Rand einer 200 x 100 m großen Ebene mit tiefer Erde. Das Feld war »vor Mamre, das ist Hebron« (Genesis 23,19). Vor heißt östlich. 500 m östlich des Tels liegt die Höhle. Im Gebäude beten viele Juden und Muslime vor riesigen sargförmigen Grabdarstellungen mit den Inschriften Abraham, Isaak, Jakob, Sara, Rebekka und Lea. Hebrons arabischer Name ist El-Khalil im Gedenken an Abraham, der auf Arabisch Khalil Allah, dt. »Gottes Geliebter« genannt wird. Die Erzväter und -mütter sind im Land allgegenwertig, vor allem in den Herzen der Menschen.

      Die biblische Bestattung

      Das einfache Volk wurde in allen Epochen erdbestattet, Reiche haben sich Grabhöhlen in Felsen einhauen lassen. Mit diesen ist Israel übersät. Die Öffnung ist immer klein, sonst müsste der verschließende Rollstein zu groß sein. Wäre das Grab offen, hätten sich Hyänen an den Leichen und Räuber an Wertsachen bedient. In den Höhlen konnte man knapp stehen. Die Leichen wurden in Tücher gewickelt und auf Steinbänke in der Höhle gelegt. Manchmal sieht man Kuhlen für den Kopf. Nach einem Jahr öffnete man die Höhle wieder, dann waren nur noch Knochen übrig. Diese sammelte man in einer Nische im Boden der Höhle, Generation für Generation. Deshalb »sterben« Menschen in der Bibel nicht nur, sondern werden »zu den Vätern versammelt«, wie es heißt.

      EINE FRAU FÜR ISAAK

      Nach Saras Tod will sich Abraham um die letzte Baustelle seines Lebens kümmern. Isaak braucht eine Frau (Genesis 24). Aus der Verwandtschaft soll sie sein. Ein kleines Problem – die Verwandtschaft lebt im Ausland, in Aram-Naharajim. Wo das liegt? Aram war das gesamte Gebiet der aramäischen Stämme, heute in Syrien und der Südtürkei. Weil es groß war, wurden Teilgebiete unterschieden, z. B. Aram-Damaskus rund um Damaskus. Naharajim bedeutet »zwei Flüsse«, gemeint sind der Euphrat und der Tigris. Haran, langjähriger Wohnort Abrahams vor Kanaan, liegt inmitten dieser Region. Abraham beauftragt einen Knecht, der die Strecke zurücklegt. Wir begleiten ihn natürlich.

      Ohne Pausentage braucht man mit einem Kamel 33 Tage pro Weg. Zum Glück hat er ein Kamel dabei. Zehn Stück, genauer gesagt. Auch wenn er vielleicht keine Pausentage braucht, die Kamele brauchen sie. 5−6 Wochen ist er wohl unterwegs. Falls du schon mal in den Genuss gekommen bist, ein Kamel durch die Wüste zu führen, weißt du, dass das nicht nur einfach ist. Zehn Kamele sind schon eine Nummer. Und sie sind mit allerlei Gut (Genesis 24,10) beladen, müssen also auch noch gegen Raubüberfälle verteidigt werden. Heute wird ein Kamel in Israel für zwischen 6 000 und 16 000 NIS verkauft. Im Durchschnitt sind das umgerechnet 3 000 € pro Kamel. Abraham schickt eine Karawane im Wert von 30 000 € zur Verwandtschaft. Das macht Eindruck.

      Wenn wir schon über Kamele sprechen – in jeder Reisegruppe beginnt eine Grundsatzdiskussion, sobald Kamele in der Wüste zu sehen sind: Kamel oder Dromedar. Das habe ich mehrere Hundert Male im Bus mitbekommen. Spätestens sobald man auf Kamele steigt, kommt dann auch der Begriff »Trampeltier« ins Gespräch. Zoologisch gesehen sind sowohl die einhöckrigen als auch die zweihöckrigen Wüstentiere Kamele. Sie sind einfach zwei Arten von derselben Gattung. Wir in Israel und in den umliegenden arabischen Ländern nennen alles nur Gamal (auf Hebräisch und im Beduinendialekt) und Dschamal (auf Hocharabisch). Die Höcker zählen wir nicht, unsere Kamele haben eh nur einen. Die anderen leben in China und der Mongolei. Wenn man einem Beduinen erzählt, es gebe Kamele mit zwei Höckern, bekommt er gleich noch tiefere Stirnfalten und fragt: »Wo?« Über die Frage, welche Kamele zur Zeit der biblischen Erzväter in der Region genutzt wurden, streiten die Forscher noch.

      Angekommen in (vermutlich) Haran, weiß Abrahams Knecht, wo er junge Frauen antreffen kann. Bis heute sind Frauen in der orientalischen Kultur kaum unbegleitet unterwegs. Junge Männer wird man in Scharen finden, Gruppen junger Frauen eher nicht. Frauen bleiben meist zu Hause und selbst dort waren sie bis vor zwei Generationen durch Holz- oder Steingitter an Fenstern und am Balkon fast unsichtbar. Wasserholen war aber Frauenarbeit und in manchen Teilen Afrikas ist es das heute noch. Zum Brunnen gehen Frauen auch allein.

      So trifft der Knecht Rebekka am Brunnen. Sie bietet dem fremden Mann Wasser an. Das wäre für jede Frau angebracht gewesen. Aber sie bietet zusätzlich an, auch für seine Kamele Wasser zu schöpfen. Ein Kamel trinkt gut 100 l am Stück, große und durstige Kamele 150 l. Wenn jedes der zehn Kamele durchschnittlich 125 l trinkt, muss sie 1 250 l schöpfen – gut 100 Eimer voll. Das Mädchen ist nicht nur vorbildlich erzogen, es ist auch kerngesund. Die Bibel beschreibt sie als »hübsche« Frau.

      Biblische Schönheitsideale

      Wie die biblischen Namen andeuten, hielten die Menschen damals eher etwas von kräftigen, fülligen Frauen. Rebekkas Name ist abgeleitet von Marbek, dt. »gemästetes Kalb«. Rebekkas Schwiegertöchter hießen Lea und Rahel. Lea bedeutet »Wildkuh«, Rahel »Schaf«. Dieses Schönheitsideal bestätigen archäologische Funde in Israel und den Nachbarländern. Die frühsten Frauendarstellungen im Nahen Osten wurden am Karmel und am Jordan gefunden, einige stammen aus den Jahren zwischen 1900 und 1750 v. Chr., der Erzväterzeit. Dünn sind sie alle nicht.

      Bei dem Goldschmuck für Rebekka, einem Ring und Armbändern, verpassen die meisten Übersetzungen, dass es sich um einen Nasenring handelt. Einen halben Schekel wiegt ihr Nasenring, zehn Schekel ihre Armbänder – das macht 119,07 g, die heute je nach Karat zwischen 1 800 und 4 700 € kosten würden. Dass sie in eine reiche Familie heiraten kann, versteht sie spätestens jetzt.

      Rebekka wird nicht direkt nach ihrem Heiratswillen gefragt. Ihr Vater und ihr Bruder übernehmen die Entscheidung. Unvorstellbar in unserer westlichen Gesellschaft im 21. Jahrhundert, aber unter Beduinen ist es auch heute noch so. Die Eltern oder der ältere Bruder entscheiden über die Partnerwahl. Obwohl Beduinenmädchen und -jungen heute viel mehr Begegnungsmöglichkeiten als den Brunnen haben, trifft immer der Vater die letzte Entscheidung.

      Rebekka wird schon gefragt, ob sie sich noch ein paar Tage von ihrer Familie verabschieden möchte. Sie ist bereit, gleich zu gehen. Wie alt ist sie? Ohne klare Angabe in der Bibel errechneten Rabbiner ihr Alter durch die Kombination mehrerer Jahresangaben anderer Personen in ihrem Leben auf 14 (Seder Olam Rabba 1−2). Die größte Reise in ihrem bisher recht kurzen Leben ist ein One-Way-Ticket ins Unbekannte. In den 4−5 Wochen unterwegs kommt sie von der Steppe ihrer Heimat ins fruchtbare Gebiet der Golanhöhen und Gileads im heutigen Nordjordanien. Vermutlich überqueren sie das Jordantal auf der Höhe von Sichem, wo es am bequemsten ist, und über die mit Olivenhainen und Steineichenwäldern übersäten Hügel Samariens und Judäas kommen sie schließlich in die Wüste Negev. Rebekkas Reise führt sie bei Weitem nicht nur durch langweiliges menschenleeres Land. Auf dieser Strecke

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