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Sprachen, bewundert die Bewässerungssysteme von Damaskus und sieht vielleicht den schneebedeckten Berg Hermon im Hintergrund. In Sichem sieht sie eine auffällig hohe Tempelanlage. Als sie an Hebron vorbeikommen, erzählt ihr der Knecht bestimmt, wer neulich dort begraben wurde. Eine Schwiegermutter wird Rebekka nicht haben. Ihren vielleicht 23 Jahre älteren Mann trifft sie in der Wohnstätte der Familie, Beer-Lachai-Roi. Ihr Mann ist noch in die Trauer um seine Mutter versunken. Er nimmt sie symbolträchtig in dasselbe Zelt, in dem seine Mutter vor nicht allzu langer Zeit starb, und gewinnt sie lieb. Solche Eheverkupplungen innerhalb der Großverwandtschaft sind unter Beduinen bis heute geläufig. Immer ziehen die Frauen zur Familie des Mannes. Diese Regel sorgt für klare Finanzverhältnisse. Töchter sind eine Entlastung, sobald sie ausziehen. Für sie und ihre Kinder müssen der Mann und seine Familie sorgen.

      Das Paar ist besonders. Isaak ist der einzige Erzvater, der im Laufe seines Lebens Kanaan nie verlassen wird. Rebekka wird 50 Mal in 1. Mose erwähnt, häufiger als jede andere Erzmutter. Über ihr Leben wird am ausführlichsten berichtet. 20 Jahre bleibt sie unfruchtbar. Wenn die rabbinische Rechnung stimmt, wird sie mit 34 Jahren Mutter, und zwar gleich zweifach – von Jakob und Esau.

      Jakobs und Esaus Namen

      Der Wortstamm des Namens Esau, heb. eigentlich Essaw, bedeutet »fertiggestellt«. Jüdische Exegeten wie Jonathan aus Galiläa im 1. Jh. oder Raschi aus Europa im 12. Jh. führten den Namen Esaus auf seine Behaarung zurück. Er kam »fertig« auf die Welt, mit vielen Haaren auf dem Kopf wie ein Erwachsener. Sein Zwillingsbruder bekam den Namen Ja’akow, in Übersetzungen »Jakob«, bei dem die Bibel den Namen mit seiner Steißgeburt verbindet. Der Wortstamm bedeutet »Ferse«. Esau wird später auch Edom genannt. Die erste Erklärung geht auf das hebräische Wort für »rot« zurück, Adom, als Esau von »dem Roten da« (Genesis 25,30) essen möchte. E und A werden im Hebräischen gleich geschrieben. Die zweite Erklärung bezieht sich auf die Gegend Edom in Südwestjordanien, wo sich Esau niederlassen wird. Dort ist das Granit- und Sandsteingebirge rötlich.

      ABRAHAMS LEBENSABEND UND DIE POLYGAMIE

      Was ist in der Zwischenzeit aus Abraham geworden? An seinem Lebensabend nimmt er sich eine neue Frau im fruchtbaren Alter, d. h. vielleicht 12−14 Jahre alt. Ein alter Mann und ein minderjähriges Mädchen lässt uns gleich Alarm schlagen, aber in der Beduinengesellschaft im Negev war diese Praxis bis zum Verbot durch den Staat Israel im Jahr 1959 noch weit verbreitet. Sobald ein Mädchen schwanger werden konnte, war es heiratsfähig, und die Heirat war im Interesse der Eltern. Männer haben sich immer gerne weitere Frauen genommen, wenn die fruchtbaren Jahre ihrer bisherigen Frau vorbei waren. Bis heute gilt unter Beduinen: Bis zu vier Frauen kann ein Mann nehmen, solange er sie und ihre Kinder ernähren kann. Dieses Gesetz ist im islamischen Recht verankert, seine Wurzeln sind aber viel älter als der Islam und ergeben sich durch die Lebensumstände in der Wüste. Das Gesetz des Staates Israel verbietet Polygamie, aber wenn man einen Beduinen fragt, wie viele Frauen er hat, lautet die Antwort nicht selten: »Eine im Ausweis, die anderen im Zelt.«

      Irgendwann ist auch Abrahams Leben vorbei. Als er im Alter von 175 Jahren stirbt, wird er neben seiner Frau Sara in der Machpelahöhle begraben. Zur Beerdigung treffen sich die verfeindeten Halbbrüder Isaak und Ismael wieder. Isaak kommt aus Beer-Lachai-Roi und Ismael aus den noch südlicheren Wüstenregionen hinauf nach Hebron.

      ISAAK ZIEHT NACH GERAR

      Was machen Isaak und Rebekka in der Zwischenzeit? Eine Dürre führt sie zurück nach Gerar. Heute definiert man in Israel eine Dürre als ein Jahr mit weniger als 80 Prozent der durchschnittlichen Regenmenge. Im Gebiet von Beer-Lachai-Roi regnet es 100−150 mm im Jahr und es reicht schon, wenn es 2−3 Regentage weniger als sonst gibt, um auf 80 Prozent zu kommen. Heute ist das nur noch ein kleineres Problem. Aber noch vor wenigen Jahren, bevor riesige Meerwasserentsalzungsanlagen in Israel gebaut wurden, hätte man gleich Maßnahmen treffen müssen. Und vor der Erfindung der elektrischen Pumpe bedeutete Dürre sofort Not.

      Was konnten Menschen unternehmen? Dorthin gehen, wo es mehr geregnet hat. Genau das machen Isaak und Rebekka. Sie ziehen mit ihren Zwillingen und der mobilen Gemeinschaft 50 km Richtung Mittelmeer nach Gerar. Ihr goldenes Ticket ist das versprochene Bleiberecht, das Isaaks Vater dort bekam. Die Geschichte Abrahams und Saras in Gerar wiederholt sich: Isaak stellt Rebekka als seine Schwester vor, weil er Angst hat, von Einheimischen erschlagen zu werden. Sie ist nämlich besonders hübsch und kann ihm deswegen weggenommen werden. Dieses Mal versteht König Abimelech die Situation schneller als damals bei Abraham und Sara, erkennt das Eskalationspotenzial zwischen der reichen Großfamilie und den Einheimischen und fordert Isaak auf, etwas weiter weg zu ziehen. So lassen sie sich am Ufer des Bachs Gerar nieder. Isaak fängt an, Ackerbau zu betreiben. Er setzt alte Brunnen seines Vaters wieder instand. Heute kann man am Regenbach Gerar einige antike Brunnen aus dem 4.-6. Jh. n. Chr. finden. Sie sehen wie große Steiniglus aus. Diese Brunnenart war auch zu Isaaks Zeit üblich, weil sich die Wassertechnik im Laufe der Jahrhunderte kaum veränderte. Im ersten Moment kommt man nicht auf die Idee, dass es Brunnen sind. Gebaut wurden sie in die Erde, aber diese Erde ist lange weg. In diesem Lössgebiet aus Saharastaub ist der Boden alles andere als stabil. Die Brunnen wurden unweit des Baches gebaut, aber nach jedem Platzregen veränderte sich sein Verlauf.

      Isaak findet Wasser, aber nicht irgendeins, sondern einen Brunnen lebendigen Wassers (Genesis 26,19).

      Brunnen lebendigen Wassers

      Bei der Unterscheidung zwischen einem Brunnen lebendigen Wassers und anderen Brunnen ist die Frage entscheidend, wie das Wasser in den Brunnen kommt. Die meisten Brunnen im Land sind Zisternen. Zisternen werden vom Regenwasser gefüllt. Bis zur Erschließung Jerusalems mit Wasserleitungen nach dem Ersten Weltkrieg waren Hunderte Zisternen in der Stadt in Gebrauch. Ein Brunnen lebendigen Wassers wird von einer Quelle oder vom Grundwasser gespeist und ist nicht direkt vom Regen abhängig. Die Unterscheidung ist für ein paar Reinheitsgebote wichtig, wie z. B. in 3. Mose 15,13. 1 000 Jahre nach Isaak nutzte der Prophet Jeremia den Unterscheid zwischen beiden Brunnenarten als Metapher (Jeremia 2,13). 650 Jahre nach Jeremia verwendete auch Jesus die Unterscheidung der Brunnenarten bei seinem Gespräch mit der samaritanischen Frau an Jakobs Brunnen (Johannes 4,10).

      Isaaks Brunnen sorgt für Spannungen und die Familie entscheidet sich nun, die Region komplett zu verlassen. Wohin? Beerscheba. Konsequent bleibt die Familie im Umkreis von 35−50 km im Nordwestnegev, einem überschaubaren Areal. Das ergibt Sinn, weil diese Region am Wüstenrand liegt und die Existenz für Nomaden gesichert ist. Wieso gehen sie nicht gleich in ein fruchtbares Gebiet wie Judäa, Samarien oder Galiläa? Als Fremdlinge ist das nicht so einfach. Dort ist alles schon bewohnt und bewirtschaftet.

      Ein weiteres Familiendrama naht. Jakobs Betrug an seinem Vater, bei dem er den Segen stiehlt, den sein Bruder Esau als Erstgeborener bekommen sollte, setzt dem relativ ruhigen Leben in Beerscheba ein Ende. Aus Angst vor seinem Zwillingsbruder flieht er zur Verwandtschaft nach Haran. Die Strecke kennen wir schon von Abrahams Reise nach Kanaan, von der Reise seines Knechtes, um eine Frau für Isaak zu holen, und von Rebekkas Reise ins Land. Jakob folgt der Bergstraße. In Hebron besucht er vielleicht noch die Grabstätte seiner Großeltern. 5−6 Tage nach Aufbruch legt er sich im Freien schlafen und träumt seinen berühmten Traum von der Leiter (Genesis 28,10-22), in Bethel, wo sein Großvater auf das Land blickte. Oberhalb des heutigen Bethel kann man eine schöne Anhöhe besuchen, die »Stätte des Traums Jakobs« genannt wird. Ob Jakob wirklich hier träumte, kann man nicht wissen, aber eine Kultstätte hat es hier schon seit der kanaanäischen Zeit gegeben, erzählen die Funde. Der Geograph und Historiker Prof. Zeev Vilnay schreibt, der Ort sei im israelitischen Reich als Ort des Altars Abrahams und des Traums Jakobs verehrt worden. Auch landschaftlich ist es sehr schön, auf der Anhöhe zu stehen, in die Weite zu blicken und zu wissen: Sehr viel anders war das Gelände nicht, an dem Jakob seinen Traum hatte. Steinig ist es. Zwischen den Felsen wachsen dornige Pflanzen, aber nicht überall. Eine gute Gelegenheit, einen Mittagsschlaf einzuschieben.

      HOCHZEITEN UND KAMELE

      Jakobs unplanmäßige Heirat mit der falschen

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