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Ihre Biografie macht Rahel zum Inbegriff einer auf einen Lebenspartner und auf ein Kind wartenden Frau. Die jüdische Tradition nimmt an, dass Rahel am 11. Cheschvan (Oktober/November) starb. An diesem Tag findet jährlich ein Fest an »Rahels Grab« in Bethlehem mit 100 000 Besuchern statt. Rahels Spuren prägen das Leben in Israel auch heute noch.

      JOSEF

      Nach weiteren 2-3 Tagen Fußweg kommt Jakob endlich an sein Ziel. Er will nach Hebron zu seinem Vater. Rabbi Tuvia Ben Elieser (11. Jh. in Mazedonien) errechnet: 91 Jahre alt war Jakob, als Josef geboren wurde, sechs weitere Jahre arbeitete er als Hirte, zwei Jahre war er unterwegs, so war er 99 Jahre alt, als er zu seinem Vater Isaak kam. Folglich war Isaak 159 Jahre alt, als Jakob aus Paddan Aram kam. Isaak lebte danach noch 21 Jahre. Wenn Josef mit 17 verkauft wurde, starb Isaak vier Jahre nach Josefs Verkauf (Lekach Tov, Bereschit 35). Jakob begräbt ihn, wie schon Abraham und Sara, in der Machpelahöhle. Auch er möchte eines Tages dort begraben werden. Nun lässt er sich in Hebron nieder.

      Josef wächst also in Hebron auf. Mit 17 Jahren kennt er die Bergstraße schon so gut, dass er allein zu seinen Brüdern nach Sichem geschickt werden kann,100 km entfernt.

      Begleiten wir Josef auf sein Abenteuer. Am dritten Tag kommt er am Grab seiner Mutter vorbei. Sicher schmerzt die Erinnerung noch immer. Auf dem Weg lauern Gefahren. Weiter nördlich führt die Straße durch das 100 m schmale Wadi Harramiyya. Der heutige arabische Name bedeutet »Räuberschlucht« und veranschaulicht das Risiko im 8 km langen bewaldeten Abschnitt ohne Fluchtmöglichkeiten. Gefährlich waren für Josef nicht nur Menschen. Im dichten Wald lebten auch Löwen und Bären. Doch er schafft es sicher nach Sichem – und findet seine Brüder nicht. Vier Tage umsonst gelaufen? So schnell gibt er nicht auf. Er geht zum Feld der Familie. Dass er eines Tages auf demselben Feld begraben und zu einer »lebenden Spur« im Leben des jüdischen Volkes noch Jahrtausende später werden wird, kann er nicht ahnen. Auf dem Feld begegnet er einem Mann, den er nach seinen Brüdern fragen kann. Ihm muss Josef nicht erklären, wer seine Brüder sind. Lange genug lebte die Familie in Sichem, dass der Mann Josef erkennt. Und das Grundstück besitzen sie ja nach wie vor. Der Mann weiß, dass die Brüder nach Dotan gehen wollten, und zeigt Josef den Weg.

      Dotan war eine wichtige kanaanäische Stadt an der Bergstraße, 28 km nördlich von Sichem. Der Name Dotan ist im Mund der einheimischen Araber unverändert geblieben. Zur Zeit Josefs war die Stadt schon 1 600 Jahre alt und 4 ha groß. Josef läuft einen weiteren ungeplanten Tag. Wo kann er die Brüder am besten antreffen? Früher oder später würden sie schon eine Wasserstelle aufsuchen müssen. Direkt unterhalb des Tels befinden sich drei Zisternen. Eine davon wurde im 17. Jh. n. Chr. auf 20 m vertieft und erreicht seitdem das Grundwasser. Später wurde in einem kleinen Häuschen neben ihr eine Viehkraftpumpe gebaut, die im 20. Jh. von den Briten durch eine Motorpumpe ersetzt wurde. Die zwei anderen Zisternen sind unverändert geblieben. An diesen Zisternen versteht man den Ablauf der biblischen Geschichte sofort. Von hier aus haben wir freie Sicht auf den Weg, der aus Sichem kommt.

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      ZISTERNEN VON DOTAN

      Josefs Brüder sind gerade an den Zisternen, als Josef aus Sichem kommt. Sie sehen ihn aus der Ferne, wie man auch heute jeden Passanten bis 800 m weit sehen kann. Sein gestreiftes Kleid macht ihn noch sichtbarer. Was machen die Brüder an den Zisternen? Hier haben sie ihre Herde wohl nicht weiden lassen, die direkte Umgebung ist voller Äcker und Haine, sodass kein Landbesitzer mit einer Herde einverstanden wäre. Doch zweimal am Tag muss das Vieh von den umliegenden Hügeln zum Wasser gebracht werden, frühmorgens und am Nachmittag. Wenn Josef am Morgen in Sichem losging, kommt er am Nachmittag an, wahrscheinlich zur zweiten Tränkzeit. Neben den Zisternen steht auch heute noch ein verlassenes Trink- und Waschbecken für Schafe. Die Anlage ist aus Beton, aber vielleicht ersetzt sie eine ältere.

      Versetzen wir uns kurz in die Lage der Brüder, während Josef näher kommt. Sie sind zwischen 18 und 24 Jahre alt. Warum sind sie alle so wütend auf ihn? Es geht nicht nur darum, dass Josef vom Vater mehr geliebt wird. Letztendlich geht es ums Geld: Josef ist fast der Jüngste und sein Vater behandelt ihn, als wäre er der Älteste. Älteste erben doppelt. Ein Blick in die Zukunft verrät uns, dass Josef später tatsächlich das Doppelte erben wird. Jeder Bruder wird Stammesvater von einem Stamm Israels werden, er von zwei, Ephraim und Manasse.

      Die Brüder stehen sicher vor mehreren Zisternen, weil sie planen, Josef erst zu ermorden und seine Leiche dann in eine der Zisternen zu werfen (Genesis 37,20). Vor den drei Zisternen Dotans versteht man warum. Im Radius von 2 km gibt es übrigens neun Zisternen. Sechs liegen vereinzelt, nur hier liegen drei beieinander.

      Ruben schlägt vor, Josef »in diese Zisterne, die in der Wüste ist« zu werfen (Genesis 37,22). Wüste? Es ist hier typisch mediterran, die nächste Wüste ist 100 km entfernt. Diesmal ist die Übersetzung korrekt. Auch im Hebräischen steht »Wüste«. Etliche Rabbiner kamen zu der Überzeugung, dass der Begriff Wüste in diesem Vers »trocken« bedeuten soll. Wahrscheinlich ist hier also nicht die Wüste, sondern eine Zisterne gemeint, die gerade leer war. In diese warfen die Brüder Josef also hinein.

      Wer die Geschichte kennt, weiß auch: Josef wird nicht ewig dort bleiben, sondern von vorbeiziehenden Händlern gerettet werden. Wenn wir Dotans Lage an der Bergstraße kennen, überrascht uns das Vorbeiziehen der Händler-Karawane nicht. Ihre Route vom Gilead nach Ägypten passt genau. Irgendwo bei Beit Shean überquerten sie den Jordan. Die Brüder verkaufen den verhassten kleinen Bruder als Sklaven. Die Geschäftsleute zahlen 20 Silberschekel, einen damals angemessenen Preis für einen Sklaven. 6

      JAKOBS TOD UND DIE SCHIV’A

      Die Geschichte geht weiter, wie wir sie kennen: Josef wird als Sklave nach Ägypten gebracht. Über Umwege wird er hier später als Pharaos rechte Hand herrschen. Nach einer dramatischen Wiedervereinigung mit seinen Brüdern lässt Josef seinen Vater zu sich nach Ägypten holen. Jakobs Weg, wahrscheinlich aus Hebron, führt über Beerscheba. Ausgerechnet hier, betont die Bibel, opferte Jakob dem Gott seines Vaters Isaak Schlachtopfer (Genesis 46,1). Jakob weiß sicher, dass sein Vater hier aufwuchs. Vielleicht musste er hier besonders an ihn denken und wollte Gott für den Bund mit seiner Familie danken. Fünf bis sieben Tage später ist Jakob am Nil, 17 Jahre später stirbt er dort. Als letzten Wunsch bittet er Josef darum, ihn im Familiengrab zu begraben. Nach Jakobs Einbalsamierung nach ägyptischer Art überführt ihn Josef mit den Brüdern und einer königlich-ägyptischen Begleitung nach Hebron. Dieses Mal wählen sie nicht die Kurzstrecke über Beerscheba. Der Text gibt Goren-Atad als Station an. Goren bedeutet »Tenne«, Atad ist eine Strauchart. Wo dieser Ort genau lag, wissen wir nicht, doch auf jeden Fall jenseits des Jordan (Genesis 50,10), vielleicht gar nicht so weit von Jericho. Wieso entscheidet sich Josef für diese Route hinter dem Toten Meer, obwohl sie die Strecke um mehr als die Hälfte verlängert? Rabbiner schlugen unterschiedliche Argumente vor. Etliche nahmen an, Josef wollte Ärger mit mächtigen kanaanäischen Königen in Südjudäa und im nördlichen Negev vermeiden. An der Tenne hielten sie eine siebentägige Trauerfeier. Sieben heißt auf Hebräisch Schiv’a. Bis heute werden jüdische Trauerfeiern als Schiv’a bezeichnet.

      Mit Jakobs Tod endet unsere Reise auf den Spuren der Erzväter. Für die Erzväter hieß das Land, das ihnen verheißen wurde, »Kanaan« und dessen Bevölkerung »Kanaaniter«. Aber wer waren eigentlich die Kanaaniter?

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      Wer waren die Kanaaniter?

      Die Sonderrolle des Landes beginnt mit Abrahams Ankunft vor über 3 750 Jahren. Damals hieß es Knaan, dt. »Kanaan«. Was verstehen wir unter Kanaan? Kanaan ist eine Bezeichnung für den Landstreifen am östlichen Mittelmeer zwischen Gaza und Ugarit im heutigen Syrien. Der Wortstamm bedeutete »Purpur«. Dieses Gebiet war bekannt als Zentrum der Purpurherstellung. Wenn damals von einem »Volk« die Rede war, meinte man die Bevölkerung einer Stadt

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