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wohl zu gönnen.

      Er sagte irgend so etwas.

      Ilse sah ihn offen an.

      „Ach nein, das ist nicht der Grund, daß ich Jutta Linden gebeten, zu mir zu kommen. Es ist eigentlich nur ein Zugeständnis an den Klatsch. Mir wurde hinterbracht, man hielte sich darüber auf, daß Sie und ich allein am Mittagstische säßen! Nicht wahr, das ist sehr drollig? Als ob etwas dabei wäre, wo Sie doch schon so lange auf dem Hofe sind, und wir beide uns ganz bestimmt nicht ineinander verlieben würden. Aber die Menschen sind manchmal wirklich zu blöd, nicht wahr?“

      Ulrich Werdenberg bestätigte: „Ja, die Menschen sind manchmal zu blöd.“

      Um seinen scharfgezeichneten Mund setzte sich dabei ein Lächeln fest, das ihm selbst weh tat.

      Er dachte, es war nur gut, daß Ilse Rauneck nichts von seiner Liebe ahnte, sonst hätte sie vielleicht darüber gelacht wie über einen guten Witz.

      Die junge Herrin des Rauneckhofes aber plauderte harmlos weiter.

      „Ich denke es mir sehr nett, wenn Jutta Linden hier mit mir leben wird. Aber Sie dürfen sich nicht in sie verlieben, denn dann würde ich Sie vielleicht verlieren. Inspektoren, die sich verheiraten, pachten sich dann zumindest gern einen eigenen Hof. Jutta ist nämlich sehr hübsch, oder vielleicht sogar schön. Von sehr aparter Schönheit. Es gibt nicht viele Frauen von ihrer Art. Ich jedenfalls habe noch keine gesehen, die ihr ähnelt.“

      Ulrich Werdenberg dachte: Mochte diese Jutta Linden an Schönheit selbst die Konkurrenz mit Helena aufnehmen, durch deren Reize einst der Trojanische Krieg entfacht wurde, ihn würde das sehr kühl lassen. In seinen Augen war und blieb Ilse Rauneck die Liebste und Schönste auf der ganzen Welt.

      Ilse sah ihn fragend an.

      „Sind Sie nun nicht sehr gespannt, Jutta Linden kennen zu lernen, Herr Inspektor?“

      „Ich kann das nicht gerade behaupten“, gab er zurück, „aber ich habe wohl im allgemeinen überhaupt zu wenig Interesse für Frauen.“

      „Es scheint mir auch so“, lächelte Ilse, „aber deshalb bin ich doppelt neugierig, was Sie zu der neuen Hausgenossin sagen werden.“

      Pünktlich erhielt Ilse Nachricht, wann und wo das Auto in Frankfurt am Main Jutta Linden abholen möge und so erwartete denn die Herrin des Rauneckhofes eines Vormittags die neue Hausgenossin.

      Sie hatte ihr das eigene Schlafzimmer eingeräumt, weil es besonders hübsche Tapeten hatte und freundlich sowie groß war. Hatte allerlei Möbel hineinstellen lassen, die es besonders behaglich machten.

      Jutta Linden sollte es auf dem Gutshof gefallen.

      III.

      Jutta Linden drückte sich bequem in die Polster des eleganten Mercedeswagens und fuhr einer neuen Etappe ihres Daseins entgegen.

      Hoffentlich fand sie nun ein bißchen Ruhe. Hoffentlich spielte sich Ilse nicht allzu sehr als die Herrin, die Brotgeberin auf, wie die Baronin Wildhard und vor ihr die alte Direktorswitwe Mohr, und vor ihr die kränkliche Rentiere Buschmann, und vor ihr —

      Ach was, nur nicht daran denken, wie oft sie schon ihre Stellung hatte wechseln müssen.

      Sie ließ sich nicht herumkommandieren, es lag ihr nicht.

      Aber Ilse Rauneck brauchte, wenn es sich umgehen ließ, gar nichts davon zu wissen, daß sie, bevor sie als Gesellschafterin nach Frankfurt kam, sich schon bei anderen Damen in anderen Städten versucht hatte.

      Ilse Rauneck machte auf sie nicht den Eindruck einer besonderen Menschenkennerin.

      Vielleicht boten sich ihr dadurch auf dem Hofe allerlei kleine Vorteile.

      Seitdem das glänzende elterliche Heim gewissermaßen über Nacht zusammengebrochen, hatte sie gelernt, immer nach Vorteilen für sich auszuspähen. Immer stand sie auf dem Sprunge, sich in irgendeine sorglose Existenz hineinzuretten.

      Jutta Linden hatte die eine Fensterscheibe heruntergelassen, die frische Luft, die von den Taunusbergen herwehte, tat ihr gut. Sie atmete sie tief in die Lungen.

      So ein Auto wie dieses hatte ihr bei den Eltern auch zur Verfügung gestanden. Es war wunderschön, sich so bequem dahintragen zu lassen.

      Immer näher kamen die Berge, schoben sich wie Kulissen vor, und dann erwuchs, hinter Gehöften und ein paar rasch durchfahrenen Dörfern, ein mächtiger Gebäudekomplex, überragt von einem alten runden Turm.

      Eine hohe Mauer umgab das Ganze.

      Jutta Linden nahm an, es müsse der Gutsbesitz irgendeines Feudalherrn sein.

      Bald würde nun wohl auch der Rauneckhof auftauchen.

      Aber was bedeutete denn das? Der Chauffeur steuerte das Auto direkt auf die breite Einfahrt des großen Gutes zu?

      Das war doch nicht etwa der Rauneckhof, unter dem sie sich zwar ein Gut vorgestellt, weil Ilse geäußert, ihres Vaters Vorfahren waren Bauern, die sich durch Generationen zu Gutsherren wandelten, aber sie war weit entfernt davon gewesen, ein derartiges Besitztum zu erwarten.

      Gallebitterer Neid erfüllte sie.

      Kaum der Beachtung wert dünkte ihr Ilse Rauneck damals in der Pension.

      Wie sehr sie sich doch geirrt hatte.

      Das Auto hielt vor einer niedrigen Freitreppe, auf der eben Ilse erschien und Jutta herzlich willkommen hieß.

      Der Chauffeur belud sich mit dem großen Kabinenkoffer der Angekommenen und trug ihn ins Haus, und Ilse geleitete die überschlanke Jutta in ihr Zimmer, ließ sie dann allein, nachdem sie ihr erklärt, in einer halben Stunde würde gegessen und sie würde sie dazu abholen.

      Jetzt hatte Jutta Linden Muße, sich umzusehen.

      Ein sehr hübsches Zimmer hatte ihr Ilse gegeben, sie durfte damit zufrieden sein, stellte sie fest.

      Alles duftete förmlich vor Sauberkeit. Die schneeweißen Tüllgardinen vor den Fenstern und die ebenso weißen Vorhänge am Frisiertisch. Glänzend polierte Möbel aus der Biedermeierzeit gab es, dazu ein paar Porträts aus jenen Tagen.

      Ein großer Teppich deckte vollständig den Boden und ein niedriger, bemalter Kachelofen strömte behagliche Wärme aus.

      Das Neidgefühl in Jutta Linden war etwas zurückgedrängt worden vor dem Behagen, das die Umgebung in ihr auslöste.

      Sie setzte den Hut ab und bürstete ihr rotgoldenes Haar leicht nach hinten.

      Wundervoll war der Haaransatz über der niedrigen, wie aus feinstem bläulichweißem Porzellan geformten Stirn. Vor den kleinen schön geformten Ohren lagen lange eigenwillige Löckchen, und der vielleicht ein wenig zu schmale Hals trug das Köpfchen so stolz und frei, wie den einer Fürstin.

      Jutta trat’ an das eine Fenster.

      Sie gewann einen Blick in den Park, der um diese Jahreszeit kahl und öde schien. Durch die Baumstämme sah sie hellgraue Steinfiguren schimmern.

      Sie dachte, wie schön es hier sein müßte im Frühling und Sommer.

      Sie trat nun an das Fenster der anderen Wand und erblickte über ein Stückchen Hof den alten runden Turm, der ihr vorhin bei der Herfahrt besonders aufgefallen war.

      Eine verrostete Wetterfahne saß hoch oben und bewegte sich leicht.

      Es klopfte. Ilse stand auf der Schwelle.

      „Nun, bist du schon ein bißchen heimisch hier geworden?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, meinte sie: „Aber das geht natürlich doch nicht so schnell! Komm nur, Jutta, jetzt wollen wir essen gehen, du wirst sicher Hunger haben. Und bei Tisch lernst du auch gleich Inspektor Werdenberg kennen, der meines Vaters rechte Hand gewesen.“

      Sie faßte die etwas Kleinere unter und führte sie durch verschiedene lange Gänge nach dem Eßzimmer.

      Sie ließ Jutta zuerst eintreten.

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