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hervor. Nuschke schrie am lautesten und lachte jedesmal, sobald ihm etwas gegen den Strich ging; in solchen Dingen unterdrückte er gern seine Überzeugung und liess seine Witze los, um recht zu behalten.

      „Der Ruhm ist ein schwaches Weib, das heute steht und morgen fällt,“ rief Lorensen eifrig und wiederholte es mehrmals, weil er ganz etwas Besonderes gesagt zu haben glaubte.

      „Sehr richtig! Wer besitzt mehr Launen als ein Frauenzimmer,“ übertönte ihn Blankert. „Das habe ich neulich erst erlebt. Eine ganze Stunde habe ich vergeblich an der Normaluhr gewartet. Mein Mädel kam nicht.“

      Selbst Kempen musste lachen, wogegen Nuschke, neidisch auf den Erfolg dieses Witzes, sich einen „anderen Gast“ ausbat.

      Dann aber behandelte Blankert die Sache doch ernst. „Schliesslich hat Lorensen doch recht,“ sagte er wieder, indem er auf seinen langen Beinen im Zimmer umherstelzte, „schon deswegen, weil wir Künstler ohne die Weiber nicht leben können. Was sollten wir wohl machen, wenn wir keine Modelle hätten! Mancher alte Kracker, der heute als Grosser rumläuft, würde seinen Lorbeer hübsch zerfetzt sehen, wenn der weibliche Ateliergeist ihm ausbliebe. Na, und von der Liebe, die uns inspiriert, will ich gar nicht reden! Etwas fürs Herz müssen wir immer haben. Ergo: Das Weib führt immer zum Siege.“

      Plötzlich mischte sich Kempen hinein, der nach seiner Gewohnheit wenig gesprochen hatte. „Ach, was wollt Ihr denn! Der Schöpfer ist immer der Mann, und der Ruhm ist ein Zwillingsbruder von ihm,“ knurrte er hervor, wobei er die kurze Holzpfeife nicht aus dem Munde liess. „Glaubt es mir. Das Weib ist nur die Begleiterscheinung, die wir als notwendiges Übel mit in den Kauf nehmen müssen, der Parasit, der sich an uns vollsaugt und uns die beste Kraft nimmt, sobald wir ihn nicht überwinden können. Sie sind gerade gut genug, uns die Suppen zu kochen und die Strümpfe zu stopfen. Glaubt es mir. Man muss sich ja doch aus einem Dutzend zusammensuchen, was der einen fehlt, die wir brauchen.“

      Alle lachten, weil sie ihn kannten. Nuschke jedoch rief sofort: „Hermann, das hast du wieder einmal gut gesagt.“ Und als die andern nun eifrig dagegen sprachen, fuhr er mit erhobener Stimme fort: „Aber natürlich doch, es ist so, es ist so! Das Weib ist schöpferisch immer subaltern und kann nur reproduktiv wirken. Seht Euch doch die ganze moderne Frauenbewegung an, dann habt Ihr den Beweis dafür. Wo ist da Grösse, wo der geniale Zug? Wenn sie malen, sind’s Blumen und Stilleben. Lampenschirme, Fächer, Ofenvorsetzer sind das Schlachtfeld, auf dem sie sich messen. Und wenn sie modellieren, dann gibt’s Vasen mit Schlangen und Nixenköpfe mit Seerosen an der Brust. Was sie den Männern abgeguckt haben, bringen sie als dritten Aufguss glücklich auf die Tafel . . . Jawohl, mein lieber Sohn Lorensen — du bist natürlich schon total verweiblicht, daher deine Opposition in solchen Dingen . . . Prosit, Kempen, auf dich als Schöpfer!“

      „Dein Lieblingsthema!“ rief ihm der Holsteiner zu und wickelte ein langes Redeknäuel auf, in dem er sich schliesslich verhaspelte. Stets auf der Suche nach Bildung, las er alles, was ihm unter die Augen kam, und verteidigte dann mit Zähigkeit die Ergebnisse seiner letzten Geisteswanderung. So hatte er einen Zeitschriftartikel: „Die Frau in der Kunst“ noch nicht gehörig in sich verarbeitet und schwamm nun in dem Gedankenstrom des Verfassers. „Die Frauen sind bisher immer von den Männern unterdrückt worden, ihre Sklavinnen gewesen,“ kaute er sorgsam wieder, was er in sich aufgenommen hatte, „sie sind immer als Menschen zweiter Güte behandelt worden.“

      „Das sind sie auch,“ schrie ihn Nuschke nun fuchswild an. „Schon die Natur hat sie dazu gestempelt, denn sonst würden sie nicht mit breiten Hüften auf die Welt gekommen sein, die nur dazu geschaffen sind, die Röcke festzuhalten. Der Mann jedoch schreitet in seiner ganzen Gloriole dahin —.“

      „Und zeigt dafür auch manchmal seine krummen Beine,“ warf Blankert rasch ein. „Ob das nun gerade ästhetisch ist . . .“

      „Und die George Sand, die Rosa Bonheur, wie?“ mischte sich Schmarr hinein.

      „Ach, das sind Ausnahmen,“ erwiderte Nuschke. „Entschieden ein Versehen der Natur. Sie fühlten es auch, sonst wären sie nicht in Männerkleidern herumgelaufen.“ Und plötzlich, als Lorensen mit seiner Gegenmeinung schon erschöpft war, begann er, ihnen allen aufs neue einen schlagenden Beweis für seine Behauptung zu geben, worauf er erst kürzlich nach ernstem Denken gekommen sei. Man spreche so viel von der Gefühlswelt im Weibe, von der Weichheit seines Seelenlebens, von der Empfindungszartheit der Frau. Mitleid sei der Grundzug ihres Wesens, göttliche Schwäche ihre Stärke, Anschmiegung und Hingebung die köstlichsten Seiten ihrer Natur. Alles in ihr vereinige sich zu einem grossen Orchester herrlichster Töne, das die Männer mit Circengewalt in den Musikrausch dieses Geschlechts treibe. Und doch sei es dem Weibe gerade am meisten versagt, dieses innere Leben in das umzusetzen, wozu es von Natur geradezu geschaffen sei: in Töne nämlich. Die Kunst der Tondichtung sei ihm völlig verschlossen, denn nirgends höre man von einer Komponistin, nicht einmal von einer solchen, die ein klangvolles Lied zustande gebracht habe, ganz zu schweigen von einer Sonate, einer Symphonie, oder gar von einer Oper! Das könne gar nicht scharf genug betont werden, um die Schöpferohnmacht des Weibes gründlich festzunageln. Es sei und bleibe nur Mitempfinderin, die wohlige Schlingpflanze am starken Lebensbaum des Mannes, die kümmerlich am Boden dahinkriechen müsse, wenn sie ihren mächtigen Halt verliere; ihr Saft würde vertrocknen und ihre natürliche Kraft verderben. Die Natur lasse sich eben nicht meistern, sondern wandle ihre ewigen, fest vorgeschriebenen Bahnen.“

      Alle waren über diese neue Auslegung verblüfft und schwiegen still, um sich erst zu sammeln. Nuschke jedoch benutzte diese Pause und liess sofort den Schalk in ihm wieder steigen, indem er vergnügt ausrief: „Deshalb sage ich: die beste Frauenbewegung ist ein guter Walzer . . . Spielt nur gehörig auf, und sie werden sich sorglos in Eure Arme hängen, die Führung Euch überlassend. Schon Eva tanzte, als die Vögel sangen. Der Geist des Weibes liegt in seinen Reizen. Basta.“

      In dem lauten Lachen, das jeden Widerspruch auflöste, wurde dreimal so stark geklopft, dass Kempen fast erschreckt die Tür öffnete.

      III.

      Bildhauer Walzmann schob sich auf seinen kurzen Beinen herein, halb seitwärts, in jener eigentümlichen Gangart, die durch die rechte emporgezogene Schulter hervorgerufen wurde, hinter der das mächtige Haupt eingeengt, fast haltlos lag. Etwas Monumentales sprach aus diesem Kopf, der, fest gefügt, den wackligen Körper mit seiner Wucht zu erdrücken versuchte, so dass die Beine mit dem hervorgekehrten Knie etwas Schlotterndes hatten.

      „’n Abend, Kollegen, ’n Abend,“ sagte er eintönig mit seiner verrosteten Stimme, ging im Kreise umher und schüttelte jedem kräftig die Hand. „Ich suchte dich schon, ich suchte dich schon,“ wandte er sich dann sofort an Kempen. „Es gibt zu tun. Neue Nahrung! . . . Unhöfliche Menschen hier im Hause! Dja. Kann man auch nicht wissen, dass du vier Treppen wohnst. Dja. Die Maler ziehen nächstens in den Keller. Verkehrte Welt.“

      Jeden, der zum Bau gehörte, nannte er du, wie ein Fürst, der besondere Gnaden erteilt, wobei es ihm gleichgültig war, mit welcher Anrede man ihn bedachte. Im Dunkeln hatte er bereits die beiden grossen Höfe hinten abgesucht, um die Spuren der Freunde zu entdecken, bis man ihn schliesslich hier hinauf wies.

      „Wie geht’s Ihnen, Meister?“ sagte Kempen, der ihn mit sichtlicher Achtung behandelte.

      „Danke, danke,“ erwiderte Walzmann in seinem Telegraphenstil, klemmte den schäbigen Schlapphut unter den linken Arm und kraute sich mit der Rechten in dem kurzen, stark ergrauten Flockenhaar. „Man vegetiert. Backt seinen Kunstmist ruhig weiter . . . Dja. Und Ihr lebt bon. Prasst. Habt wohl geerbt? Kann mir nie passieren. Ich beerbe mich selbst. Meinen Kadaver. Ist auch danach. Krepiere ich, heulen nur die Professoren.“

      Alle Berühmtheiten unter den Bildhauern bezeichnete er mit diesem Sammelbegriff, wodurch er seinen grausigen Spott zum Ausdruck brachte. Er hatte den Geruch von feuchtem Gips mit hereingebracht, den ganzen strengen Duft der Arbeit, den er ewig mit sich herumtrug. Weisse Spritzerchen sassen ihm noch auf dem Gesicht und hafteten an seinem pfefferfarbigen Rock, der liederlich einen Knopf baumeln liess. Die engen Beinkleider langten nach unten nicht, so dass die Strippen der Stiefel sichtbar wurden. Etwas Weltabgeschiedenes war mit ihm hereingekommen,

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