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Frau, sie kreischte, »ich will sofort zu meinem Mann.« Pierre hielt sie jetzt in seinen Armen. Sie war ziemlich schwer. »Den Notarztwagen«, schrie jemand, »schnell!« »Meine Kinder«, schrie die Frau jetzt in Pierres Armen, »meine Kinder …«

      »Halt den Mund, hysterische Gans«, sagte Pierre, »ist ja alles in Ordnung.« Dann tat es ihm leid, weil er so grob war.

      Brune war da und hob den Bogen Papier auf. Petit half Pierre beim Tragen, der Notarztwagen kam mit heulender Sirene.

      »Petit, fahr mit und frag sie aus«, hörte man Trudeaus Stimme. »Brune, gib mir das Papier.« Seltsam, den alten Trud verstand man immer, mochte es noch so laut sein. »Er hat eine Geisel freigelassen mit einer Nachricht«, schrie der Major.

      Pierre half beim Einladen in den Notarztwagen. Er sah, wie Petit sich neben die Tragbahre hockte. »Werden Sie jetzt nicht ohnmächtig, Madame«, hörte Pierre, »für Sie ist alles vorbei, alles in Ordnung.« Dann fuhr der Wagen ab, die Sirenen wurden leiser. Pierre steckte den Daumen in den Mund. Beim Einladen hatte er sich an der Tür angeschlagen, der Daumen schmerzte.

      Sie drängten sich wieder alle zusammen, beim Auto des Vizepräsidenten. Die Puppe für seine Tochter konnte er also auch heute nicht holen, sicherlich nicht. Wird ein langer Tag, hatte der alte Trudeau gesagt. So eine beschissene Beidiensttour, und es hatte so ruhig begonnen. Dabei war es erst kurz nach neun. Er ging hinüber zu den anderen.

      »Ein Aufruf der Roten Armee-Fraktion«, sagte Trudeau gerade gelassen. »Der Gangster fordert, daß das Zeug in den Zwölfuhrnachrichten im Rundfunk verlesen wird. Brune, gib den Text per Funk an die Zentrale, dann schick den Zettel ins Erkennungsamt.«

      »Kommt gar nicht in Frage«, sagte der Vizepräsident wütend. »Kommt gar nicht in Frage, daß wir diesen Mist im Radio verlautbaren lassen.«

      »Der Aufruf ist mit Maschine getippt«, sagte Trudeau, »das Papier war also vorbereitet. Sie sehen, ich hatte recht, es wird ein langer Tag. Wo ist Pierre?«

      »Hier, Chef«, schrie Pierre.

      »Bleib in meiner Nähe«, sagte Trud.

      »Ja, Chef.« Dann hörte er Brune, der den Text des Schreibens in ein Sprechfunkgerät brüllte.

      »Ich glaub es nicht, Präsident, es spricht viel dagegen. In ein paar Stunden wissen wir mehr.« Das war wieder Trudeau. Der Vizepräsident hatte ihn gefragt, ob hier wirklich politische Motive, ob wirklich die Rote Armee-Fraktion am Werk wäre.

      »… die Polizei ist anzuweisen, nicht zu schießen. In der Bank darf sich keine Polizei aufhalten, sonst wird alle fünf Minuten eine Geisel erschossen …«, las Brune in sein Sprechfunkgerät. Und dann weiter: »Der Innenminister sagt in den Zwölfuhrnachrichten folgenden Text: Die RAF hat in ihrem berechtigten Kampf für die Unterdrückten und gegen Imperialismus und Kapitalismus Kriegsgefangene gemacht, für diese gilt das Kriegsrecht. Sie werden ausgetauscht für das Geld der kapitalistischen Machthaber dieser Bank. Die RAF ist unter folgenden Bedingungen bereit …« Brune las weiter, er hatte aufgehört zu brüllen.

      Wo der Direktor denn jetzt wieder sei, verdammt noch einmal, der Bankdirektor, wollte Trudeau wissen. Der Direktor war nicht zu sehen.

      »Gerade war er noch da«, rief der Major, »gerade …« »Bringt ihn her«, sagte der Chefinspektor ärgerlich und ein paar Polizisten riefen nach dem Direktor und plötzlich stand er da, ein wenig atemlos, er schnaufte. In dem Geschäft nebenan, auf der Toilette wäre er gewesen, er habe einen chronischen Darmkatarrh und bei Aufregungen. »Sie verstehen …«, sagte er und Brune und Pierre grinsten. »Er hat sich angeschissen …«, sagte Brune leise. »Die Schalterhalle mündet hinten in einen viereckigen Raum«, sagte Trudeau. Als ob das nicht alle schon wüßten, mit Ausnahme des Vizepräsidenten vielleicht. »Hinter der Ecke links ist eine Tür. Der Gangster sitzt davor und hält die Geiseln in Schach. Er ist maskiert. Wohin geht’s von dieser Tür, Monsieur Directeur?«

      »In den Saferaum«, sagte der Direktor eifrig. »In den Saferaum.« Die Tür wäre nicht versperrt, war ja schon Geschäftszeit. Die Schlüssel zu den Safes habe der Prokurist Leblanc, er befinde sich unter den Geiseln. Etwa fünf Millionen Franc wären im Saferaum. Und noch etwa eine halbe Million in Valuten. Brune pfiff durch die Zähne. Wie es aussähe in diesem Saferaum, wollte Trudeau wissen. Er schien ungeduldig. Wieviel Geld da unten lag, interessierte ihn offenbar wenig.

      »Unmittelbar hinter dieser Tür führt die Treppe hinunter in den Saferaum«, sagte der Direktor. »Etwa zwanzig Stufen, der Saferaum ist in sich vollkommen abgeschlossen. Betonwände, keine Türen oder Fenster. Nur eine Klimaanlage. Man kann von dort nur über diese Treppe in den Kassenraum. Es gibt keine andere Möglichkeit.« »Hm«, machte der Chefinspektor und dann ebenso leise: »Woher er das gewußt hat?«

      Er könne die Pläne, die Baupläne der Bank besorgen, meinte der Direktor noch, in einer halben Stunde könnten die Pläne hier sein. Trudeau wollte keine Baupläne sehen, aber der Major war ganz scharf darauf und der Direktor schickte jemanden weg.

      »Wieso soll er wissen, daß man durch den Saferaum nicht raus kann, Chef«, fragte Pierre. »Er war doch gar nicht unten?«

      »Das nicht«, meinte Trudeau gütig, »das nicht. Aber ich sagte ja schon: Er sitzt mit dem Rücken zu dieser Tür. Wenn man durch die Tür nur in den Saferaum kommt und nicht weiter, kann man auch nicht von außen in den Saferaum und dann zur Tür. Das muß er wohl wissen, sonst säße er nicht so ruhig dort. Wenn’s ginge, da wären wir ja schon hinter ihm bei der Tür, nicht wahr, Pierre?«

      »Ja, Chef«, sagte Pierre und »aha«. Er kam sich im Moment nicht sehr gescheit vor.

      »Ich versteh auch nicht, warum er flüstert«, brummte Trud.

      »Verstehst du das?«

      »Er flüstert?«

      »Ja, er flüstert einer Geisel vor ihm ins Ohr und der schreit dann seine Anordnungen laut. Der arme Kerl ist schon ganz hysterisch. Warum schreit die Rote Armee nicht selber, Pierre?«

      Pierre wußte es auch nicht. »Vielleicht ist er heiser«, sagte er dann, aber niemand lachte.

      »Ich muß telefonieren«, sagte der Chefinspektor plötzlich und zur allgemeinen Verwunderung. »Brune, ruf das Präsidium an und hol mir den alten François vom E-Referat an den Hörer. Sie gestatten doch, Präsident?« Der Vizepräsident nickte. Brune stieg in den Wagen und schnappte nach dem Telefonhörer.

      Pierre verstand überhaupt nichts mehr. Chefinspektor François war Leiter der Einbruchsgruppe und der Spezialist für Kassenschränker. Er war überdies derselbe Jahrgang wie Trudeau und irgendwie war’s komisch, wenn Trudeau vom »alten François« sprach. Wofür nun ein Spezialist für Kassenschränke in dieser Situation gut sein sollte, wußten höchstens der liebe Gott und Papa Trud. Pierre jedenfalls wußte es ganz sicher nicht.

      Petit war plötzlich wieder da, ein wenig atemlos. Das war aber schnell gegangen. »Nichts Besonderes, Chef«, berichtete er. »Die Alte ist eine Bankkundin. Sie war eine der ersten heute morgen und war schon beim Schalter. Schalter sieben, wurde gerade bedient. Sie hörte drei oder vier Schüsse und sah, wie der Schwarzmaskierte die Alarmkameras runterschoß. Dann trieb er sie alle zusammen nach hinten. Er sprach kein Wort dabei, nur durch Gesten jagte er sie wie eine Schafherde. Hat eine MP und eine Pistole, großes Format, sagte die Alte.«

      So alt war die Frau doch gar nicht, mußte Pierre denken. »Die Männer knien vor ihm, die Weiber sitzen auf Sesseln. Der Maskierte flüstert dem Prokuristen was ins Ohr und der schreit dann seine Befehle laut. Leblanc heißt der Prokurist, die Alte kennt ihn, sie ist Stammkundin. Nachdem Sie drinnen waren, Chef, zog der Maskierte ein Papier aus der Tasche. Er gab es diesem Leblanc und flüsterte. Leblanc rief dann die Alte und schrie, das wäre ein Aufruf der Roten Armee und sie solle das Zeug rausbringen. Sie lief dann mit dem Papier raus. Das ist alles, Chef.«

      »Bleib in der Nähe, Petit«, sagte Trudeau. Brune kletterte aus dem Präsidentenwagen. »François ist dran, Chef«, sagte er. Trudeau kroch in das Fahrzeug und Brune zündete eine Zigarette an.

      »Wieso ist eigentlich der Vizepräsident

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