Скачать книгу

los. Die Geiger pfiffen in Takt. Es ging weiter.

      „Lill, pass’ doch auf . . . Ich treť Dir sonst heilig mal auf den Fuss!“

      „Hast Du schon!. . . Wenn man so denkt: in dem andern Haus — dort drüben — tanzen sie jetzt auch . . .“

      „Wenn’s den Leuten Spass macht!“

      „Genau wie hier! Es ist lächerlich: Absolut kein Unterschied!“

      „Sehr schmeichelhaft!“

      „Die drüben denken: sie sind irgend was! Und wir hier denken: nee — wir sind’s! Wer hat nun recht?“

      „Lill — das ist aufgelegter Quatsch . . . Au — warum krallst Du Dich denn mir auf einmal so in die Schulter? . . Wen ich da im Vorbeitanzen gegrüsst hab’? . . .! ’ne alte Exzellenz aus Berlin — aus ’nem Nachbarministerium . . .“

      „Sind dem seine Orden auch aus Pappe?“

      „Lill — Du phantasierst . . .“

      „Ist kein Prinz hier im Lokal? Glaubt nur dem nicht! Das ist ein Friseur . . . Dort steht der Hoteldirektor! Der wird Dir gleich erzählen, dass er der liebe Gott ist! . . Kenn’ ich. .“

      „Lill — nu aber Schluss mit Spiel und Tanz! Nun verzieh Dich gefälligst mit mir in den Drawing-Room! Setz’ Dich mal da hin . . . Was los ist?“ Yo Wiebe wandte sich zu Geo und Rix, die ihm gefolgt waren. „Nerven-Baisse bei der Lill!“

      „Wart’! Ich bring’ Dich in unser Zimmer hinauf!“ Bine fasste sie unter dem Arm. „Du bist viel zu aufgeregt!“

      „Das haben sie mir drüben auch gesagt . .“ Lill langte sich mit unruhigen Fingern eine Zigarette aus ihrem Silberdöschen. „Ich sag’s ja: Ihr dreht genau denselben Leierkasten . . .“

      „Man sollt’ wirklich den Doktor . . .“

      „Ach — lasst mich mit dem Doktor in Frieden!“ Lill stand auf. „Wilm: Feuer! . . . Mab: Aschenbecher! . . . danke . . . Ich weiss bloss seit einer Stunde mehr als Ihr! . . . Kinder . . . Ich war da drüben in der Anstalt . . .“

      „Nu — wenn schon . . .“ Lämmchen Jericho stiess heftig mit der Zunge an. „Anstalt . . . Anstalt . . . Anstalt . . . So Anstalten gibt’s viele.“

      „Eben. Das gibt’s“, sprach Lill. „Und wir haben keine blasse Ahnung . . . Fips — wenn Du wüsstest, wie wenig Deine ironischen Naslöcher zu dem passen, was ich sage! — wir sind wie die Spatzen: wir denken über nichts nach.“

      „Die Lill philosophiert!“

      „Wir glauben, es muss so sein. Wir leben so hin!“

      „Ausgerechnet die Lill philosophiert!“

      „Aber nun sieht man mal die Kehrseite vom Leben! Ach — — ich bin so nachdenklich . . . so gedrückt . . . Tanzt Ihr nur weiter . . . Gute Nacht! . . . Nein — nein . . . Komm keine mit mir ’rauf! Ich geh’ jetzt schlafen!“

      2. Kapitel

      Wer klopft denn da draussen? Mab? . . . Komm nur ’rein!“

      Die spillerige Mab Immich schlüpfte durch den vorsichtig geöffneten Türspalt in das Hotelzimmer. Drinnen, auf dem Teppich, stand Lill auf dem Kopf, ein Handtuch unter dem hintenübergefallenen, dunkelblonden Schopf. Sie stützte sich, in einem eng anliegenden, schwarzen Badetrikot, auf den Nacken und die schmalen, ausgestreckten Arme und betrachtete aufmerksam von unten her ihre rosigen Fussspitzen. Ihr hübsches Gesicht war leicht von der Anstrengung gerötet. Es trug einen sachlichen Ausdruck. Ebenso fachmännisch kommandierte die dunkle Bine Herold, auch in knappem Schwarz, breitbeinig dastehend, Hüften fest, nachdem sie die Türe wieder verriegelt hatte:

      „Kniee durchdrücken! . . . Energischere Rückenarbeit bis zum Darmbein! Besseres Gleichgewicht zwischen Kapuzenmuskeln und Schulterblättern . . . Du wackelst wie ein Meergreis . . .“

      Lill atmete langsam und tief und reckte sich elastisch. Ihr gertenschlanker Körper stand wie der einer Akrobatin im Zirkus beinahe durchsichtig dünn in der Luft. Sie konnte die Mab nur mit einem vertraulichen Augenzwinkern vom Teppich her begrüssen, und die frug:

      „Na — Dir geht’s ja, scheint es, wieder ganz gut, dass Du die Kerze machst!“

      „Blendend!“ Lill kippte mit gereckten langen Beinen nach vorn, sass auf dem Boden, federte im Schlusssprung in die Höhe, stand. „Jetzt morgens, bei heller Sonne, kommt man sich ja nachträglich blödsinnig vor . . . Ich hab’ mich unter der kalten Dusche direkt geschämt, dass ich mich gestern abend so kindisch aufgeregt hab’! . . . Wozu denn eigentlich? Antreten, Bine! Jetzt kommst Du dran! . . . Ich hab’ gedacht, ich würde von den Verrückten träumen . . .“

      „. . . und wie ich ’raufkam, schlief sie wie ’ne Ratte!“ Die weiche, kleine, dunkle Bine Herold stellte sich in Positur. Es war immer gut, wenn man sich beim Mensendiecken gegenseitig auf Fehler überwachte. Lill begann sich anzuziehen und drillte dazwischen energisch die andere. Ihre junge Stimme klang hell und laut.

      „Los! Extrem energisierte Angriffsstellung! . . . Vornüber! . . . Äusserste vertikale Gleichgewichtsgrenze! Halt!. . .“

      „Nun hört mal . . .“, begann Mab erregt. Lill befahl weiter:

      „Zurück! Höchster Grad von Energisierung in vertikaler Richtung! Bauch ’rein — zum Donnerwetter — Bine!“

      „Ich hab’ doch gar keinen!“ klagte Bine Herold vorwurfsvoll. Ihr weiches Kindergesicht mit den dunklen Rätselaugen glich einer weinerlichen, kleinen Heiligen.

      „Aber eine verbrecherische Neigung dazu! . . . Rückkehr zur grossen Streckung . . . Normalstellung . . . Relaxiertes Kreisen um die Taille . . . Tut Dir sehr gut, meine Tochter!“

      „Man kommt eben zu spät auf die Welt!“, sagte die schöne Bine, atemlos von dem Versuch, mit den Fingerspitzen rückwärts die Fersen zu erreichen. „Vor zehn Jahren wär’ ich noch richtig gewesen — mit Taille und Alles rund und weich, wie man eigentlich sein soll! Aber jetzt führen die blonden Heringe wie die Lill das grosse Wort! Es ist ein furchtbares Unrecht . . .“

      „Du wirkst verheerend genug, wenn Du Dir Mühe gibst!“ sagte Lill, vor dem Spiegel mit ihren zerdrückten Dauerwellen beschäftigt.

      „Und sie gibt sich immer Mühe!“ ergänzte die Mab, die wie eine schattenhafte Fledermaus zwischen den beiden schönen Mädchen hin- und hergeisterte und Lill bediente. „Aber nun sperr’ doch mal die Ohren auf: Also Orff hat doch der Bine gedrahtet, sie solle Punkt sieben unweigerlich zum Training am Plazt sein . . .“

      „Das solt’ mir mal einer bieten!“ Lill musterte sich kühl und selbstbewusst im Spiegel. Aber sie griff, nachdem der Name Orff gefallen war, doch noch einmal halbzerstreut nach Brenneisen und Puderquaste. Es waren da noch so ein paar kleine Schönheitsreparaturen . . . So ein stilles: Klar zum Gefecht . . .

      „Na — und was ist denn nun weiter?“ erkundigte sie sich. Die Mab wies geheimnisvoll und empört auf die schöne Herold.

      „Die Bine? . . . Das Faultier hat bis jetzt gepennt! Nun bitte! . . Sie hat bis fünf getanzt! . . . Na — in der ihrer Haut möcht’ ich nicht stecken, wenn sie nachher dem Robby begegnet!“

      „Dieser Robby fängt nachgerade an, mir fürchterlich zu werden!“ Lill stand, mit blossen Armen, in weissem, gefälteltem Tenniskleid und weissen Schuhen, eine weisse Stirnbinde um den blonden Kopf. „Also ich geh’ jetzt frühstücken!“

      . . . Wenn man das Frühstücken nennen konnte. . . Lil sass in der warmen Herbstmorgensonne auf der Hotelterrasse und schob mit einer gewohnheitsmässigen energischen Bewegung des Abscheus die Zuckerschale und die Sahnenkanne wie Giftbehälter von sich. Sie scheuchte die kleinen Kellner, die Marmelade und Honig und andere Fettbildner heranschleppten, händeklatschend wie die Hühner und goss sich leeren, starken Tee ein. Ein paar Zwiebacke. Ein Kleckschen Butter, wie auf der Briefwaage abgemessen. Schluss!

Скачать книгу