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welchen Schwindler sind Sie denn da hereingefallen?“

      „Der König von Montenegro!“

      „Den gibt’s ja längst nicht mehr!“

      „Lenin!“

      „Der ist ja tot, Verehrtester!“

      „Das macht doch nichts!“ sagte der Hoteldirektor. „Das stört doch hier nicht! Gestern kamen Herrschaften im Flugzeug vom Mars!“

      „Sie sind wohl verrückt!“

      „Bitte — ich muss das doch wissen! Ich muss doch wissen, wen ich alles unter mir hab’! Ich bin doch der liebe Gott!“

      Der Hoteldirektor schwieg und schaute leidvoll mit gerungenen Händen vor sich nieder. Lill schlich mit angehaltenem Atem, ganz leise, auf den Fussspitzen, von ihm fort, ohne dass er es beachtete. Sie spürte kleine Eisperlen auf der Stirn — den richtigen, kalten Angstschweiss — einen Schüttelfrost von Gänsehaut den ganzen Rücken entlang. Sie kriegte dann Luft. Sie stand vor einem der ebenerdigen Fenster, die auf den Garten hinausgingen. Den umgab, im Mondschein weithin sichtbar, rings eine düstere, hohe Mauer. Und jetzt sah Lill erst: vor den Scheiben kreuzten sich dicke Eisenstangen wie in einem Gefängnis. Auf einmal begriff sie: die drei Spiesser am Bahnhof haben sich einen Witz gemacht und mich statt ins Kurhaus in die Irrenanstalt geschickt . . .

      Wahrscheinlich haben die Brüder gewusst, dass da heut die Verrückten tanzen! Deswegen haben sie noch so schmierig gelacht, um die Ecke ’rum! . . . Da sitzt man nun fest . . .! O Gottchen . . .o Gottchen . . . Nichts wie ’raus! . . .

      Lill hastete durch den Saal. Sie huschte an dem General vorbei. Es war kein General. Sie sah jetzt: Seine Orden waren aus Pappe und Goldpapier. Eine mittelalterliche, bleiche Dame hob ängstlich die Hand: „Kommen Sie mir nicht zu nahe! Ich bin von Glas!“ Lill prallte in einem Bogen zur Seite. Ein bärtiger Herr, der an der Wand lehnte, runzelte die Stirn: „Ruhe, wer nicht geköpft sein will!“ Lill lief. Erreichte die Ausgangstür. Drückte: Verschlossen! Der Pförtner kam aus seinem Verschlag und nahm ihr behutsam die Hand von der Klinke. Sie sträubte sich.

      „Lassen Sie mich los! Ich hab’ genug von der Zucht! Lassen Sie mich ins Freie!“

      „Ja. Das möcht’ hier jeder!“

      „Herrgott — ich bin doch nicht lititi! Ich komm’ doch von draussen!“

      „Es sind ja ein paar ausserhalb’sche Damen heut abend hier . . . Frauen von den Herren Doktors und so. . . Aber ob Sie dazu gehören . . .“ „Natürlich! Fix! Fix!“

      „Ohne Hut und Mantel?“

      „Die hängen irgendwo da drinnen! Das müssen Sie mir doch ansehen, dass ich hier nicht Stammgast bin!“

      „Das kann ich nun nicht. So gelehrt bin ich nicht! Vorhin erst war einer schon über die Mauer geklettert. Den haben der Herr Doktor und der Assistent gerade noch wieder ’reingeholt!“

      „Den Prinzen?“

      „Nun — von Haus aus ist’s ja wohl ein Friseur . . . Liebeskummer . . . Tja . . . Nu gehen Sie mal ruhig wieder in den Saal, Fräulein!“

      „Wissen Sie, Herr Inspektor!“ sagte Lill. Ihre Zähne klapperten. „Es ist ja zu nett hier bei Ihnen! Aber ich muss jetzt weg! Ich hab’ wirklich keinen Vogel!“

      ,,Aber ich hab’ meine Instruktion! Ich mach’ nur auf, wenn es einer von den Herren Doktors sagt! Sie brauchen bloss einen zu holen!“

      „Ich kenn’ doch keinen!“

      „So? Und trotzdem wollen Sie von einem von den Herren eine Einladung hierher für heute abend gekriegt haben? Reden Sie bloss nicht mehr!“ Der Pförtner schmunzelte behäbig. „Sie müssen jetzt überhaupt auf Ihr Zimmer hinauf, Fräulein!“ Er drückte auf einen Knopf. „Sie sind viel zu aufgeregt! Warten Sie mal ’nen Moment!“

      Lill wartete nicht. Sie lief in den Saal zurück. Ein kleiner fideler Herr trat ihr kichernd in den Weg. „Hast Du schon gehört: der Napoleon benimmt sich wieder wie ein kleines Kind! Er hat dem Bademeister ins Gesicht gespuckt!“ Lill nickte: Ja! Ja! . . . Sie dachte: Man darf diese Leute nicht reizen! Sie eilte weiter. Machte jäh vor einem Irren halt. Sie sah sofort: Der war gemeingefährlich! Hinter dem standen wie die Schatten zwei schnurrbärtige junge Männer in unauffälligen dunklen Jacken und Hosen — ganz offenbar Wärter — und verfolgten schweigend jede seiner Bewegungen.

      Unheimlich . . . Man brauchte nur diese tiefliegenden, schwarzen, unergründlichen Augen anzuschauen . . . die gingen einem durch und durch . . .

      Sonst machte der Irre eigentlich einen sanften Eindruck — klein und unscheinbar von Gestalt — etwas verwachsen, mit einer zu hohen rechten Schulter und einem für den dürftigen Körper viel zu grossen, stark gewölbten Schädel. Der Kopf war fast kahl, nur von einem schwarzen Löckelkranz umrahmt, das Gesicht unter der mächtigen, gebuckelten Stirn freundlich, von feinen, zarten Zügen. Der Kranke erkundigte sich unter dem kleinen, schwarzen Schnurrbart hervor, mit einer weichen und leisen, leidenden Stimme.

      „Nun — wie gefällt es Ihnen hier?“

      Bloss mit dem da keinen Krach! — beschwor sich Lill. Sie antwortete schnell:

      „Na — famos!“

      „Das freut mich!“

      „Mich auch!“

      „Sie werden sich hier schon einleben!“

      „Das hoffe ich bestimmt!“ sagte Lill innerlich schauernd. Da . . . Gott sei Dank . . . ein Mühlstein fiel ihr vom Herzen: Aus dem Tanzsaal näherte sich hastig, in Frack und weisser Binde, der Arzt — der Gent, der vorhin mit seinem Assistenten den Prinzen in das Haus zurückbugsiert hatte. Er kannte seine Pflegebefohlenen, bei denen es zu sehr rappelte. Er sagte dem kränklichen, verwachsenen Irren nur schnell einige ruhige, halblaute Worte ins Ohr, und schon nickte der erstaunt und ging, gehorsam wie ein Lamm, eiligen Schritts davon, auf dem Fuss gefolgt von seinen beiden Wärtern. Dann wandte sich der Doktor zu Lill. Er war noch jung, mit einem schmalen, energischen Mund und dem kaltblütigen Pupillenglanz eines Tierbändigers. Er frug schroff:

      „Nun erklären Sie mal gefälligst: Wie kommen Sie denn hier herein?“

      „Wenn Sie Ihre Bude sperrangelweit offen lassen . . .“, erwiderte Lill erbittert. Ihr Mut wuchs.

      „Ach so — vorhin . . . Und wer sind Sie denn eigentlich, wenn ich fragen darf . . .“

      „Ich bin ein Fräulein Luise Bödiger — geimpft — nicht vorbestraft — zum Tennis hier . . . Nun ja doch: Zu dem Tennisturnier morgen! . . . Von dem wissen Sie gar nichts?“

      „Wir haben hier in diesem Hause andere Sorgen, gnädiges Fräulein! Also Sie kommen des Vergnügens wegen, zum Sport. Finden Sie es dann nicht frivol, sich aus purer Sensationslust hier einzuschleichen?“

      „Überschätzen Sie nur die Reize Ihres Lokals nicht!“ sagte Lill matt. „Ich versichere Ihnen: Wenn ich erst glücklich wieder draussen bin: Ich warne Neugierige! Was? Meine Neugierde wurde gestraft? Ja — kann ich denn das für, dass mich drei dicke Männer vom Bahnhof hierher in den April geschickt haben, wie ich nach dem Weg zum Kurhaus frug?“

      „Also ein kindischer Racheakt!“

      „Ich hab’ doch den Kaffern nichts getan!“

      „Sie nicht, gnädiges Fräulein! Unser grosses Sanatorium für Gemütsleidende ist den Geschäftsleuten am Ort ein Dorn im Auge, weil es ihnen angeblich den Fremdenverkehr schädigt. Da spielen sie uns solche Possen!“

      „So! . . . Na . . das sind ja Gemütsmenschen . . . hier . . . bei Ihnen . . .“

      „Wir im Sanatorium können wirklich nichts für den peinlichen Vorfall, gnädiges Fräulein! Und es ist ja auch weiter nichts passiert!“

      „Nein. Es war ein reizender Abend! So gemütlich! Tausend Dank! Aber nun setzen Sie mich gefälligst auf der Stelle

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