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Assessor, Sie haben Hadschi Omanah im Gefängnisse. Sein Verleger ließ ihn verhungern, und für Die, welche er zu retten suchte, ward er in Ketten gelegt!«

      Da sprang Fanny auf und rief:

      »Er muß frei sein: er soll frei sein! Herr Assessor, ich bitte Sie, geben Sie ihn heraus!«

      »Kind, Kind, sei nicht so aufgeregt!« bat ihr Vater. »Was Du da verlangst, ist unmöglich!«

      »Unmöglich zwar für heute,« fügte der Assessor bei; »aber ich werde dafür sorgen, daß die Stunde der Erlösung baldigst schlägt. Zunächst ist das Resultat des Begräbnisses abzuwarten.«

      »Ich gehe mit!« rief Fanny.

      »Kind! Tochter!« warnte der Vater.

      »Durchlaucht,« wendete sie sich energisch an den Fürsten, »ich halte Sie beim Worte! Sie werden mich abholen!«

      »Gewiß! Ich hoffe, Ihre Eltern werden es gestatten!«

      »Ich werde meine Erlaubniß nun allerdings nicht länger verweigern,« antwortete der Oberst; »aber wissen müßte ich gewiß, daß Bertram wirklich Hadschi Omanah ist.«

      »Und wenn er es nicht ist, soll er da nicht gerettet werden dürfen?« fragte der Fürst. »Der Anblick von Fräulein Fanny, die er in seinem letzten lichten Augenblicke gesehen hat, muß nothwendiger Weise von Einfluß auf ihn sein.«

      »Man bringe ihn her!«

      »Herr Oberst!« bat der Assessor.

      »Gut, ja gut! Ich habe nichts dagegen!«

      »Man sollte morgen früh den Buchhändler Zimmermann in die Zelle führen,« bemerkte der Fürst. »Er müßte ihn recognosciren.«

      »Ich würde das veranlassen,« antwortete der Assessor. »Leider aber weiß ich, daß er verreist ist. Man muß also warten. Doch hoffe ich, daß ihm morgen die Ueberraschung sein Bewußtsein zurückbringt!«

      Er hatte seine Sendung erledigt und verabschiedete sich. Auch der Fürst ging nach einiger Zeit. Er sah, in welcher inneren Aufregung sich Fanny befand; er sah dann die Gesichter ihres Vaters und ihrer Mutter umdüstert und winkte den Beiden Milde und Schonung zu.

      Als Fanny dann sich in ihrem Zimmer befand, trat sie an das Fenster und blickte nach dem düsteren Hinterhause hinüber. War es in Wirklichkeit, daß da drüben die funkensprühenden Gedichte entstanden waren, welche alle Welt begeisterten? Sie fühlte ein tiefes, unbeschreibliches Wehe in ihrem Herzen. Sie weinte und weinte ohne Unterlaß. Es war, als ob ihr ganzes Wesen sich in Thränen auflösen wolle; dann klang es lind und leise, wie aus weiter Ferne zu ihr herüber, was sie selbst componirt hatte:

      »Du meine süße Himmelslust,

      O traure nicht und laß das Weinen;

      Dir soll ja stets an treuer Brust

      Die Sonne meiner Liebe scheinen!«

      Ihre Thränen flossen langsamer; sie versiechten endlich; aber noch lange, lange Zeit saß das schöne Mädchen angekleidet auf dem Rande ihres Bettes, den traurigen Blick durch das Fenster gerichtet. In ihrem Herzen war es jetzt still geworden, obgleich ein zwar leises aber tiefes Weh sich um dasselbe legte. Doch neben diesem Weh wurde, ihr fast unbemerkt, ein Gefühl des Stolzes wach. Sie war die Nacht, die herrliche, lichtfunkelnde südliche Nacht; sie war es, die den Dichter zu dieser unvergleichlichen Schilderung begeistert hatte; sie war es, von welcher er geschrieben hatte:

      »Und ihres Diadems Azur

      Erglänzt von funkelnden Krystallen.«

      War sie wirklich so schön? Hatte sie diese Begeisterung eines gottbegnadeten Dichters verdient? Sie fragte es sich nicht, und sie sagte es sich nicht; aber sie senkte in Demuth das schöne Haupt und faltete die Hände.

      Durfte man das, was sie bei'm Gedanken an Bertram fühlte, Liebe nennen? Nein und abermals nein. Sie war die hochgeborne Tochter der Aristokratie, und er war der Sohn des armen, vor Schreck gestorbenen Schneiders. Die Kluft, welche zwischen Beiden lag, ließ gar keinen Gedanken an irgend welche tiefere Sympathie aufkommen. Aber doch, doch und doch war er nicht nur der Schneiderssohn, nicht nur das arme Kind des Proletariats, sondern er war auch Hadschi Omanah, der Dichter der »Heimat-, Tropen-und Wüstenbilder.« –

      Kurz nachdem der Fürst sich von Baronin Ella verabschiedet hatte, war der Baron, ihr Mann, bei ihr eingetreten. Ein eigenthümliches Lächeln spielte um seine Lippen, als er sagte:

      »Du hattest Besuch?«

      »Ah, Du hast spionirt!« antwortete sie.

      »Du bedienst Dich da eines höchst unpassenden Ausdruckes. Man braucht nur ganz zufällig am Fenster zu stehen, um die Equipage Deines Anbeters zu bemerken!«

      »Vielleicht bete ich ihn mehr an, als er mich!« bemerkte sie piquirt.

      »Nun, so betet einander nach Kräften an. Ein Bischen mehr oder weniger wird keinen allzu großen Unterschied machen. Nur stelle ich die Bedingung, daß es nicht bei der bloßen Anbetung bleibe!«

      »Es fragt sich, ob ich mir die Bedingungen gefallen lasse; der Fürst nun wohl ganz und gar nicht.«

      Er ließ sich bequem in einen Sessel nieder, richtete das Lorgnon auf sie, betrachtete sie unablässig aufmerksam und sagte:

      »War er nicht liebevoll genug?«

      »Pah! Du erwartest doch wohl nicht eine Antwort?«

      »Nein, denn ich kenne Dich. Aber Du bist so schlecht bei Laune, daß ich wirklich annehmen muß, daß der Unartige wohl gar den Abschiedskuß vergessen hat.«

      »Wenn Du nur kommst, um mich Deine Ironieen kosten zu lassen, so kannst Du wieder gehen!«

      »Ich werde bleiben, weil mich noch ein anderer Grund zu Dir führt. Als ich seine Equipage erblickte, dachte ich an das Versprechen, welches Du mir gegeben hast.«

      Er blickte sie erwartungsvoll an; da jedoch keine Antwort erfolgte, fuhr er mit Betonung fort:

      »Darf ich um eine Erklärung bitten?«

      »Darf ich um den Wagen bitten?«

      »Wozu?«

      »Ich fahre aus.«

      »Wohin?«

      »Zum Fürsten.«

      Sein Gesicht erheiterte sich. Er betrachtete sie mit einem wohlgefälligen Lächeln, ließ das Augenglas fallen und sagte:

      »Ah! So rasch gesiegt?«

      »Ich bin es gewöhnt,« antwortete sie schnippisch.

      »Hm!« hustete er.

      »Wie? Moquirst Du Dich etwa? Habe ich nicht ebenso schnell auch über Dich gesiegt?«

      »Pah! Wozu diese Erinnerungen!«

      »Weil ich, wie Du ja selbst sagst, bei schlechter Laune bin. Die habe ich aber nur in Deiner Gegenwart!«

      »Schön! Ich verstehe diese Andeutung und werde mich zurückziehen, da mir sonst auch meine gute Laune schwinden würde. Vorher aber muß ich doch fragen, was Du beim Fürsten zu thun gedenkst!«

      »Was Anderes, als mir von ihm huldigen zu lassen!«

      »Dieses Vergnügen gönne ich Dir, doch hoffe ich, daß Du dabei auch an mein Vergnügen denken wirst.«

      »Ich werde möglichst Umschau halten.«

      »Das ist sehr nothwendig, da ich mich veranlaßt sehe, dem Fürsten während der heutigen Nacht einen Besuch zu machen.«

      »Ah!« rief sie überrascht. »Warum so bald?«

      »Einer seiner Diener ist zu uns getreten. Da dieser Mann seine Stellung in Kurzem quittirt, bin ich gezwungen, mich so zu beeilen. Es würde mir äußerst angenehm sein, von Dir einen genügenden Fingerzeig zu erhalten.«

      »Ich werde natürlich mein Möglichstes thun. Aber

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