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schönen guten Abend, Balthasar«, sagte die Moorfrau, – »Ihr geht wohl ein wenig im Mondschein spazieren und seht Euch Euer Feldchen an. Ein schönes Frühjahr, und es steht nicht schlecht bei Euch; aber der Valentin versteht’s doch noch besser – ist ein Pfiffikus!« Und dann kicherte sie, daß ihr der Kopf wackelte. Der Bauer hatte ein Grauen vor der alten Hexe und wollte sich abwenden und nach Hause gehen, allein diese hatte mit ihren scharfen Augen den schwarzen Hahn bemerkt und hielt Balthasar am Rockschoß fest.

      »Ei, was habt Ihr da für ein schönes Hähnchen«, sagte sie und streckte gierig ihre dünnen Spinnenfinger aus und befühlte und betastete das Tier; – »ganz schwarz und ohne Fehler, das wäre so ein Hähnchen, wie es sich die alte Moorfrau schon lange gewünscht hat, – ei, du gutes Tierchen – tuck, tuck, tuck! mein Kikelchen, mein Kakelchen!«

      Balthasar sagte kurzweg, das ginge sie gar nichts an, und wollte sich entfernen; allein die Alte ließ nicht nach mit dem Drängen und Schmeicheln, bis sie in Erfahrung gebracht hatte, in welcher Absicht sich Balthasar mit dem Hahne dort eingefunden hatte.

      »Was kann das weiße Milchgesicht Euch helfen!« sagte sie. »Gebt mir das Hähnchen, ich bin nun einmal vernarrt in das hübsche Tier.« Dann trat sie ganz nahe zu ihm heran und flüsterte, indem sie mit dem Daumen auf Valentins Felder deutete: »Nicht wahr, wenn wir dem mal so ein kleines Schabernäckchen spielen könnten – es wäre nicht so unrecht!«

      Balthasar, bei seiner schwachen Seite gefaßt, ward neugierig und fragte hastig: »Wie meint Ihr das, Alte?«

      »Wenn er auch mal fühlen müßte, wie es tut, wenn Mühe und Arbeit vergebens gewesen ist und man seine Knochen umsonst gerührt hat. So ein Duckmäuser, dem hängt das Glück an, und ein so frischer, flotter Kerl wie Ihr, der kommt zu nichts – ist das nicht ungerecht? Wenn Ihr mir das Hähnchen gebt, da wollen wir mal sehen, was sich tun läßt. Ich habe hier so ein Schächtelchen, es war eigentlich für einen anderen bestimmt; allein Euch hab ich immer gern gehabt, und wenn Ihr mir das Hähnchen gebt – das Kikelchen, das liebe Kakelchen! – da sollt Ihr’s haben.« Damit hatte sie zuunterst aus ihrem Kräuterkorb eine runde Schachtel herausgewühlt und hielt sie Balthasar hin.

      »Nun, was soll ich denn damit?« fragte dieser unwirsch. Die Alte wendete sich gegen Valentins Feld, und während sie die Handbewegung des Säens machte, rief sie bei den Scheinwürfen, die sie ausführte, mit singender Stimme: »Raden! – Trespen! – Klatschmohn! – Disteln! – Winden!« – Dann klopfte sie auf die Schachtel und wollte sich vor Lachen ausschütten. »Horcht mal«, rief sie dann, »wie sie brummen!« Sie hielt Balthasar die Schachtel ans Ohr, und dieser vernahm ein Krabbeln und dumpfes Summen, als seien Käfer und Hummeln darin eingesperrt. »Ich verstehe Euer dummes Zeug nicht!« sagte Balthasar. Die Alte drängte sich dicht an ihn, und indem sie die Schachtel mit ihren dürren Fingern umklammerte, sprach sie flüsternd: »Wenn Ihr morgen um die Mittagszeit, da die Sonne am höchsten steht, hinausgeht auf Valentins Feld und diese Schachtel aufmacht, da werdet Ihr’s schon merken. Es sind kleine hübsche Säemännerchen drin, die werden säen, säen, säen. Da werden dem Valentin seine Felder später hübsch werden – so bunt! – so bunt!« Darauf kicherte sie eine Weile in sich hinein, klopfte dann auf die Schachtel und rief: »Nicht wahr, ihr versteht’s!«, und aus der Schachtel tönte es als Antwort wie ein feines, höhnisches Gelächter.

      Trotz seines Grauens griff Balthasar gierig zu und sprach: »Gebt her – den Hahn sollt Ihr haben!« Kaum hatte er dies ausgesprochen, da hatte die Hexe das Tier schon im Arm und streichelte es zärtlich. Dann huckte sie ihren Korb auf und humpelte eilig davon. Kaum hatte der Dämmer der Nacht sie aufgenommen, so hörte Balthasar an der Stelle, wo sie verschwunden war, den Schrei einer Eule: »Kuwit! Kuwit!«, dann ferner in der Richtung auf das Torfmoor zu und immer ferner, bis er endlich nichts mehr vernahm.

      Am anderen Tage kurz vor Mittag nahm Balthasar die geheimnisvolle Schachtel und ging hinaus auf das Feld. Es war ein schwüler, heißer Tag, ohne jeden Windhauch; am Horizont waren Wolken aufgetürmt, und es hatte den Anschein, als würde dort hinten in aller Stille ein heimliches Unheil zusammengebraut. Als er auf der Höhe seines Feldes angelangt war, schaute er sich um und horchte. Es war niemand weit und breit zu sehen; aber die hellhörige Luft trug allerlei Töne zu ihm her, das Rollen eines fernen Wagens, das Rasseln der Mittagsklapper aus einem Bauernhofe des Dorfes und aus dem Moorgrund den einsamen Schrei eines Sumpfvogels und zuweilen ein seltsames Lachen; er wußte nicht, war es vom Wiedehopf oder war es etwas anderes.

      Ihm war beklommen zumute; allein er faßte sich ein Herz, stieg in einen trockenen Graben hinab, der weit in Valentins Feld hineinführte, und schritt vorwärts. In der Mitte des Ackers lag ein kleiner Teich, der durch diesen Graben bei Hochwasser seinen Abfluß fand; hier stieg er an der Uferwand hinauf und schaute wieder über das Feld hinweg. Es war alles still und einsam wie zuvor. Er empfand ein Grauen, die Schachtel zu öffnen, stellte sie vor sich hin auf den Uferrand, legte sein Ohr daran und vernahm ein brummendes, erwartungsvolles Rumoren darin. Endlich faßte er Mut, löste vorsichtig den Deckel, nahm ihn schnell ab und sprang mit einem angstvollen Satz zurück. Allein einstweilen kam gar nichts aus der Schachtel hervor. Vorsichtig schlich er wieder näher, und als er hineinblicken konnte, bemerkte er nur ein schwärzliches Gekribbel und Gewimmel, untermischt mit einigen bunten, leuchtenden Flecken. Endlich arbeitete sich etwas aus der Masse hervor, setzte sich auf den Rand der Schachtel und fing an zu wachsen, bis es etwa die Größe eines Maulwurfs erreicht hatte. Es war ein kleines schwärzliches Kerlchen mit Fledermausflügeln und einem Kopf wie ein Mohnkopf, auf dem es einen breiten, feuerroten Hut trug. Es dehnte und reckte seine Flügel, tastete nach einem Säckchen, das es nach Art der Säemänner um den Leib trug, stieß einen kleinen hellen Schrei aus, schwang sich in die Luft, und indem es kreisend über die Felder dahinschwankte, fing es an emsig zu säen und verlor sich allmählich in der Ferne. Unterdes war schon ein zweiter dieser grauslichen kleinen Gesellen hervorgekommen, der einen Distelkopf mit rotem Busch zwischen den Schultern trug, und folgte seinem Genossen, und so kamen immer mehr und mehr mit Mützen wie Kornblumen, Raden und Winden gestaltet hervor und gingen an ihre Arbeit. Endlich war die Schachtel leer. Balthasar legte einen Stein hinein und warf sie mitten in den Teich, wo sie versank. Dann kehrte er, das Herz voll Schadenfreude und böser Hoffnungen, in sein Haus zurück, und hinter ihm her schallte wieder das seltsame Lachen aus dem fernen Moorgrund.

      Der Abend kam; der Mond ging auf und stieg langsam ins Blau empor. Um Mitternacht, als er schon hoch stand, kam ein heller Schimmer, von dem ein liebliches, geschwätziges Tönen ausging, über die Felder gezogen, und als es näher kam, da sah man, daß es die Roggenmuhme mit ihren Kleinen war. Als sie an Valentins Acker kam, stutzte sie plötzlich, beugte sich zu dem Saatfeld hinab und musterte mit ihren klaren Augen den Boden.

      »Hier sind böse Dinge geschehen«, sagte sie dann; »hurtig, Kinder, hier gibt es Arbeit.« Kaum hatte sie das gesagt, so verteilten sich die Kleinen eilfertig über das ganze Land und rutschten auf den Knien so flink dahin, daß es lustig zu sehen war, und dabei pickten sie mit ihren feinen Fingerchen wie Vögel die Unkrautsamen auf und sammelten sie in ihren Schoß und arbeiteten so fleißig und sicher, daß in kurzer Zeit die ganzen Felder abgesucht waren und wohl kaum ein Körnchen liegenblieb. Den größten Schoß voll aber hatte Humpelchen gesammelt.

      »Ich weiß wohl, von wem diese Bosheit herrührt«, sagte die Roggenmuhme; »sie falle auf sein Haupt zurück!« Damit trat sie mit ihren Kleinen auf Balthasars Feld über, und hier wurde der angesammelte Vorrat sorgfältig wieder ausgesät.

      Vergeblich wartete Balthasar auf den Erfolg seiner Freveltat, vergeblich spähte er im Laufe des Frühlings nach üppig aufschießendem Unkraut auf dem Felde seines Nachbars. Nur zu bald wurde er mit Entsetzen gewahr, was auf seinen eigenen Äckern vorging. Es gewann dort den Anschein, als sei es auf den Bau von Unkraut besonders abgesehen, und als es gegen die Zeit der Roggenernte kam, da bot Balthasars Feld einen für das Auge eines Landmannes wahrhaft entsetzlichen Anblick dar. Es leuchtete und schimmerte in allen Farben; hier war ein Stück Feld von blühendem Klatschmohn wie mit Blut angestrichen, dort lag ein Acker mit ragenden Distelstangen besät, dazwischen einige kümmerliche Gerstenhalme kaum bemerklich waren, der Hafer war vor Trespen gar nicht zu finden, auf der Kuhweide wuchs nichts als Stiefmütterchen, die einen mit hunderttausend kleinen Gesichtern anblickten, die Wiese war voller Schachtelhalm, und

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