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didudel, dididel!« sagte er.

      »Ach Majestät«, sagte nun einer von den anderen gewöhnlichen Leuten, »seht, dies ist der größte Denker im ganzen Königreich. Früher konnte er in einem Tage mehr denken, als man in zehn Jahren begreifen kann, aber nun haben sie in seinem Hause sieben solche Leiselauten aufgestellt, auf denen fortwährend Etüden gespielt werden. Und es gibt welche, die des Nachts nicht schlafen können und so lange das Winselbrett bearbeiten, bis die anderen am Morgen wieder anfangen. Da haben sie ihm denn seine ganze Denkkraft aus dem Kopfe herausgetrommelt, daß er nichts weiter denken kann als: Didudel, dididel, didudel, dididel. Dies aber ist himmelschreiend!«

      »Ha!« sagte der König und stand auf, denn er war sehr zornig. Die Denker waren nämlich der größte Stolz des Landes, weil sie in keinem anderen Weltteil zu solcher Vollkommenheit gediehen, und man konnte es dem König nicht übelnehmen, wenn er über die Beschädigung seiner besten Landesprodukte ergrimmte.

      »Ha!« sagte der König, »ist es so weit gekommen? Das soll anders werden! Bei meinem Bart, ich will ein furchtbares Exempel statuieren!«

      Am folgenden Tage zog der Landesausrufer mit einem Trommler und einem Trompeter durch das ganze Königreich und verkündete, daß jegliches Klavierspiel bei Todesstrafe verboten sei. Die feinhörigsten Polizeisoldaten im Lande wurden mit Hörrohren ausgerüstet und mußten Tag und Nacht im Lande umherhorchen, ob auch nicht gegen das Gesetz gesündigt wurde. Aber dazu waren die Untertanen viel zu wohl erzogen. Die Betroffenen seufzten zwar ein wenig, doch dann sagten sie: »Es muß sein!« und suchten ihre Klaviere so gut als möglich anderweit zu verwenden. Die einen nahmen das ganze musikalische Eingeweide heraus, legten Betten hinein und schliefen darin. Ein anderer fütterte es mit Blech aus und hielt Fische in dem Kasten. Viele Hausfrauen legten die Wäsche hinein, andere kochten Kaffee damit. Einer, der in der Stadt wohnte und doch das Bedürfnis eines Gartens hatte, füllte das Innere mit Erde und zog Blumenkohl und Schoten darin. Und so war das Klavierspiel in kurzer Zeit aus dem Lande vertilgt. Die guten Folgen zeigten sich sehr bald. Die Lerchen und Nachtigallen wanderten allmählich wieder ein, die Astronomen entdeckten fünf neue Planeten und einen Kometen, und alle die anderen Gelehrten kamen wieder in ihr altes Geleise. Selbst dem schwer geschädigten Denker überwuchs allmählich der Fußsteig, den das »Didudel, dididel« in sein Gehirn getreten hatte, mit Gras, und er dachte fast ebenso gut wie zuvor. Der König aber saß manchen Tag morgens von zehn bis zwölf schmunzelnd in seinem Regiersaal, rauchte seine lange Pfeife und spielte mit seinem Zepter, bis die Zeit um war, denn die Regierungsgeschäfte waren wieder, wie er es gern hatte, sie waren gar nicht vorhanden.

      Um die Zeit, da das Verbot gegen das Klavierspiel erlassen wurde, war dem König eine wunderschöne kleine Tochter geboren worden. Als diese zwei Monate alt und nach dem Urteil aller Leute bereits so verständig war wie gewöhnliche kleine Kinder von zwei Jahren, da bemerkte die Königin oft, daß das kleine Kind mit den Fingerlein auf dem seidenen Wiegenkissen allerlei Bewegungen machte, die gerade so aussahen wie die Fingerübungen eines Klavierspielenden. Sie geriet darüber in großen Schrecken und sagte es dem König, der sofort den Befehl an seine Hofleute ausgehen ließ, daß niemand jemals zu der Prinzessin von einem Klavier reden dürfe. Dies wurde auch genau und gewissenhaft befolgt, und die Prinzessin wuchs auf in Holdseligkeit und Schönheit, ohne daß jemals die geringste Kunde von einem solchen Musikinstrument zu ihr drang. Eines Tages, da sie achtzehn Jahre alt war, ließ sie sich ihr weißes Einhorn satteln und begab sich, wie sie es gern tat, in den großen Wald. Sie ritt in den Wald hinein und geriet bald auf einen Weg, den sie sonst noch nie bemerkt hatte. Es war ganz still und einsam ringsumher, nur über die Wipfel der Bäume hin ging ein leises Klingen wie ferne Musik, bald anschwellend, bald ersterbend schwebte es dahin. Der Wald war ganz dicht und verworren, und seltsame Schlingpflanzen waren an den Bäumen hinaufgeklettert und hingen mit leuchtenden Blüten hernieder. Zuweilen flogen prächtig glänzende Vögel über den Weg oder saßen auf den Ranken der Schlingpflanzen, wendeten den Kopf und sahen sie mit klugen Augen an. Die Musik tönte immer schwellender und voller und schien die Wipfel der Bäume leise zu bewegen, wie sie durch diese dahinströmte. Dann mündete der Weg auf einen freien Platz, der, eingeschlossen von hohen Bäumen, wie ein grüner Saal dalag und ganz erfüllt war von den herrlichen Klängen. Die Prinzessin ritt über die Grasfläche dahin, denn gegenüber am Rande des Waldes sah sie ein kleines Häuschen liegen, aus dem die Musik wie ein Strom hervorbrach. Das Häuschen war ganz mit rotblühenden Schlingpflanzen bewachsen, nur die Tür und die Fenster, die geöffnet waren, schauten dunkel hervor. Die Prinzessin ließ ihr weißes Einhorn vor der Tür stehen und trat hinein. Sie kam in ein kleines Zimmer, in dem nichts weiter stand als ein Klavier, und davor saß eine schöne Frau und spielte so wunderherrlich, daß der kleinen Prinzessin gleich die Tränen in die Augen kamen. Sie setzte sich ganz stille auf einen Stuhl und hörte zu. Und als die Akkorde immer schwellender klangen und vorüberrollten und die Melodie mit leiser Sehnsucht dahinging, da wuchsen und dehnten sich die Wände des kleinen Zimmers, es stieg auf wie ein Tempel, von schlanken Palmensäulen getragen, mit Nebelwänden wallend in bläulichem Duft, und zwischen den Kronen der Palmen schwebten in rosigem Gewölk schimmernde Engel in weißen Gewändern. Mit einem Male war wieder das kleine einfache Zimmer da. Die Fee, denn eine solche war es doch gewiß, hatte aufgehört zu spielen und sah sich freundlich nach der Prinzessin um: »Es ist gut, daß du da bist, Prinzessin«, sagte sie, »ich habe schon lange auf dich gewartet.«

      »Was ist das, was du tust«, sagte die Prinzessin, »o lehre mich das auch, es ist so herrlich.«

      »Ich bin Frau Musica«, sagte sie, »und will dich alles lehren, was ich vermag. Denn in deines Vaters Lande hat man wegen des Üblen das Üblere getan und meine Kunst ganz verbannt und ausgerottet; du aber bist ausersehen, das Rechte wiederherzustellen. Ich gebe dir zwei Zauberbücher, die enthalten alles. Das erste mußt du ganz durchspielen, es ist minder schön, aber ohne das kannst du das zweite nicht verstehen.

      In dem zweiten steht nur ein Stück, es ist aber das Herrlichste, das je auf Erden gewesen ist. Ich brauche die Bücher nicht mehr, denn ich kann sie auswendig. Dann nimm diese Walnuß und bewahre sie wohl, sie enthält das Notwendige.« Damit fing die Frau wieder an zu spielen, und nun klang es so leise und süß wie ein Wiegenlied. Die Prinzessin machte die Augen zu und schlief ein.

      Als sie wieder erwachte, saß sie in ihrem niedlichen Zimmerchen auf dem Sofa, und vor ihr auf dem Tische lagen die beiden Bücher und die Walnuß. Sie holte sich sofort den Nußknacker und knackte sie auf. »Kling«, sagte es, als die Nuß aufging, es klang wie das Schwirren einer Saite. Ein ganz wunderniedliches kleines Klavier war darin. Die Prinzessin setzte es auf den Tisch und dachte, das könne ihr auch nicht viel nützen, denn mit dem kleinen Finger konnte sie alle Tasten auf einmal bedecken. Aber mit einem Male fing es so an zu wachsen, daß sie es gar nicht schnell genug auf die Erde setzen konnte, sonst wäre es ihr vom Tische heruntergewachsen. Als es ausgewachsen hatte, war es ein ganz natürliches, lebensgroßes Klavier. Die Prinzessin schlug gleich das erste Buch auf und fing an zu spielen.

      Zu derselben Zeit ging der König gerade über den Gang, denn er wollte auf dem Boden nachsehen, was seine Tauben machten. Mit einem Male hörte er die Töne des Klaviers erklingen.

      »Was«, sagte er, »in meinem eigenen Hause? – Es ist unerhört.« Dann horchte er und sagte: »Es ist im Zimmer meiner Tochter; dies muß untersucht werden.«

      »Prinzessin«, sagte er, als er hineintrat, »um des Himmels willen, was machst du da?«

      »Ich spiele Klavier, Papa«, sagte die Prinzessin, »es ist das Schönste, was es gibt.«

      »O Gott«, sagte der König und sank auf einen Stuhl. Ihm wurde ganz schwindlig, denn er wußte, die Prinzessin hatte ihren eigenen Willen. Dann erzählte er der Prinzessin alles.

      »Ja, lieber Papa«, sagte diese, »Klavierspielen muß ich nun einmal, warum gibst du solche Gesetze, und wenn du sie gibst, kannst du sie auch wieder aufheben.«

      »Ich kann mich doch nicht vor allen meinen Untertanen und vor der ganzen Umgegend blamieren!« sagte der König. »Sie haben mich sowieso schon oft genug ausgelacht!«

      Aber es half nichts, die kleine Prinzessin mußte ihren Willen haben. Der König verfiel endlich auf einen Ausweg. Das Klavier wurde auf einen Wagen gesetzt und alles

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