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und von den Henkersknechten die Bastonade erhielt, was eine sehr unangenehme Art von Prügeln mit einem Bambus auf die bloßen Fußsohlen ist. Dolpatsch sprach: »Haltet ein: warum schlagt ihr den Mann?«

      »Er ist einer der Düftler im Garten der Prinzessin«, sagte der Oberhofmeister – »er hat ein schweres dienstliches Vergehen begangen und heute morgen Pfefferminzduft in die Rosen gegossen, wodurch sich die Erste Hofdame der Prinzessin eine Verrenkung der Riechnerven zugezogen hat.«

      »Bindet ihn los!« sagte Dolpatsch und ging kopfschüttelnd weiter. Bald kamen sie in die geschlossene Vorhalle des Gartens, die großen Flügeltüren wurden von den zwanzig Kammerdienern aufgerissen, der Oberhofmeister trat vor und rief: »Herr Ritter Dolpatsch von Verindur!«, denn das einfache, bürgerliche Dolpatsch brachte er so allein nicht über die Zunge. In großem Halbkreis saß der Hof versammelt, in der Mitte die Prinzessin, dahinter auf erhöhten Sitzen die königlichen Eltern, und ringsum blitzte und flammte der künstliche Garten in seiner ganzen Pracht. Als Dolpatsch in die Tür trat, ging ein Fächern und Rauschen der Entrüstung durch den ganzen Kreis der Hofdamen, und wie aus einem Munde flüsterten sie: »Entsetzlich, er trägt seine eigenen Haare.«

      Dolpatsch aber schritt unbekümmert sporenklirrend durch den Garten vor, verbeugte sich vor der Prinzessin und setzte sich ohne weiteres auf einen Stuhl, der für ihn bereitstand. Da er aber den ganzen Morgen durch die Wälder geritten war, so brachte er einen frischen Waldgeruch mit, der von ihm ausging und die erbleichende Hofgesellschaft veranlaßte, die Riechfläschchen an die Nasen zu führen. – Die Prinzessin bewahrte mit Mühe ihre Würde dieser ihr entsetzlichen Erscheinung gegenüber und schickte sich an, die drei Fragen zu tun, die ihr bei allen vorhergehenden Rittern gute Dienste geleistet hatten.

      »Wo liegt der schönste Garten der Welt?« fragte sie. Darauf hatten nun die anderen etwa so geantwortet: »Wir befinden uns in demselben, verehrungswürdigste Prinzessin. Wenn es Eurem Knecht gestattet ist, allerdevotest seine untertänigste Meinung auszusprechen, so erachtet er diesen Garten sozusagen für ein Juwel, desgleichen in keinem Lande der Welt, selbst in dem Wunderlande India nicht, gefunden werden dürfte.«

      Dolpatsch aber sah verächtlich in die Runde und sprach: »Komm hinaus mit mir in den Wald, Prinzessin, wo die mächtigen Bäume gen Himmel ragen und sich die Rehe friedlich unter ihren Zweigen äsen, wo die Waldbäche rauschend von den Bergen gesprungen kommen und auf den stillen Wiesen die wilden Blumen blühen. Dort ist der schönste Garten der Welt. Diesen hier vermag ich nur für Leder und buntes Glas zu erachten.«

      Die Prinzessin erbleichte, die Hofdamen sagten: »Fi donc!«, und die Kavaliere murmelten verächtlich zwischen den Zähnen: »Plebejer!«, aber nicht zu laut, denn sie hatten einen heillosen Respekt vor Dolpatsch. Draußen aber rollte es mit dumpfen Donner, als ob ein Gewitter aufzöge.

      Die Prinzessin tat die zweite Frage: »Wo leuchtet die herrlichste Sonne?«

      Die anderen Ritter hatten dann mit verzückten Augen zu der künstlichen Sonne aufgesehen und hatten ihren milden Schein gepriesen und behauptet, sie finde ihresgleichen nicht. Dolpatsch aber sprach: »Es gibt nur eine Sonne. In dem Dinge dort vermag ich nur eine große Tranfunzel zu erkennen!«

      Die Prinzessin wurde blaß wie der Tod; dreizehn Hofdamen und fünf Kavaliere fielen in Ohnmacht, während einige sofort an ihren Degen griffen und ihn ein wenig in der Scheide lüfteten – sie steckten ihn aber sehr schnell wieder ein. Draußen rollte ein gewaltiger Donner über die Halle hin, daß sie in ihren Grundfesten bebte.

      Als sich die ganze Gesellschaft einigermaßen wieder erholt hatte, tat die Prinzessin die dritte Frage. Sie erhob sich und trat einen Schritt vor: »Wer ist die schönste Prinzessin der Welt?«

      Ringsum ward es totenstill, und der Hofstaat hielt den Atem an selbst die glänzenden Vögel sangen nicht mehr, denn sie waren alle abgelaufen.

      Dolpatsch antwortete: »Ich kam wohl weit durch die Welt, allein ich habe nicht alle Prinzessinnen gesehen und kann es nicht entscheiden. Was dich betrifft, so siehst du aus wie eine Vogelscheuche!« Hier fiel der ganze Hofstaat mit einem Ruck in Ohnmacht, und die Prinzessin sank entsetzt in ihren Stuhl zurück. Dolpatsch aber fuhr ruhig fort: »Du hast fremde tote Haare auf dem Kopf in Gestalt eines Bienenkorbes, und diese Haare sind grau wie die eines alten Weibes. Dein Gesicht ist angemalt und mit schwarzen Pflästerchen beklebt. Dein Leib ist eingeschnürt gleich dem einer Wespe; einen unförmlichen Hühnerkorb hast du unterwärts hängen, und deine Füße sind gekrümmt und unförmlich; du bist die häßlichste Prinzessin, die ich je gesehen habe.«

      Auf einmal geschah ein furchtbarer Donnerschlag, daß die Grundfesten der Erde bebten und die Wände der Halle zusammenstürzten – das Dach aber ward durch eine gewaltige Windsbraut eilig davongetragen. Zugleich aber kam ein mächtiger Platzregen hernieder, der den ganzen künstlichen Garten hinwegwusch und fortspülte. Allmählich ward der Regen milder, und die Sonne malte einen schönen Regenbogen an den Himmel. Über den Boden des künstlichen Gartens aber lief ein grünlicher Schimmer, der sich mehr und mehr verstärkte, dazwischen leuchtete es blau, golden und rosig. Gras und Blumen sproßten empor, und in den Gründen schimmerte es blau von Veilchen. Quellen begannen zu rauschen, und blühende Büsche neigten sich über sie hin, in denen die Nachtigallen schmetternd jauchzten. Dann vertropfte langsam der Regen, und im Nu hatte die strahlende Sonne alles getrocknet.

      Wo war aber die Prinzessin und der ganze Hofstaat geblieben? Ja, die waren gründlich abgewaschen worden. Sie hatten keine Hühnerkörbe und keine Bienenkörbe mehr, und die schöne Bemalung war auch dahin. Die Hofdamen trugen weiche, schmiegsame Gewänder, und die Haare, golden, rötlich und braun, wallten frei und schön herab. Die Herrlichste aber war Morgane, und man sah nun erst, daß sie die allerschönste Prinzessin der Welt war. Das merkte auch Dolpatsch; er schloß sie in seine Arme und gab ihr einen Kuß und verlobte sich mit ihr auf der Stelle. In diesem Augenblicke kam eine Schar wohlgekleideter Ritter und Prinzen herbei, eben die, die in Pagoden verwandelt gewesen waren. Sie kamen gerade zum Gratulieren recht. Hätte einer von ihnen gewußt, daß die Prinzessin nur erlöst werden konnte, wenn ihr jemand dreimal hintereinander die Wahrheit sagte, da hätte er selbst die Braut heimgeführt.

      Nun, wie es weiter ward, das wißt ihr schon. Es gab eine prächtige Hochzeit, und als der alte König starb, da wurde Dolpatsch sein Nachfolger.

      Da sein Vater schon gestorben war, so ließ er seine Brüder zu sich kommen und schenkte jedem ein Landgut, so daß sie nur noch zu ihrem Vergnügen Lachse und Forellen und andere vornehme Fische zu fangen brauchten.

      Er bekam mit seiner Frau Morgane viele Kinder; die Söhne waren so stark wie ihr Vater und die Töchter so holdselig wie ihre Mutter, und weit und breit verkündete man den Ruhm des mächtigen Königs Dolpatsch des Ersten.

      Die Wetterhexe

      (Heinrich Seidel)

       Inhaltsverzeichnis

      In dem freundlichen Dorfe Huldingsheim lagen zwei Bauernhöfe, deren Felder und Wiesen aneinandergrenzten. Die beiden jungen Bauern hatten ihr Erbteil, das ihnen von ihren Vätern in gutem Zustande überliefert worden war, fast zu gleicher Zeit angetreten, doch nun, da erst sieben Jahre verflossen waren, machte sich bereits ein sehr großer Unterschied zwischen den beiden Besitztümern bemerklich. Kam man auf den Hof des einen, der Valentin hieß, so ward man erfreut durch einen Glanz von Reinlichkeit, Ordnung und Wohlstand, der auf allen Dingen lag; alles stand an seinem Ort und war sauber abgegrenzt und richtig. Die Gebäude waren reinlich gestrichen, die Türen hübsch gemalt, und an den Strohdächern war kein Fehler zu sehen. Auf dem Teich schwammen die stattlichsten Enten, und im Hofe wanderten Hühner umher, bei denen es schwer zu unterscheiden war, ob sie auf ihren mächtigen Hahn oder dieser auf seine Hühner hätte stolzer sein dürfen.

      Trat man in die große Vordiele des Hauses, an der zu beiden Seiten die Viehställe gelegen sind, so war es wieder eine Lust, die wohlgepflegten Kühe und Pferde zu betrachten, die so blank waren, daß man sich fast darin spiegeln konnte. Aber noch blanker war das Kupfer-und Zinngeschirr, das neben dem Herde am Ende der Diele aufgestellt war nebst

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