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tun dir nichts mehr.«

      Der Alte dankte ihm und lud ihn ein, mit auf seine Burg zu kommen. Sie fanden in der Höhle eine Laterne; der Alte ging leuchtend voraus und Dolpatsch hinterher. Es ging einen steilen Pfad hinauf, und endlich kamen sie an eine Felswand, die in der Dunkelheit schwarz emporragte. Der Alte nahm seinen Stock und schlug dreimal gegen den Stein. Da ging ein leises Donnern durch den Berg, und eine Öffnung tat sich auf, aus der ein matter Lichtschein hervorkam. Sie gingen hinein, und der Berg schloß sich wieder mit demselben Donner. In dem langen Gange, den sie nun durchschritten, brannte kein Licht, und doch war es hell, denn von den Wänden strömte ein sanfter Schein aus. Dann gelangten sie in einen mächtigen runden Kuppelsaal, unter dessen Decke eine leuchtende Kugel hing. Sonst befand sich weiter nichts darin als ein Baum mit runder Krone, der genau in der Mitte unter der leuchtenden Kugel stand und von einem goldenen, zierlich geschnörkelten Geländer umgeben war. Als die Schritte der Ankommenden auf dem polierten Marmorfußboden des Saales vernehmlich wurden, ging ein Regen und Bewegen durch die Krone des Baumes, und nacheinander taten die Hunderte von apfelgroßen Knospen, die ihn bedeckten, ihre Blätter voneinander, und aus jeder schaute ein kleiner Menschenkopf hervor, der auf den geöffneten Kelchblättern wie auf einer Halskrause aufsaß. Da waren Neger-, Chinesen-und Indianerköpfe, kurz, von allen Sorten Menschen, die es auf der Erde gibt, und alle schauten sie verwundert auf Dolpatsch; alle die Hunderte von kleinen Gesichtern waren auf ihn gerichtet. Dann steckten sie die Köpfe untereinander zusammen und wisperten und kicherten; doch plötzlich sahen sie alle Dolpatsch wieder an, und durch den ganzen Baum ging im Chor ein feines, höhnisches Gelächter. Auf dieses Geräusch hin ward es oben an der Decke hinter einem die ganze Wand umlaufenden goldenen Gitter lebendig; grüne, blaue und rote, höchst seltsame Vögel schauten daraus hervor, und als sie Dolpatsch zu sehen bekamen, schlugen sie mit den Flügeln und kreischten und riefen mit feinen und groben Stimmen: »Dolpatsch! Dolpatsch!«, so daß es einen erbärmlichen Spektakel gab. Der Alte aber warf plötzlich sein ärmliches Gewand ab und stand nun da in einem weißen Seidentalar, mit goldenen Sternen übersät, darüber sein silberner Bart mächtig herabwallte. Er streckte seinen Stab aus, an dessen Spitze ein leuchtender Stein flammende Funken warf, und plötzlich ward alles still. Die Vögel zogen sich in ihre Käfige zurück, und die Blattkelche taten sich einer nach dem anderen zu, bis der Baum wieder grün und schweigsam dastand. Danach führte der Alte den Dolpatsch durch eine der vielen Türen des Saales in ein kleines Gemach, in dem ein mächtiges Himmelbett und ein mit Wein und Speisen besetzter Tisch stand. Hier ließ er ihn allein, und nachdem sich Dolpatsch an den köstlichen Speisen gesättigt und dem edlen Weine tüchtig zugesprochen hatte, legte er sich in das Himmelbett, dessen weiche Kissen wie Wellen über ihm zusammenschlugen, und versank in einen tiefen Schlaf.

      Als er am späten Morgen erwachte, schien durch die Vorhänge seines Himmelbettes die Sonne und durchleuchtete die seltsamen Bilder und Figuren, die darin eingewebt waren. Dolpatsch streckte und dehnte sich behaglich, denn so gut war es ihm noch nie ergangen. Auf das Geräusch, das er dabei machte, regte sich etwas oben auf der Krone des Himmelbettes, und ein großer blauer Papagei kam emsig mit Schnabel und Füßen an der Gardine herabgeklettert, setzte sich auf das Fußende des Bettes, verneigte sich dreimal gravitätisch und sagte: »Wünsche untertänigst einen guten Morgen. Ich habe die Ehre, Ihnen mitzuteilen, daß sich mein Herr und Meister, der große Magier Furibundus, in ihrem astronomischen Kabinett befinden und bereit sind, den Herrn Dolpatsch zu empfangen.« Dies alles aber schnarrte er so seltsam hervor, als habe er ein Uhrwerk im Leibe. Dolpatsch sprang aus dem Bette und fand auf dem Stuhle nicht mehr seine alten Kleider, sondern köstliche prinzliche Gewänder, und als er diese angezogen und die blaue, silbergestickte Kappe mit der weißen Reiherfeder auf das wallende Goldhaar gedrückt hatte, da kannte er sich selbst nicht mehr, als er sich im Spiegel sah. Danach gürtete er sein Schwert um, das in einer neuen, goldenen Scheide steckte, und folgte dem Papagei, der vor ihm herflog, sich aber alle Augenblicke wendete und vor lauter Devotion in der Luft einen Purzelbaum machte. Als er in den großen Kuppelsaal kam, waren alle die kleinen Köpfe auf dem Baum schon wach, und wie auf Kommando wendeten sich ihm alle Augen entgegen. Aber als sie die mächtige Gestalt mit der breiten Brust und dem wallenden Goldhaar so herrlich gekleidet sahen, da lachten sie nicht wieder, sondern durch den ganzen Baum ging es einstimmig wie ein Murmeln der Bewunderung, und die kleinen Gesichtchen wendeten sich ihm nach, so lange sie ihn sehen konnten.

      Der alte Magier saß in seinem astronomischen Zimmer zwischen seltsamen, glänzenden Instrumenten, und vor ihm auf einem Tisch von blankpoliertem schwarzem Stein lag eine goldene Tafel, die mit farbig leuchtenden Linien in sonderlich verwirrter Weise bedeckt war. Als Dolpatsch eintrat, nickte er ihm zu, bat ihn, sich ebenfalls an den Tisch zu setzen, und sagte: »Ich sah es gestern abend gleich, daß du im Besitze des Schwertes Verindur bist, und da dies Schwert nur Menschen zuerteilt wird, die zu großen Dingen bestimmt sind, so habe ich in der Nacht die Sterne befragt über deine ferneren Schicksale. Auf dieser goldenen Tafel siehst du verzeichnet, was ich erforschte. Aber dunkel und verworren blieb mir noch manches. Ich konnte wohl entziffern, daß es ein Erlösungswerk sei, zu dem du bestimmt bist, allein eine große Gefahr ist damit verknüpft, deren Natur zu erkennen über meine Kräfte geht. Die Königstochter, die dein zur Befreiung von bösem Zauber wartet, heißt Morgane, doch Land und Ort konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Was mir noch übrigbleibt, zu dieser Erkenntnis zu gelangen, das will ich tun. Zuerst will ich den Sonnenschein befragen, die Zeit ist günstig.«

      Der Magier setzte einen goldenen, glänzenden Stuhl auf den Tisch und zog den Fenstervorhang zurück, so daß ein breiter Strom von Sonnenlicht eindrang und der Stuhl ganz in funkelndem Feuer stand. Sodann griff er mit den Händen in den flimmernden Schein und formte und bildete darin, sonderbare Worte dazu murmelnd, und dabei näherte er sich immer mehr dem Stuhle, dessen funkelnder Glanz stärker wurde und sich verdichtete, bis er allmählich Form und Gestalt annahm, und endlich saß dort ein feuerglänzendes, bewegliches Persönchen mit lachenden Augen und lodernden Haaren, das war der Sonnenschein in eigener Person. Der Magier schwang seinen Stab um ihn, so daß der flammende Edelstein einen feurigen Kreis beschrieb, und rief: »Gib Antwort mir, wo weilt Morgane, die Königstochter?«

      Der Sonnenschein flammte ein wenig stärker auf und sprach mit klingender Stimme: »Ich kenne alle Königstöchter, die mein Strahl bescheint, so weit die Länder der Erde reichen. Ich sah sie am Springquell wandeln, wo die Nachtigallen schlagen; ich sah sie auf weißem Zelter mit dem Falken auf der Hand ausreiten zur Reiherbeize; ich kenne auch die Tochter des Kaisers von China mit den geschlitzten Augen und den verstümmelten Füßen, und die Töchter der Negerkönige in Afrika brennt mein Strahl noch schwärzer, als sie schon sind; die Prinzessin Morgane aber kenne ich nicht.«

      »Ich danke dir«, sagte der Magier, »es ist genug.« Da ging ein Flimmern und Zittern durch den glänzenden Feuerkörper, er verblaßte und verschwamm, und dann war nur noch der funkelnde Widerschein des Sonnenlichtes auf dem Stuhle zu sehen.

      »Heut abend müssen wir den Mondschein befragen«, sagte nun der Magier; »wenn der nichts weiß, steh ich am Ende meiner Kunst.«

      Als der Abend gekommen war, setzte der Magier einen silbernen Stuhl auf den Tisch und ließ den Mondschein ein. Er streichelte und formte ihn und bildete ein silbernes Nebelmännchen aus ihm, das mit seinem runden, schimmernden Gesichtchen ruhig dasaß. Dann schlug er wieder seinen Zauberkreis und sprach: »Gib mir Antwort, wo weilt Morgane, die Königstochter?«

      Der Mondschein sprach mit sanfter Stimme: »Manche Königstochter habe ich gesehen auf meiner nächtlichen Fahrt um die Welt, und manche hat mein Strahl geküßt, wenn sie zur Nacht schlummernd in seidenen Kissen lag, die Prinzessin Morgane aber sah ich nicht!«

      »Ich danke dir«, sprach der Magier, »es ist genug.« Da verblaßte und verschwamm die helle Gestalt, und es war nur noch der Widerschein des Mondes; der auf dem silbernen Stuhle lag.

      Der Magier entzündete nun die große, kupferne Lampe, die über dem Tische hing, und sprach: »Nun weiß ich keinen Ausweg mehr, den Ort zu erfahren, wo sich die Königstochter Morgane befindet.« Dann legte er sich zurück in seinen Stuhl und starrte nachdenklich in die Flamme der Lampe. Doch diese, als der Name Morgane ausgesprochen wurde, hüpfte auf und knisterte deutlich. Dann verdichtete sie sich, nahm Form und Gestalt an und saß wie ein kleines glänzendes Männlein auf ihrem Docht wie auf einem Stühlchen da.

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