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sagen?« fragte der Magier.

      Das Lampenlicht schimmerte hell auf und sprach: »Ich habe sie gesehen. – Du weißt, wir Flammen sterben nicht, und so irgendwo eine erlischt, glimmt sie gleich anderswo wieder auf. Ich saß mit einem Kreise von Genossen in einer großen Lampe, die leuchtete wie die Sonne, und da habe ich die Prinzessin gesehen. Sie wandelte in einem Garten, der herrlicher ist als irgendeiner, den Sonne und Mond je beschienen haben. Sie können ihn auch nicht bescheinen, denn der Garten liegt in. einer mächtigen Halle ohne Fenster, und seine Blumen sind aus Gold und Silber und Edelgestein.«

      »Wo liegt diese Halle?« fragte der Magier. Das Lampenlicht sprach: »Morgane ist die Tochter des Königs von Barokko, und die Halle liegt im königlichen Schloß der Hauptstadt des Landes.«

      »Ich danke dir«, sagte der Magier, »es ist genug.« Da dehnte und reckte sich das kleine Männchen und floß zu einer milden Flamme wieder auseinander.

      Jetzt wissen wir genug«, sagte der Magier; »nun brauche ich nur mein Buch nachzuschlagen.« Er nahm einen riesigen Folianten von der Wand, blätterte darin und las dann: »Barokko, Königreich, am Ende der Welt, links um die Ecke. Zwanzig Millionen Einwohner. Hauptstadt: Zopfheim, dreihunderttausend Einwohner, am Schnörkelfluß gelegen. Regierender König: Bombastus XVI. – So, nun können wir ruhig zu Bette gehen«, sagte er dann, und so geschah es.

      Am anderen Morgen verabschiedete sich der Magier von Dolpatsch, und als sie bei dem Baume vorbeikamen, nickten alle die kleinen Köpfchen und wünschten glückliche Reise. Als sie vor das Felsentor traten, stand dort ein milchweißer Schimmel, schön gesattelt und gezäumt, und stampfte mit den Hufen; den schenkte ihm der Magier zum Abschied. Dolpatsch sprang in den Sattel, schwang zum Gruß sein Schwert um das Haupt, daß es einen Flammenschein um sich warf, und sprengte davon in die weite Welt. Er ritt durch viele Länder und Königreiche, verrichtete mit seinem Schwert Verindur wunderbare Taten und tötete die Drachen und Einhörner, wohin er kam, so daß sein Ruhm groß ward. Zuletzt kam er in das Königreich Barokko und ritt geradeswegs auf die Hauptstadt zu.

      Mit der Verzauberung der Prinzessin Morgane aber war es also zugegangen. In dem Lande Barokko lebte eine mächtige, aber böse Fee, die, da sie die einzige im Lande aus dem alten Geschlecht der Feen war, großen Stolz und Hochmut besaß. Deshalb war sie in mächtigen Zorn geraten, als sie zur Taufe der kleinen Prinzessin keine Einladung erhalten hatte, und am Nachmittage erschien sie plötzlich an der Wiege und verkündete, der Prinzessin würde großes Leid widerfahren, sobald sie ein Strahl der Sonne oder des Mondes vor Vollendung des sechzehnten Jahres treffen sollte. Sie würde davon in Siechtum verfallen und elend sterben. Darob gerieten der König und die Königin in große Angst, und sie ließen die kleine Morgane also ängstlich behüten, daß sie ihr sechzehntes Jahr glücklich erreichte, ohne auch nur einmal den Strahlen dieser beiden Himmelslichter ausgesetzt gewesen zu sein. Aber die Fee mußte auch wohl in dieser Zeit den Sinn der Prinzessin verwirrt haben, denn es stellte sich heraus, daß diese einen Haß und Abscheu gegen die wirkliche Welt in sich aufgenommen hatte und nicht zu bewegen war, von der jetzt erlangten Freiheit Gebrauch zu machen. Die Eltern schickten eine Gesandtschaft mit köstlichen Geschenken an die Fee und ließen sie um Rat und Hilfe bitten; allein die Gesandten kamen mit den Geschenken und dem Bescheide zurück, das Mittel, die Prinzessin zu erlösen, sei das einfachste der Welt; allein der junge Ritter, der sie befreien wolle, müsse es selbst finden, sonst sei es ohne Wirkung.

      Die Prinzessin war bei alledem guten Mutes. In der riesengroßen Haupthalle des Schlosses waren alle Fenster vermauert worden, und Morgane, der die Eltern alles zu Willen taten, hatte dort einen prächtigen Garten anlegen lassen, der aber ganz und gar künstlich war. Die gelben Blumen waren aus Gold, die weißen aus Silber, Fischschuppen oder Perlmutter, die roten aus Rubinblättchen und die blauen aus Saphir. Die grünen Blätter waren aus kostbarem Leder oder steifem Seidenstoff gepreßt und die Stämme der Bäume vergoldet oder schön lackiert. Es waren künstliche Felsen dort und gläserne Bächlein mit goldenen Brückchen darüber und kleine Tempelchen mit Glöckchen daran und Einsiedeleien mit künstlichen Eremiten, und in den Zweigen sangen farbige, blitzende Vögel, die waren auch künstlich und hatten ein Uhrwerk im Leibe. An den Wänden der Halle rankten nachgemachte Weinstöcke hoch empor, an denen mächtige blaue und grüne Trauben hingen, und pflückte man eine Beere ab, so war es ein kleines Glasfläschchen, gefüllt mit köstlichem Syrakuser. Ja, alles war dort so sauber, appetitlich, lackiert und ausdividiert. Alle Steige waren mit Goldsand bestreut, und fortwährend liefen zehn königliche Abstäuber mit Pfauenfederbüschen umher und hielten die Reinlichkeit aufrecht. Für die Blumen waren wieder zehn andere angestellt, die den Titel Düftler führten und deren Obliegenheit es war, jede Blume mit ihrem zugehörigen Duft zu versehen. Sie standen unter dem königlichen Oberhofdüftler und rochen auf hundert Schritte nach Rosen, Veilchen und Narzissen.

      Allmählich kam es wie eine Krankheit über den ganzen Hof, und der Abscheu vor allem Natürlichen ward immer größer, so daß es Hofdamen und Hofherren gab, die von dem Geruch einer wirklichen Rose in Ohnmacht fielen. Sie ahmten alles nach, was sie von Morgane sahen, und bald sah es wunderlich genug an dem Hofe des Königs Bombastus aus. Die Männer schnitten sich ihre natürlichen Haare ab und setzten sich riesige Perücken auf, und die Damen türmten einen gepuderten Lockenbau wie einen Bienenkorb groß auf ihr Haupt. Dazu trugen sie Reifröcke, daß sie aussahen wie Glocken mit zwei Klöppeln, und gingen auf Hackenschuhen wie auf Stelzen einher. So wandelten sie in dem Garten der Prinzessin Morgane beim Scheine einer künstlichen Sonne, die unter der Decke hing und von einem eigenen Hofastronomen dirigiert wurde, und rochen an den nachgemachten Blumen und lauschten auf die künstlichen Vögel und saßen in den bimmelnden Tempelchen und tranken Schokolade mit Eierschnee.

      Als das Gerücht von der Verzauberung der Prinzessin Morgane in die Welt drang, fanden sich allmählich viele Prinzen und irrende Ritter ein, die die Erlösung der Prinzessin zu bewirken trachteten, denn der König hatte dem, der dies vermöchte, die Hand seiner Tochter und sein halbes Königreich versprochen. Sie alle wurden aber, sobald sie nach Zopfheim kamen, von der Luft des Hofes angesteckt, schnitten sich die Haare ab, setzten ellenlange Perücken auf und machten der Prinzessin Komplimente, so zierlich und künstlich, daß man sie gleich hätte unter Glas setzen mögen. Aber kaum hatten sie drei von diesen ausspintisierten, fein geschnitzten Redensarten fertig, so fühlten sie eine Steifigkeit in ihren Kinnladen und eine Erstarrung in ihren Gliedern, und plötzlich saßen sie da als lebensgroße Porzellanpagoden, und nur mit dem Kopfe konnten sie noch erklecklich wackeln.

      In der großen Hauptallee des künstlichen Gartens waren zu beiden Seiten zwei lange Reihen solcher verzauberten Prinzen und Ritter aufgestellt, und jedesmal, wenn Morgane dort entlangging, stieß sie mit ihrem Fächer die Köpfe an, so daß sie alle hinter ihr herwackelten: »Ja, ja, ja, ja!«

      Als Dolpatsch durch die Straßen der Stadt Zopfheim ritt, da rannten die Leute an die Fenster oder blieben auf der Straße stehen und sperrten vor Verwunderung Mund und Augen auf, denn solchen Helden hatten sie noch nicht gesehen. Er aber ritt geradeswegs in das königliche Schloß und begehrte den König zu sprechen. Als er diesem sein Anliegen vorgetragen hatte, führte ihn ein Diener in ein prächtiges Zimmer, und kaum war er dort, so traten unter vielen Bücklingen zwei geschniegelte Männlein ein, die ihm ihre Dienste anboten. Der eine war der Oberhoffriseur und der andere der Oberhofgarderobier. Als aber Dolpatsch merkte, was sie wollten, daß der eine ihm sein mächtiges Goldhaar abschneiden und ihm eine Puderperücke aufsetzen wollte und der andere ihm einen Galafrack, Kniehosen, Seidenstrümpfe und Schnallenschuhe nebst einem niedlichen Galanteriedegen anziehen wollte, da rief er mit so fürchterlicher Stimme: »Hinaus!«, daß die beiden vor Schreck anfangs ganz starr waren, dann in ihrer Angst gar nicht schnell genug aus der Tür kommen konnten und schließlich übereinander hinweg die Treppe hinabpurzelten.

      Nach einer Weile erschien zitternd und blaß der Oberhofmeister mit zwanzig Kammerdienern und forderte Dolpatsch auf, zur Prinzessin zu kommen. Zugleich fragte er mit bebender Stimme, ob der Herr Ritter nicht die große Güte haben wolle, wenigstens die Sporen abzulegen, die Prinzessin sei so nervös, und man könne nicht wissen …

      »Muß ihr abgewöhnt werden!« sagte Dolpatsch. »Vorwärts!«

      Der Oberhofmeister ging, einen großen, goldenen Stab in der Hand, mit schlotternden Knien voran, und

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