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unter der Weste emporgekrochen und zupfte heftig an dem Augenglase, das Johannes auf seiner Brust trug. Dieser, der ganz verwirrt war von dieser unerwarteten Wendung der Dinge, merkte es endlich, zog es hervor und hielt es an seine Augen.

      Welche entsetzliche Veränderung ging nun mit dem vor, das ihm noch eben schön, kostbar und reizend erschienen war. Statt der glänzenden schimmernden Gesellschaft sah er eine abscheuliche Versammlung von ekelhaften, schwarzglänzenden Ungetümen vor sich, die ihn mit roten tückischen Augen und wutverzerrten Gesichtern anstierten, statt goldener Halsbänder züngelnde Kreuzottern trugen und statt auf kostbaren Stühlen auf modrigen, von schwarzen Schnecken bekrochenen Baumstümpfen saßen. Die Edelsteine und Perlen hatten sich in schmutzige Kiesel und leere Schneckenhäuser verwandelt und des Königs Söhnlein in ein kleines, widriges, warzenbedecktes Scheusal. Die flimmernde Pracht der Wände dieses Kuppelsaales war dahin, und statt dessen glaubte er in einen ekelhaften, von Blutegeln, Kröten, Molchen und anderen scheußlichen Tieren wimmelnden Sumpf zu schauen.

      Zugleich erhob sich ein Heulen, Quäken und Schreien, und mit wutverzerrten Gesichtern schossen die Gnomen auf ihn zu. Schwarze Arme streckten sich lang nach ihm aus, Schlangen zischten ihm wütend entgegen, allein als wenn ein Zauber sie bände, zuckten sie immer wieder zurück und wagten nicht zuzugreifen. Jetzt war der Augenblick zum Handeln gekommen; Johannes ersah die Gelegenheit, stürzte sich auf den kleinen Sohn des Königs, und indem er ihn am Halse ergriff, langte er gleichzeitig mit der anderen Hand in eine Tasche, die die Zwerge mit dem roten Salz gefüllt hatten, und rief: »Gibst du den Handring nicht heraus, König Egelborst, so ist dein Sohn, so sind alle, die ich erreichen kann, im Augenblick des Todes!«

      Der König und die anderen Gnomen wurden grün vor Schreck, und alle wichen vor dem Anblick des gefürchteten Salzes winselnd zurück. Der König rief: »Halt ein, du sollst haben, was du begehrst!«

      Dann winkte er seinem Schatzmeister und flüsterte ihm etwas zu. Dieser ging und kam nach einer Weile mit einem großen, herrlich verzierten, goldenen Ringe zurück, den er Johannes überreichen wollte. Allein in diesem Augenblick biß die Spitzmaus ihn empfindlich in die Brust, welches Zeichen er wohl verstand.

      »Es ist der rechte nicht!« rief Johannes und machte eine Bewegung, als wollte er den strampelnden und winselnden kleinen Wüterich, den er am Halse hielt, mit dem Salze bestreuen.

      »Halt ein!« schrie Egelborst, gelbgrau von Angst und Wut, denn er liebte dies kleine Scheusal über alles. Dann eilte er selbst fort und kam nach einer Weile zurück mit einem glatten, ovalen Ringe von massivem Golde, der gerade so groß war, daß man die Hand ohne den Daumen hindurchstecken konnte. Bei dem Anblick dieses Ringes stieß die Spitzmaus ein jauchzendes Quietschen aus, und nun wußte Johannes, daß es der rechte war.

      So gelangte er glücklich in den Besitz dieses Kleinods und erreichte mit ihm ohne weitere Gefahr die Oberfläche der Erde.

      In den Wohnungen der Zwerge herrschte eitel Jubel und Wonne, als Johannes mit dem erworbenen Ring glücklich zurückkehrte. Sie tanzten umher, schossen Kobold im grünen Grase und wußten sich vor Vergnügen gar nicht zu lassen. Zugleich ward in dem versumpften Walde ein Heulen und Gewinsel und klagendes Gequäk; überall rührte es sich und wälzte es sich davon und wühlte durch den Schlamm und verlor sich allmählich in der Ferne.

      »Ohne Aussicht auf Lohn hast du uns geholfen«, sagte der Rothut zu Johannes, »wie es geschehen mußte; nun dürfen wir uns dankbar zeigen.«

      Er belud ihn mit den köstlichsten Schätzen an Perlen und Edelgestein, und so kehrte Johannes zu seinem Dorfe und seinem Vater zurück. Dieser, der ihn schon verloren geglaubt hatte, staunte nicht wenig, als er durch den glücklich Zurückgekehrten plötzlich zu einem reichen Mann gemacht wurde. Er kaufte sich in der Folge ein herrliches Gut, das an den Zwergenwald angrenzte, und als er gestorben war, brachte Johannes, der unterdes erwachsen war, auch diesen Wald, der nun wieder grün und frisch von kristallklaren Quellen durchrieselt war, in seinen Besitz. Das Teufelsmoor aber ließ er durch Anlage eines mächtigen Grabens trockenlegen, so daß die Wohnstätte der Gnomen vernichtet ward und fröhlicher Wald dort ebenfalls aufschoß. Von den Gnomen hat man später nie etwas gehört; sie mögen wohl verdorben und gestorben sein.

      Dolpatsch

      (Heinrich Seidel)

       Inhaltsverzeichnis

      Es war einmal ein Fischer, der hatte drei Söhne. Der erste konnte so gut rudern wie keiner im Dorf und war ein Meister im Aufstellen der Netze. Der zweite verstand sich auf das Angeln und das Pfeifen; er konnte so schön pfeifen, daß die Fische aus reinem Vergnügen an seine Angel bissen. Der dritte konnte gar nichts; aber er war sehr stark und sagte allen Menschen die Wahrheit. Da nun die Leute niemals gern hören, wenn jemand zu ihnen sagt: »Du hast eine rote Nase« oder »Du bist ein Klatschmaul« oder »Du hast das Pulver nicht erfunden«, so mochten sie ihn nicht leiden, und weil er immer so geradezu war, nannten sie ihn Dolpatsch.

      Eines Tages half Dolpatsch dem Vater und den Brüdern fischen. Er hatte sich sehr in acht genommen, das Netz beim Auslegen nicht zu zerreißen, denn es kam ihm so fein wie Tüll vor in seinen Fingern. Doch es glückte ihm, und sie brachten das Netz endlich ans Land. Nun sollte es aus dem Wasser gezogen werden.

      »Ich werde behutsam sein«, sagte Dolpatsch und zog nach seiner Meinung ganz sanft; allein es war schon gerade zuviel, und die Brüder, die am anderen Ende zogen, wurden durch den heftigen Ruck ins Wasser gerissen, daß sie das Netz fahrenließen und alle Fische davonschwammen. Der Vater schalt, und Dolpatsch sagte: »Ja, lieber Vater, es geht nicht, ich bin nicht zart genug für dies Geschäft.«

      Es war aber etwas Schweres im Netze hängengeblieben, und der eine der Brüder brachte es mühsam herbeigeschleppt. Es war ein gewaltiges Schwert, ganz blank und ohne Rost, obgleich es im Wasser gelegen hatte. Als Dolpatsch es erblickte, funkelten seine Augen, er nahm es dem Bruder aus der Hand und schwang es durch die Luft, daß es in der Sonne wie ein Blitzstrahl aufflammte.

      »Hurra!« rief Dolpatsch, »nun habe ich ein Schwert, nun ziehe ich hinaus in die Welt und erobere mir ein Königreich.«

      »Dummer Junge«, sagte der Alte, »als wenn die Königreiche so auf der Straße umherlägen.«

      Aber fort wollte Dolpatsch nun einmal.

      Am anderen Morgen schnürte er sein Bündel, gürtete sich sein Schwert um, nahm Abschied von seinen Eltern und Geschwistern und zog fort in die Welt. Da sah er recht, wie groß sie war. Er zog bergauf, bergab, und immer, wenn er auf einem neuen Hügel angelangt war, lag es wieder weit und unermeßlich vor ihm. Am Wege saßen die Finken in den Bäumen und sangen: »Hurra! es geht in die weite, weite Welt!« Dann flog eine Goldammer vor ihm her von Baum zu Baum und zwirnte ihren einförmigen Gesang: »Wenn du zwei Flügel hättst, könntst du mitfliegn!« Die Raben aber, grob wie sie sind, saßen oben in den knorrigen Ästen und riefen dumpf: »Dolpatsch! Dolpatsch!« Der aber lachte nur über sie und ließ sie sitzen.

      Eines Tages, da er schon durch viele Länder gereist war, kam er in einen großen, wilden Wald. Wenn’s doch ein Abenteuer gäbe, dachte Dolpatsch, es wird schon langweilig. Ich möchte, es käme ein Drache oder ein paar Löwen oder sonst ein Ungeheuer, das man umbringen kann. Aber er wanderte den ganzen Tag, und nichts ließ sich sehen, nicht einmal ein Bär oder ein wildes Schwein.

      Gegen Abend, als es schon ganz dunkel war, sah er zwischen den Felsen einen Feuerschein. Er ging darauf zu und gelangte an eine Höhle, in der ein großes Feuer brannte. Um das Feuer saßen vier Räuber, und auf dem Boden lag ein alter Mann, der an Händen und Füßen gebunden war.

      »Es ist gut, daß wir den Alten nun endlich einmal haben«, sagte der eine Räuber; »morgen muß er mit und uns auf seiner Felsenburg seine Schätze zeigen, und wenn er nicht will, so machen wir ein Feuer und braten ihn ein bißchen, da wird er schon willig werden!« Die anderen Räuber lachten, allein Dolpatsch fuhr auf einmal dazwischen und rief: »Gleich gebt ihr den Alten frei, oder ich mache euch alle nieder!« Die Räuber sprangen auf und griffen nach ihren Schwertern, allein Dolpatsch fuhr unter sie wie ein Blitz,

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