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ist und das die Autobahn ...“ Anne sah ihm ohne große Hoffnung zu.

      „Was soll denn das nützen?“

      „Ach, immer gleich die Flinte ins Korn werfen! Ich hab doch mein Motorrad“, sagte Peter eifrig. „Wenn wir heute Nacht zu Großpapa rutschen und ihn beschwatzen, dass er anruft – oder noch besser: mitkommt?!“

      „Peter!“ Anne musste sich den Mund zuhalten, um nicht loszuschreien. Dann flüsterte sie: „Du, das wäre die Lösung! Die Lösung!“

      „Ihn mitbringen? Auf dem Sozius?“, fragte Margot skeptisch. „Und Anne macht inzwischen die Sprechstunde in Neuhausen?“

      „Kopfrechnen schwach! In seinem Wagen natürlich!“, sagte Peter vergnügt. „Hast du schon mal einen praktischen Arzt ohne fahrbaren Untersatz gesehen?“

      „Na klar. Aber ob er mitkommt?“

      „Du kennst ihn doch! Der ist ein alter Pferdemann! Wenn er nicht gerade zu einer Geburt über Land ist –“

      „Unsinn, er wird schon nicht.“ Jetzt war auch Margot neu belebt und für den Plan eingenommen. „Ihr fahrt sofort los. Kinder, wenn ich doch auch mitkönnte! Kannst du nicht fix einen Beiwagen anmontieren oder mich auf dem Tank nehmen, Peter?“

      „Unser Volontär hat eine Beiwagenmaschine“, sagte Peter zögernd, „da könnten wir alle drei los.“ Anne und Margot sprangen hoch vor Freude. „Aber wie weit es ist, wissen wir immer noch nicht.“

      Anne kauerte vor der primitiven Zeichnung im Sand.

      „Neunzig Kilometer“, sagte sie schließlich, „das ist aber reichlich gerechnet. Direkt als Nachbardorf von Lauterbach kann man Neuhausen nicht bezeichnen. Immerhin, da ist ja die Autobahn.“

      „Ja, wir müssten es gut schaffen. Es ist jetzt elf durch“, sagte Peter. „Ich hol also die Maschine. Unser Volontär gibt sie mir sicher, wenn ich ihm sage, es wäre lebenswichtig.“

      „Halt mal“, sagte Margot in diesem Augenblick. „Peter, ich glaube, es ist doch besser, wenn ihr ohne mich fahrt. Ich wäre ja zu, zu gern mitgedonnert, aber ...“

      „Aber?“, fragten Peter und Anne wie aus einem Mund.

      „Ja, seht ihr, gesetzt den Fall, wir sind nicht zur rechten Zeit wieder da – morgen früh halb fünf, es kann ja doch was dazwischenkommen -, was dann?“

      „Ach, es wird schon klappen“, versuchte Anne, ihre eigenen Bedenken zu überrennen. Aber Peter gab Margot Recht.

      „Garantieren kann ich natürlich nicht. Und dann seid ihr beide nicht da, und das gibt Ärger. Ärger wollen wir aber gerade aus der Welt schaffen, stimmt’s?“

      „Eben. Und dass ich etwa Angst hätte, mitzufahren, das glaubt ihr wohl selber nicht. Aber sieh mal, Anne, die Königin kann doch wahrhaftig erwarten, dass wir ihre gute Beurteilung bestätigen, soweit das irgend möglich ist. Wenn du nicht ganz pünktlich zurück bist, kann ich immer noch einspringen, die Milch fertig machen und den Frühstückstisch decken – das tu ich übrigens besser noch heute Nacht, ganz leise. Besser ist besser. Da könnte ich zur Not sogar noch in die Küche – und niemand merkt was!“

      „Du bist großartig, Margot“, sagte Anne leise, „und du hast Recht. Man weiß nie. Wenn du so gut bist ...“

      „Ach, du lieber Himmel, jetzt drisch keine Phrasen! Du tätest das im andern Fall wohl nicht? Los, los, Peter, hol inzwischen die Maschine. Es ist aber nicht nötig, dass du mit offenem Auspuff und im ersten Gang mit Vollgas vor die Freitreppe fährst. Der Hof hat eine zu blendende Akustik.“

      Sie lachten. Peter schlug als Treffpunkt die Apostellinde am Dorfeingang vor, sie wechselten noch ein paar Worte über zweckmäßige Bekleidung, dann rannte Peter los. Die Mädchen kletterten ins Haus zurück.

      „Du musst dich warm einpacken“, sagte Margot eifrig, „zieh meine Trainingshose noch über deine, es ist kühl. Und wie du aussiehst, spielt keine Rolle.“

      Sie lachten, dass sie sich den Mund zuhalten mussten, als Anne glücklich reisefertig dastand. Sie nahm für alle Fälle noch die Taschenlampe mit, ein frisches Taschentuch, ein Kopftuch übers Haar – fertig. Wieder jumpten sie aus dem Küchenfenster und trabten dann miteinander durch den Hof, vorsichtshalber im Schatten der seitlichen Gebäude, denn der Mond war sehr hell. Peter wartete schon.

      Margot tat es sehr Leid, dableiben zu müssen, denn in Neuhausen war sie ja daheim. Wie gern wäre sie für fünf Minuten nach Hause gerutscht! Immer wieder trug sie Anne Grüße an das heimatliche Dorf auf, die diese natürlich nicht ausrichten konnte. Sie machte aber weder in Tragik noch in Wehmut und winkte noch lange mit beiden Armen, wie sie es immer tat.

      Peter brauste die nächtliche Landstraße entlang, dass es Anne nur so um die Ohren pfiff. Sie hätten ohne Licht fahren können, so hell war es. Mühelos fanden sie durch die Dörfer und lenkten schon nach kurzer Zeit die Auffahrt zur Autobahn hinauf.

      „Hast du auch getankt?“, schrie Anne ihrem Fahrer zu.

      „Ach, das ist doch nicht der Rede wert“, rief Peter zurück. Anne lachte, man verstand sich so schlecht während des Fahrens. So schwieg sie lieber und äugte scharf nach vorn. Sie war gar nicht müde. Es war eigentlich herrlich, nachts die Autobahn entlangzuflitzen, statt zu Hause im Bett das Leben zu verschlafen.

      Nach einer Weile fing der Vergaser an zu spucken.

      „Na, wo fehlt’s denn?“, fragte Anne besorgt.

      „Weiß ich’s? Ola, ola, altes Ross“, begütigte Peter. Anne musste lachen. Peter war auch ein eingefleischter Reiter, sicher gab er dem Tank jetzt treibende Hilfen.

      „Vielleicht braucht das Ross ein bisschen Hafer?“, fragte sie, sich vorbeugend.

      „Ja, zum Kuckuck, daran hätte ich denken sollen!“, rief Peter und schlug sich vor die Stirn. „Tanken! Warum sagst du das nur jetzt erst!“

      „Ich habe“, sagte Anne kleinlaut, „du hast mich nur nicht verstanden. Bleiben wir jetzt sitzen?“

      „Nee, vorläufig noch nicht. Ein Stück kommen wir noch. Ich schätze, dreißig Kilometer“, er hatte den Hahn umgestellt.

      „Und wie viel sind’s noch?“, fragte Anne.

      „Es kann reichen, wenn du vorhin richtig gerechnet hast. Auf der Autobahn kommt man immer ein bisschen weiter, weil man da nicht dauernd bremsen und schalten muss. Aber ...“

      „Ist’s knapp?“

      „Ganz knapp.“

      „Na, gute Luft.“ Anne hatte von Margot doch schon einiges gelernt und bemühte sich, Galgenhumor zu zeigen. Margot war eigentlich nie verzweifelt. Sie erinnerte Anne immer an den Frosch, der in einen Topf Sahne fällt und eigentlich rettungslos verloren sein müsste, aber so lange unverzagt paddelt, bis er auf einem Klumpen Butter sitzt, während sein Artgenosse, der nicht so viel Optimismus zeigte, gleich aufgab und ertrank.

      „Ich mach mich recht leicht!“, rief sie also nach vorne, „und außerdem halt ich beide Daumen.“

      „Hauptsache!“, schrie Peter zurück und gab wieder Gas. Anne versuchte, die Kilometersteine am Rand der Autobahn zu erkennen. Unwillkürlich hob sie sich auf den Fußrasten, als könnte sie damit, wie durch die Bügel beim Reiten, das Motorrad entlasten. Die Gegend wurde immer vertrauter, es konnte also nicht mehr allzu weit sein.

      „Jetzt weiß ich genau, wo wir sind!“, rief sie triumphierend nach einer Weile. „Von hier aus ist’s wirklich nicht mehr weit. Aber wo wir von der Autobahn runterkommen, das hab ich mir vorher nicht überlegt.“

      „Ich auch nicht“, gab Peter beschämt zurück. Er grübelte bereits eine ganze Weile über diesem Problem.

      „Neuhausen hat keine Ausfahrt.“

      „Nein, wir müssen also etwas darüber hinausfahren.“

      „Stimmt.

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