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Damen aus der Stadt und Peter. Er hatte sein freundlichstes Gesicht aufgesetzt und begrüßte Anne, stellte sie den Damen vor und meinte dann, sie wollten heute des schönen Wetters wegen nicht in der Halle, sondern in der Bahn draußen reiten. Anne und die andern sattelten, Peter half den beiden Damen, die sich dabei recht ungeschickt anstellten, und führte die Pferde hinaus. Es war heiß, aber unter den hohen Bäumen war die Luft herrlich angenehm. Anne merkte sehr bald, dass sie mehr konnte als die beiden Damen aus der Stadt, die in Schneiderjacken und mit Handschuhen und eigenen Gerten ritten. Es machte ihr Vergnügen, und sie plinkerte Peter zu. Reuter war nicht zu Pferde, sondern stand in der Mitte, schlug mit seiner Gerte immer wieder an seine Stiefelschäfte und kam langsam in Hitze, denn besonders die eine Dame wurde mit ihrem Pferde nicht fertig.

      „Reißen Sie es doch nicht ins Maul, es weiß ja nicht, was es soll!“, rief er grollend. „Linker Schenkel ran, der linke ist der treibende. So galoppiert er im Leben nicht an. Halt! Anne, zeigen Sie es mal.“

      Anne wurde dunkelrot. Sie war noch nie allein, also außerhalb der Abteilung, geritten, würde sie jetzt versagen? Reuter hatte das Pferd der nun ziemlich kopflosen Dame am Zügel gefasst und führte es in der Mitte des Hufschlags. Die andere und Peter schlossen sich an. Der Goldpeter schien zu meinen, dass auch er hinterhergehen sollte – sie parierte durch, so weich sie konnte. Er stand.

      „Also – Arbeitstempo Terrab!“

      Wahrhaftig, der Goldpeter war ein Goldkerl! Anne trieb und hob sich in den Bügeln – er trabte. Sie nahm die Knie ran, die Absätze tief und regulierte die übrige Körperhaltung. Das war gar nicht schwer. Sie sah nichts als die spielenden Pferdeohren vor sich und dahinter das Grün des Laubes.

      „Scherrit. Aus dem Schritt angaloppieren – im natürlichen Tempo – Ga-lopp!“

      Wirklich, auch jetzt gehorchte das Pferd. Anne war gerührt. Nur zu oft hatten ihr die andern, die schon länger ritten, erzählt, dass die Pferde den Befehlen nur gehorchten, solange sie eins hinter dem anderen in der Abteilung liefen. „Sie kleben zusammen wie die Briefmarken“, hatte Karl einmal gesagt, „wenn du eins allein hast, kannst du wieder von vorn anfangen mit Lernen.“

      Aber Goldpeter tat, was sie wollte. Vielleicht hatte er selbst Lust, zu galoppieren? Vielleicht aber gab sie tatsächlich die richtigen Hilfen? Ein Glücksgefühl ohnegleichen durchströmte sie. Was war sie denn selbst? Ein kleines, dummes, junges Ding, nie im Leben fähig, sich in Bezug auf Kraft mit solch einem stolzen und edlen Tier zu messen! Und doch gehorchte es ihr, es tat, was sie wünschte, es lauschte auf ihren Zungenschlag und fühlte mit der Lippe am Zügel entlang nach ihrer regierenden Hand. Ein leichter Druck mit dem Schenkel, nicht befehlend, nur übermittelnd, mitteilend – und schon fügte es sich ihrem Willen.

      Zum ersten Mal verstand sie das Wort „Hilfe“ richtig. Sie half dem Pferd, sie zwang es nicht, sie wurde eins mit ihm, eine Absicht, ein Wille. Und das alles, weil sie es liebte, weil sie sich geduldig bemüht hatte, es zu verstehen und es zu lehren, dass es sie verstand.

      „Gut so. Ja, das nennt man reiten, meine Damen“, sagte Reuter. „Noch einmal: Scherrit. Und aus dem Schritt angaloppieren! Aber diesmal nicht auf meinen Zuruf, sondern allein. Reiten Sie im Schritt bis an die große Linde und dann Galopp. Los!“

      Am Rande des Parkes kamen ein paar Spaziergänger vorbei, sie blieben stehen und sahen herüber. Anne bemerkte es gar nicht, sie war viel zu konzentriert auf ihr Pferd und ihre Aufgabe.

      Aber Peter erkannte, dass Margot dabei war, sie ging neben einem großen, hageren Herrn. Im nächsten Augenblick kehrten alle rasch um und verschwanden hinter der dichten Taxushecke.

      Gerade galoppierte Anne wieder an, genau an der richtigen Stelle. Das Herz lachte ihr.

      „Jawohl“, sagte Reuter befriedigt. „Sehen Sie, dieses junge Mädchen lernt was. Wie lange Anne schon reitet? Ein Vierteljahr und durchschnittlich zweimal die Woche. Manchmal mehr. Das ist nicht viel, nein. Aber sie hat die Liebe zum Pferd, die nötig ist, sie beschäftigt sich jede freie Minute im Stall. Sie dient der Kreatur. Sie sollten einmal sehen, wie sie dem Pferd die Trense ins Maul schmeichelt, wie sie ihm den Sattel auflegt. Jeder Griff ist behutsam und voller Sorgfalt und Liebe. So muss es sein! Kommen, sich auf ein gesatteltes Pferd setzen und eine Stunde reiten, das genügt nicht. Das ist – im höchsten Fall! – das Erlernen eines Handwerks, einer Fertigkeit. Aber Reiten, richtig Reiten ist eine Kunst. Und Kunst ist etwas Heiliges, verstehen Sie mich, meine Damen? Diese junge Angelika da versteht das aus sich selbst heraus, mit ihr brauche ich darüber nicht zu reden. In ihr steckt das Zeug zur Künstlerin, zur wahren Künstlerin, der die eigene Person gleichgültig, die Kunst aber alles ist.“

      Er war ordentlich in Feuer gekommen und merkte nicht, dass die Spaziergänger, die vorhin außerhalb des Zaunes gestanden hatten, schon vor einem Weilchen hinter ihn getreten waren.

      Margot gab ihm einen kleinen Schubs, sie sah die Katastrophe kommen, konnte sie aber nicht aufhalten.

      „Herr Reuter – bitte. Sie bekommen Besuch!“, flüsterte sie ihm zu. Er wandte sich um.

      „Scherrit, Anne. Genügt. Sie haben es tadellos gemacht!“, rief er ihr zu. Sie parierte durch.

      „Verzeihung, sprechen Sie mit meiner Tochter? Doktor Birkner“, stellte sich der hagere Herr mit einer knappen Verbeugung vor.

      „Jawohl. Reuter.“

      Sie begrüßten sich. Reuter machte bekannt und war keineswegs im Bilde, was nun hereinbrechen würde.

      Und es brach herein.

      Margot zog den Kopf ein, sie kannte ja Annes Vater. Es war wirklich Pech, dass es ausgerechnet so kommen musste. Aber es war nicht zu verhindern gewesen.

      Annes Eltern hatten eine Überraschung geplant. Sie waren von der Station Lauterbach herübergewandert, Frau König wollte ihnen Kaffee anbieten, aber sie zogen es vor, erst Anne zu suchen. Margot hatte Herta in die Reithalle gejagt, um vorzuwarnen, während sie selbst mit Dr. Birkners um den Park herumging. Das war also nun das Verkehrteste, was sie hatte tun können.

      „Darf ich fragen, wieso meine Tochter hier den Jockei spielt, anstatt, wie ich wünsche, bei Frau König zu arbeiten?“, fragte Herr Birkner. Seine Frau war blass und versuchte, ihn zu beschwichtigen, aber ohne Erfolg.

      „Ich verstehe nicht. Haben Sie etwas dagegen? Ich besitze doch Ihre schriftliche Erlaubnis, dass Sie mit gelegentlichen Reitstunden Ihrer Tochter einverstanden sind?“

      „Gelegentlich? Und eben sagten Sie, zweimal die Woche reite sie hier und verbrächte ihre gesamte freie Zeit im Stall?“

      „Das tut sie. Aber mit Wissen und Erlaubnis meiner Schwester.“ Reuter war höflich und in Bezug auf Dr. Birkners Wut völlig verständnislos.

      „Soso. Und das Ganze nennt sich landwirtschaftliches Praktikum. Meine Tochter soll Landwirtschaftslehrerin werden und nicht ...“

      „Vater!“ Anne war abgesessen und hatte Peter den Zügel ihres Pferdes gegeben. Sie stand vor den Eltern, noch erhitzt vom Reiten und bebend vor Erregung. Jetzt ging es ums Ganze, das fühlte sie. „Vater, ich wollte es dir erst sagen, wenn ich es zu etwas gebracht hätte. Damit du siehst, wie ernst es mir ist. Ich möchte ...“

      „Was möchtest du?“

      Die leise Stimme des Vaters klang schneidend. Wenn er gebrüllt hätte, wäre es nicht so schlimm gewesen.

      „Ich möchte eben Reitlehrerin werden“, vollendete Anne so ruhig wie möglich. Das Herz schlug ihr bis in den Hals hinauf.

      „Reitlehrerin ...“

      „Vielleicht besprechen wir das besser drüben im Gut“, sagte Reuter beherrscht, „ich komme mit. Peter, sei so gut und sattle ab, und Sie, meine Damen, sind wohl so freundlich, es mir nicht übel zu nehmen, wenn ich jetzt unterbreche. Ich stehe nachher wieder zu Ihrer Verfügung. Bitte, Herr Doktor Birkner!“

      Annes Vater konnte nicht anders, als sich ihm anzuschließen. Margot stand neben Anne.

      „Au Backe, du, wenn das gut

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