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ein dünnes Sitzkissen. Da war was aufgedruckt. Oder aufgestickt. Konnte ich auf die Entfernung nicht erkennen.«

      »Ich erinnere mich. Das war aufgedruckt. Auf einer Seite. Und ziemlich lädiert, durchgescheuert vom Sitzen. Ein Oldtimer war da abgebildet. Frag mich nicht, welcher Typ.«

      Milka schwieg, dachte nach.

      »Was fängst du jetzt mit der Information an?«

      Milka zögerte. »Angler und Oldtimer. Klar, kein Widerspruch. Passt aber irgendwie nicht zwingend zueinander.«

      »Du denkst wahrscheinlich an Langenburg? Liegt bei deiner bevorstehenden Rallye auch nahe. Komm, wir fahren jetzt.«

      Paul Eichert lieferte den Fund bei der Kripo in Künzelsau ab. Sein Kollege Karle hatte anscheinend dienstfrei. Einer seiner Kollegen notierte sich Pauls Handynummer.

      Kurz vor Vellberg wies Milka auf die rechts liegende Stöckenburg hin. »Da gab es mal eine keltische Siedlung mit einer Fliehburg. Heute steht da die evangelische Sankt Martins-Kirche, sozusagen die Mutterkirche der ganzen Region.«

      »Hast du bestimmt von deinem Miraculix, Professor …« Pauls Handy klingelte in Milkas Worte »Lothar braut nix« hinein. Kommissar Karle ließ sich die Umstände des Funds erklären, versprach für später eine Überraschung, wollte aber partout nicht verraten, was er damit meinte.

      Milka saß mit Paul zusammen, beide über das Programm und die Formulare zur Langenburg Historic gebeugt. »Am Freitag Anreise, Dokumente und technische Abnahme. Und die wiederholt sich jeden Tag. Ab 18 Uhr starten dann die ersten Fahrzeuge zum Oldathlon. Am Samstag sind wir nach der Fahrerbesprechung um 9 Uhr dran. Zum ›Landtag‹?« Paul setzte ein Fragezeichen hinter Landtag.

      »Damit ist nicht der Landtag in Stuttgarts Schlossgarten gemeint, Paul.«

      »Dachte ich mir schon. Und am Sonntag ist dann Bergtag.«

      »Genau. Zwei Trainingsläufe und dann die zwei möglichst zeitgleich zu fahrenden Wertungsläufe. Den Start erklär ich dir später.«

      Die Tür zum Kaminzimmer öffnete sich rücksichtsvoll langsam, Laura steckte vorsichtig ihren Kopf durch den Spalt. »Morgen nicht vergessen, bestimmt nicht?« Milka schüttelte den Kopf. »Bestimmt nicht.«

      Ihr Bruder Christoph tauchte hinter seiner Tochter auf: »Da draußen steht Sebastian mit seinem Hund, beäugt gerade deinen Käfer.« Das Peterle, der schwarze Hofkater, zwängte sich zwischen Christophs Beinen durch und sprang auf Milkas Schoß. Allen Bemühungen zum Trotz hatte sie seinerzeit die Namensgebung durch Laura und Jonas nicht mehr abbiegen können.

      Sebastian Wild, ehemaliger Kreisjägermeister und Pauls Onkel und, nicht zu vergessen, Lieferant einer leider nur geringen Menge an exzellenter Wildsalami für den Hofladen, war durch den Flur zu hören. Genauer, sein Deutsch-Kurzhaar machte sich bemerkbar.

      Milka begrüßte ihn im Flur, wies auf das Kaminzimmer. Sebastian Wild kannte den Weg. Der Deutsch-Kurzhaar folgte Milka in die Küche, wartete artig auf seinen dicken Wurstzipfel, folgte Milka auf dem Fuß und machte in respektvoller Distanz zu Peterle Platz. Man kannte sich und die jeweiligen Reviergrenzen.

      Milka stellte einen Lauffener Katzenbeißer auf den Tisch und schenkte dem ehemaligen Kreisjägermeister ein sehr gutes Viertele ein. Sebastians Augen begannen zu glänzen. Den kritischen Blick seines Neffen bemerkend, fragte er: »Bist du im Dienst?«

      Paul ging nicht darauf ein. »Du siehst etwas erschöpft aus, Sebastian. Etwas derangiert. Und das Pflaster an der Hand?«

      »Wir waren auf Fuchsjagd. Und mein Deutsch-Kurzhaar ist hinterher, wollte in den Bau – dafür ist er aber nicht geschaffen.«

      »Momentan ist doch keine Jagdsaison.«

      »Das ist wohl richtig. Aber meine Nichte, die Inge, in Gaildorf, kennst du doch …«

      »Das ist schon ewige Zeiten her.«

      »Na ja, und vor ewigen Zeiten hatte ich mal so viele Fuchsfelle zusammen, dass sie sich vom Kürschner einen Mantel …«

      »Sebastian, was hat das mit heute zu tun?«

      »Mach ja schon.« Sebastian Wild nahm einen großen Schluck des Rotweins. »Vor einigen Tagen rief sie mich an. Also, wie soll ich sagen, sie hat etwas zugenommen. Oder etwas mehr. Jedenfalls passt der Mantel nicht mehr so recht. Sie fragte an, ob ich einige Füchse erlegen könnte, sodass der Kürschner …«

      Paul platzte laut heraus, Milka unterdrückte ihren Lachreiz, so gut es eben ging. Es ging ausgesprochen schlecht.

      »Also bist du jetzt im Sommer auf Fuchsjagd. Falsche Zeit, oder?«

      »Nicht die beste. Aber an den Waldrändern mit den Übergängen zu Feldern und mit Geduld hat man eine Chance.« Sebastian Wild nahm einen kräftigen Schluck Katzenbeißer, das Glas war schon beinahe leer. »Nur, das Schwierige daran ist, du musst Füchse aus der gleichen Region schießen. Je nach Standort haben die andere Fellfarben und dann, na ja, dann passt es erst wieder nicht.«

      Das Gelächter fiel diesmal verhaltener aus, übertönte jedoch das Klopfen an der Tür.

      Michael Deiniger kam herein, zwar ein eher seltener Gast im Mayr’schen Hofgut, aber Milkas technischer Ratgeber für die Komplettrestaurierung ihres Käfers. »Guten Abend. Geht lustig zu bei euch.« Nur die Mundwinkel seines hageren Gesichts bewegten sich zu einem angedeuteten Lächeln, als Paul die Story vom Fuchsfellmantel in Kurzfassung wiederholte.

      »Dein Käfer steht draußen, Milka. Hattest du heute deine Jungfernfahrt?«

      Milka behauptete später steif und fest, Pauls Gesicht habe in diesem Moment eine kränkliche Blässe angenommen. Was Paul vehement bestritt.

      »Sehr gut bestanden. Paul kann das bezeugen. Und du bist bei der Rallye auch dabei? Mit deinem 75er Morgan Plus8 Cabrio?«

      Diese Fachsimpelei sagte Sebastian Wild nun gar nichts. Er schenkte sich nach und füllte ein Henkelglas für Deiniger. Sein fragender Blick an Paul fand nur ein Kopfschütteln. »Du warst wohl zu lang in Hamburg. Ihr Nordlichter habt eben vom guten Württemberger keine Ahnung.«

      »Du bist es, der keine Ahnung hat, Sebastian. Im Norden, genauer gesagt in Bremen, lagert mehr Württemberger Wein als bei euch.«

      »Du tüddelst doch«, meinte Sebastian, der das Wort bei Paul aufgeschnappt hatte, es aber »tüddelscht« aussprach. Der reine Horror für Paul.

      »Von wegen. Das geht zurück auf einen Ratsbeschluss der Hansestadt aus dem Jahr 1405. Heute ist der Ratskeller mit seinen 5.000 Quadratmetern die weltweit größte Lagerstätte für deutschen Wein und gehört zum Weltkulturerbe. Alle Großen waren hier. Bismarck, Kaiser Wilhelm I und II, Richard Wagner, Strauss, Gogol. Selbst die Queen war einmal da und hat Wein verkostet. Richtiggehend legendär waren die Besäufnisse von Friedrich Engels.«

      »Der Revoluzzer? Der …« Pauls Smartphone meldete sich und verhinderte Sebastians Ansatz zu einer heftigen Replik. Auch Milka und Deiniger, die Köpfe zu einem Flüstern zusammengesteckt, horchten auf.

      Pauls eingestreuten Worten war so gut wie nichts zu entnehmen. Zumindest Milka wartete gespannt. »Kommissar Karle«, erklärte Paul, öffnete seine Foto-App und starrte gebannt auf das sich öffnende Bild. Eine digitale Rekonstruktion des Aussehens des Toten. Die linke Gesichtshälfte, weitgehend vom Schlag verschont geblieben, hatte anscheinend geholfen.

      Milka nahm das Handy in die Hand. »So knapp unter 60, würde ich schätzen.« Paul nickte nur, gab eine kurze Erklärung zu der Aufnahme und der Person.

      Michael Deiniger beugte sich interessiert zu Milka, drehte ihre Hand mit dem Smartphone ein wenig, hob seine Augenbrauen zu einem erstaunten Blick, sah Milka an. »Und der soll tot sein? Ich kenne ihn. Das ist Alfred Wagner aus Langenburg. Der technische Haus- und Hofmeister von Claus Peter Thaler, dem Fabrikanten.«

      »Den kenn ich auch«, hustete Sebastian Wild, der sich bei der Nennung des Namens an seinem Katzenbeißer verschluckt hatte.

      »Alfred Wagner?«,

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