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besprechen.“ Beate Bergmann schmunzelte. „Aber nur mit den Jasagern, Schatz. Versprochen?“ Eine Woche später baute Zirkus Zambesi sein Winterquartier auf der großen Wiese zwischen Kirche und Pfarrhaus auf. Kleine Engagements auf den umliegenden Weihnachtsmärkten mit Ponyreiten, Feuerzauber, Akrobatik und Jonglage füllten die leere Kasse ein wenig auf.

      Einmal in der Woche kam Uwe Kleinhorst, Landwirt und Mitglied des Kirchenvorstands, um Stroh und Heu für die Tiere zu bringen und den ganzen Mist mitzunehmen.

      Im Kindergarten und in den Schulen gab es das Partnerschaftsprojekt „Unser Zirkus Zambesi“, und viele brachten Obst und Gemüse für Mensch und Tier mit.

      Am Abend des 22. Dezember zogen schwere Wolken übers Land. Es regnete und stürmte die ganze Nacht. Die Wagen und Unterstände der Tiere versanken im Schlamm. Bauer Kleinhorst kam und transportierte in mehreren Fuhren die Ponys und Tauben in seinen Stall. Die Zirkusfamilie, die Hunde und Gordon, der Goldpython, hatten während des Unwetters im Pfarrhaus Unterschlupf gefunden, als plötzlich ein ohrenbetäubendes Krachen zu hören war. Alle rannten entsetzt aus der Haustür. Der Sturm hatte die alte Eiche entwurzelt. Sie war durch das Dach der Kirche geschlagen und lag nun mitten im Kirchenschiff. Pfarrer Bergmann rief die Feuerwehr, die stundenlang brauchte, um den Baum zu zersägen.

      „Morgen ist Heiligabend!“, stellte Pfarrer Bergmann besorgt fest. „Was ist mit unserem Gottesdienst?“

      „Ich weiß nicht, was mit Ihrem Gottesdienst sein wird“, antwortete Brandmeister Lösch. „Was ich weiß, ist, dass Sie ihn nicht in dieser Kirche feiern werden. Die ist nämlich ab sofort wegen Einsturzgefahr gesperrt.“

      Das Unwetter war inzwischen abgezogen. Dafür stürmte es in Pfarrer Bergmanns Gedanken. Unruhig lief er im Freien hin und her. „Wie sieht‘s denn aus mit Ihrer Kirche?“, fragte Carmen besorgt, als er an ihrem Wohnwagen vorbeiging.

      „Morgen ist Weihnachten und die Kirche kann nicht benutzt werden. Was soll ich nur machen?“, sagte er verzweifelt.

      „In der Heiligen Nacht hatten die Menschen auch keine Kirche. Wenn ich mich richtig erinnere, kam Jesus in einem Stall zur Welt. Und die Engel haben aus den Wolken zu den Hirten gesprochen. Oder vertue ich mich da, Herr Pfarrer? Ich bin nämlich keine gute Kirchgängerin.“

      „Ich kann doch nicht in dieser Kälte einen Gottesdienst unter dem Sternenzelt halten. Die Senioren und Familien mit den kleinen Kindern stehen das nicht durch. Und das Krippenspiel, die Kinder in den Kostümen unter freiem Himmel. Nein, Carmen, das geht nicht.“ Pfarrer Bergmann schüttelte entmutigt den Kopf.

      „Ich glaube, ich habe da eine Idee, und wenn alle mithelfen, bekommen Sie einen Weihnachtsgottesdienst, warm und trocken unter einem einzigartigen Sternenzelt. Kommen Sie rein. Ich koche uns jetzt einen Kaffee, und dann besprechen wir alles.“

      Am Heiligen Abend stand an der Kirche ein großes Schild: „Wegen Einsturzgefahr geschlossen. Weihnachtsgottesdienst heute unter dem Sternenzelt.“

      Rudi, der kleine Akrobat, lotste die Gottesdienstbesucher mit einer brennenden Fackel zum Zirkuszelt. Mitten in der Manege stand der große Tannenbaum mit weißen Turteltauben auf den Zweigen, die ab und zu ihre Runden durch die mit Sternen bemalte Zeltkuppel flogen. Unter dem Baum war der Stall von Betlehem mit einer Holzkrippe zu erkennen. Daneben standen einige zottelige Ponys. Isabell kam als Maria auf einem Pony geritten. Sie war kurzfristig eingesprungen, weil die Hauptdarstellerin an einer Tierhaarallergie litt. Neben der Krippe wartete schon ihr Rollstuhl, aber das war Isabell egal.

      Oben auf dem Seil tanzte Jana in einem weißen Engelskostüm. „Euch ist heute der Heiland geboren!“, rief sie immer wieder in die Menge.

      Die Weisen aus dem Orient brachten nicht nur Geschenke mit, sondern jonglierten mit brennenden Fackeln, schliefen auf einem Nagelbett und liefen über glühende Kohlen zur Krippe.

      Die Hirten führten eine atemberaubende Pony- und Pudel-Dressur vor. Zwischen den einzelnen Nummern und Darstellungen zur Weihnachtsgeschichte sang die Gemeinde Lieder zu Flöten- und Gitarrenklängen. Plötzlich wurde es dunkel im Zelt. Ein Scheinwerfer leuchtete auf Pfarrer Bergmann.

      „Obwohl unsere Kirche schwer beschädigt ist, können wir heute gemeinsam Weihnachten feiern. Unsere Gemeinde war in den letzten Stunden auf Herbergssuche wie einst die Heilige Familie. Hier haben wir alle einen Platz an der Krippe gefunden. Ein Zuhause in dieser kalten Nacht, weil wir selber Heimat schenkten, indem wir dem Zirkus Zambesi ein Winterquartier gaben. Weil wir weder Grenzen noch Vorurteilen in unseren Herzen und Köpfen Raum ließen. Heute sind wir als Gastgeber Gäste des Zirkus Zambesi. Das Kind in der Krippe macht aus Fremden Freunde, so wie es die Liedstrophe sagt:

      „Damit aus Fremden Freunde werden,

      kommst du als Mensch in unsre Zeit:

      Du gehst den Weg durch Leid und Armut,

      damit die Botschaft uns erreicht.“

      Schauen Sie hoch in die Zirkuskuppel. Wie in der Nacht von Betlehem erleben auch wir die Weihnacht unter dem Sternenzelt.“

      Liedstrophe „Damit aus Fremden Freunde werden“; Text: Rolf Schweizer; © by Bärenreiter-Verlag, Kassel; Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung

      von Monika Büchel

      Marlene stand am Küchenfenster und blickte zu den Eiszapfen, die vom Dach der gegenüberliegenden Garage wie Orgelpfeifen hingen. Es schneite. Wie schön und friedlich das aussieht, dachte Marlene. So muss Weihnachten sein. Dann drehte sie sich um und legte ihre Geldbörse in den Einkaufskorb, um letzte Besorgungen zu machen. Während sie ihre weiche Daunenjacke anzog, rief sie Richtung Wohnzimmer: „Ich gehe einkaufen! Bin gleich wieder da.“

      „In Ordnung!“, rief Thomas, ihr Mann, zurück. Seit letztem Jahr schmückte er mit den Kindern am Vormittag von Heiligabend den Christbaum. Die Kinder unten herum, er oben. „Dann sind die Quälgeister wenigstens beschäftigt“, hatte er gemeint.

      Ein eisiger Luftzug streifte Marlene jäh, als sie die Haustür öffnete. Sie schauderte – und blieb abrupt stehen. Neben der Tür saß ein zitterndes, zotteliges Etwas. Das kann nicht wahr sein, dachte Marlene. Der Hund blickte sie abwartend mit schiefem Kopf an. Schnell zog Marlene die Tür hinter sich zu.

      „Bist wohl davongelaufen, was? Du gehst bei diesem Wetter besser nach Hause“, herrschte sie ihn an und scheuchte ihn mit der Hand fort. Der Hund erhob sich widerwillig und trottete davon.

      Marlene atmete auf. Wieso kam ein Hund ausgerechnet zu ihnen? Marlene hatte keine Antwort darauf.

      Als sie vom Einkauf zurückkam, saß der Hund wieder da.

      „Du kommst mir nicht ins Haus“, drohte sie ihm mit dem Finger, „da kannst du mich noch so flehentlich ansehen. Marsch, geh dahin, von wo du hergekommen bist“, scheuchte sie ihn erneut weg. „Und komm ja nicht wieder!“, rief sie ihm nach. Dann eilte sie ins Haus.

      „Mama, schau, der Christbaum ist geschmückt“, rief die 6-jährige Sofia, als Marlene fröstelnd in den Flur trat. „Gefällt er dir?“

      Nachdem Marlene den Baum zur Freude aller gründlich bestaunt hatte, verkündete Thomas: „Und jetzt gehen wir Schnee schippen.“ Florian, ihr Neunjähriger, war sofort dabei und rannte zur Garderobe. Sofia hatte keine Lust.

      Hoffentlich ist der Hund weg, dachte Marlene, während sie in der Küche den Einkauf auspackte, sonst …

      „Da sitzt ja ein Hund vor unserer Tür!“, rief Florian. Marlene hielt in ihrer Bewegung inne.

      „Ein Hund?“ Sofia riss ihre himmelblauen Augen auf und rannte hinaus.

      „Tatsächlich, ein Hund“, hörte sie Thomas’ Stimme.

      Marlene seufzte. Sie konnte sich lebhaft ausmalen, was jetzt folgen würde, während sie innerlich gewappnet zur Haustür ging.

      „Mama, der ist ja sooo lieb“, sagte Sofia, beugte sich über den Hund und streichelte ihn.

      „Fass

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