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      „Na dann los“, freute sich der Urgroßvater, stand auf und fing an, die Kerzen zu löschen.

      Kurze Zeit später saß Jakob neben dem Urgroßvater an einer Werkbank und beobachtete fasziniert, wie dieser an einem Hirten schnitzte. Er fragte nach der Bezeichnung der einzelnen Werkzeuge und beantwortete die Fragen des alten Mannes nach seinem Leben im Kinderheim.

      Auf einmal kam Manuel in den Keller gepoltert und verkündete: „Es gibt gleich Abendessen. Mama will wissen, ob du mitisst, Jakob.“

      „Oh, schon so spät?“ Jakob holte sein Handy heraus und schaute auf die Uhrzeit. „In einer halben Stunde muss ich im Heim sein, es sei denn …“ Fragend blickte er den Urgroßvater an.

      Der verstand auch ohne Worte und sagte: „Wähl die Nummer und gib mir dein Handy.“

      Beim Abendessen waren sie zu fünft, denn Manuels Vater war inzwischen nach Hause gekommen. Auf einmal fragte der Urgroßvater: „Was machst du eigentlich am Heiligen Abend, Jakob?“

      Jakob zuckte mit den Schultern. „Was soll ich schon machen. Im Kinderheim herumsitzen, essen, fernsehen … was man da eben so macht.“

      „Hast du denn niemanden, der dich an Weihnachten nach Hause holt?“, erkundigte sich Manuels Mutter.

      Jakob schüttelte den Kopf, schluckte und senkte den Blick.

      „Wir haben gern Gäste“, sagte jetzt der Vater. „Wenn ihr Jungs euch gut versteht und deine Erzieher einverstanden sind, kannst du zu uns kommen.“

      Ungläubig hob Jakob den Blick.

      „Also, ich fände es besser, wenn er schon vor Weihnachten kommt“, schaltete sich jetzt Manuel ein. „Dann wird es mir nicht so langweilig bis zur Bescherung.“

      Jakob riss die Augen auf: „Hey, meinst du das in echt?“

      „Ja, aber nur, wenn du dann nicht die ganze Zeit im Keller hockst“, brummte Manuel.

      „Geht klar“, lachte Jakob.

      Zu Beginn der Ferien zog Jakob in Manuels Zimmer ein. Am Nachmittag spielten sie zusammen am Computer, gegen Abend ging Jakob zum Urgroßvater in den Keller. Der war jetzt dabei, Kopf und Hut des Hirten herauszuarbeiten.

      Am folgenden Abend stieg Jakob wieder die Treppe in den Keller hinab. Jetzt schnitzte der alte Mann an den Füßen des Hirten.

      Jakob wunderte sich: „Hat der Hirte gar keine Schuhe an?“

      „Die Hirten waren arm und verachtet“, erklärte der Urgroßvater. „Ich weiß nicht, ob sie Schuhe trugen. Vielleicht wickelten sie sich ein Stück Leder um die Füße. Vielleicht trugen sie auch so eine Art Sandalen, wie man sie auf manchen Bildern sieht. Auf alle Fälle waren die Füße sehr wichtig für sie, denn sie mussten oft weite Strecken mit ihren Herden zurücklegen. Und da der hier ein armer Bursche ist …“, der Urgroßvater deutete mit dem Schnitzmesser auf ein Loch im Hut des Hirten, „… will ich ihm wenigstens gesunde Füße geben.“

      „Hm“, überlegte Jakob laut. „Man könnte dem Hirten ja später noch ein Stück Leder oder so dranbinden.“

      „Ja, das könnte man.“ Der Urgroßvater legte den Hirten und das Schnitzmesser auf die Werkbank, stand auf und holte ein Stück Holz. Dann öffnete er ein Schubfach, nahm ein Schnitzmesser heraus und legte beides vor Jakob. „Du hast lange genug zugeschaut. Versuch es selber!“

      „Ich?“ Jakob riss die Augen auf.

      „Fang einfach an. Stell dir vor, deine Figur schlummert schon im Holz. Du musst sie nur freilegen. Verstehst du?“

      „Ja“, murmelte Jakob und fuhr sachte mit dem Daumen über das Holz. „Ich verstehe.“

      „Du kannst dir auch eine Skizze machen. Wenn du ein anderes Werkzeug brauchst, nimmst du es aus dem Schubkasten. Wichtig ist, dass du den Faserverlauf des Holzes beachtest.“ Jakob drehte das Holzstück in seinen Händen. Schließlich begann er seine Schnitzarbeit. Der Urgroßvater gab ihm hin und wieder einen Hinweis.

      Am nächsten Abend verschwanden die beiden erneut im Keller. Als es Zeit war, ins Bett zu gehen, konnte man schon die groben Umrisse von Jakobs Schaf erkennen. Am folgenden Abend war das Schaf fertig.

      Der Urgroßvater lobte Jakob: „Das ist dir gut gelungen, du hast Talent. Mein erstes Schaf war lang und dürr und hatte einen Buckel.“ Sie lachten und der alte Mann klopfte Jakob auf die Schulter.

      Wenig später malte Jakob sein Schaf schwarz an. Ab und zu warf er dem Urgroßvater einen verstohlenen Blick zu, doch der sagte kein Wort und schnitzte weiter an seinem Hirten. Er arbeitete mittlerweile an dessen Armen. Sie standen seitlich vom Körper ab, so, als wollte der Hirte gleich jemanden umarmen.

      Schließlich fragte Jakob: „Ob der Hirte auch mein Schaf in seiner Herde haben will?“

      Die Augen auf seine Arbeit gerichtet, fragte der Urgroßvater: „Warum sollte er es nicht wollen?“

      „Weil es schwarz ist.“ Jakob steckte den Pinsel in die bereitgestellte Blechdose.

      „Für den Hirten spielt das keine Rolle. Ein guter Hirte liebt alle seine Schafe.“ Der Urgroßvater ließ das Schnitzmesser sinken und sah Jakob in die Augen. „Es kann sogar sein, dass der Hirte gerade das schwarze Schaf besonders lieb hat.“

      „Das glaube ich nicht!“, stieß Jakob hervor. „Schwarze Schafe bleiben immer schwarze Schafe! Für jeden!“

      „Du irrst dich! Mindestens einer hat die schwarzen Schafe besonders lieb.“ Der Urgroßvater wandte sich wieder dem Hirten zu und wiederholte: „mindestens einer.“

      Jakob schaute den alten Mann herausfordernd an: „Und wer soll das sein?“

      „Es ist Jesus. Man nennt ihn auch den Guten Hirten. Übermorgen feiern wir seine Geburt. Obwohl er der Sohn Gottes ist, wurde er in einem Stall geboren. Weil Gott die Menschen so sehr liebt, mutete er seinem Sohn zu, arm und schwach auf diese Welt zu kommen. Und die verachteten Hirten waren seine ersten Gäste. Vielleicht brachten sie auch ein schwarzes Schaf mit zur Krippe. Vorstellen könnte ich es mir.“

      Während der Urgroßvater weiter schnitzte und dabei von der Geburt von Jesus erzählte, wurde es Jakob langsam, ganz langsam warm ums Herz.

      Am nächsten Tag durfte Jakob die Krippe im Wohnzimmer mit aufbauen. Manuel hatte keine Lust dazu. Jakob stellte Josef hinter Maria. Dann reichte ihm der Urgroßvater den neuen Hirten. Jakob nahm ihn, betrachtete dessen ausgebreitete Arme und stellte ihn in die Nähe von Josef und Maria. „Eigentlich könnte man den Hirten das ganze Jahr über stehen lassen.“

      „Ja, das könnte man“, antwortete der Urgroßvater und reichte Jakob das schwarze Schaf. „Dieser Hirte hat sozusagen eine Doppelrolle.“

      Jakob zog seine Hand zurück. „Ich … äh … ich weiß nicht …“

      „Soll ich einen Platz für das Schaf suchen?“, fragte der Urgroßvater.

      Jakob nickte.

      Behutsam legte der alte Mann das schwarze Schaf auf die ausgebreiteten Arme des Hirten.

      „Es passt“, staunte Jakob. „Er … er hält es.“

      „Natürlich hält er es“, brummte der Urgroßvater. „Es muss sich nur halten lassen, verstehst du?“ Sachte legte er die Hand auf Jakobs Schulter.

      „Das ist nicht so einfach“, sagte Jakob leise. „Das schwarze Schaf wurde schon oft fallen gelassen.“

      „Das mag sein“, seufzte der Urgroßvater. „Aber nicht von diesem Hirten. Dieser Hirte lässt kein Schaf fallen. Auch kein schwarzes.“

      Jakob schluckte, hob den Blick und sah dem alten Mann in die Augen. Der zwinkerte ihm zu: „Na, was ist? Wollen wir das schwarze Schaf in den Armen des Hirten lassen?“

      „Ja“, sagte Jakob fest. „Ja.“

      Am

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