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Soziale Arbeit in der Suchthilfe. Marion Laging
Читать онлайн.Название Soziale Arbeit in der Suchthilfe
Год выпуска 0
isbn 9783170390164
Автор произведения Marion Laging
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
1.9 Das soziale Modell von Behinderung
Der Begriff der Behinderung ist im Kontext von Abhängigkeitserkrankungen insofern äußerst relevant, da eine Suchterkrankung als »seelische Behinderung« im Sinne des SGB IX gilt.
»Behinderung« ist im Kontext des sozialen Modells von Behinderung kein Merkmal einer Person, sondern lässt sich beschreiben als ein komplexes Geflecht von Bedingungen, von denen viele vom gesellschaftlichen Umfeld geschaffen werden. Die Bewältigung dieses Problems obliegt von daher auch nicht dem Gesundheitssystem, sondern es erfordert die gemeinschaftliche Verantwortung der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit, die Umwelt so zu gestalten, wie es für eine volle Partizipation der Menschen mit Behinderung an allen Bereichen des sozialen Lebens erforderlich ist (DIMDI 2005: 24f).
Im Rahmen des bio-medizinischen Modells ist der zentrale Anknüpfungspunkt die medizinische Versorgung, und vom politischen Standpunkt aus gesehen geht es grundsätzlich darum, die Gesundheitspolitik zu reformieren. Im Rahmen des sozialen Modells wird dieses Thema zu einer Frage der Menschenrechte. Für dieses Modell ist Behinderung ein politisches Thema (ebenda).
1.10 Soziale Arbeit und Klinische Sozialarbeit
Vor dem Hintergrund des bio-psycho-sozialen und des salutogenetischen Modells von Gesundheit und Krankheit öffnet sich – neben der Medizin – das Feld der Bearbeitung von Erkrankungen für weitere Disziplinen und Professionen. Der Sozialen Arbeit kommen im Kontext der Gesundheit und Krankheit von Menschen wichtige Funktionen und Aufgaben zu. Sie sollen an dieser Stelle kurz skizziert werden. Eine ausführliche Besprechung findet sich im Kapitel 12: Profil und ausgewählte Arbeitsansätze der Sozialen Arbeit im multidisziplinären Feld der Suchthilfe (
Als Expertin für die Soziale Dimension macht sich die Soziale Arbeit für die angemessene Berücksichtigung der sozialen und psycho-sozialen Faktoren in der Krankheitsentstehung, Krankheitsbewältigung und Gesunderhaltung stark. Vor dem Hintergrund der engen Zusammenhänge von sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit setzt sie sich für mehr Chancengerechtigkeit in den Feldern von Gesundheit und Krankheit ein. So fragt sie z. B. bei der Entwicklung und Einführung neuer Programme in der Suchtprävention, -beratung und -behandlung danach, welche Bevölkerungsgruppen voraussichtlich besonders profitieren und inwieweit neue Programme und Angebote einen Beitrag leisten können zur Verminderung von sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit. Die Frage des Zugangs und der Zielgruppenspezifität von Angeboten erfährt unter dieser Perspektive besondere Relevanz.
Die Soziale Arbeit bringt darüber hinaus eine kritische Reflexivität in Hinblick auf normative Zuschreibungen ein und sucht hier grundsätzlich die Spielräume von Normalität zu erweitern, statt diese zu verkürzen. Die oben angesprochene weit verbreitete Stigmatisierung von Suchtkranken ist nach wie vor ein großes soziales Hindernis der Krankheitsbewältigung, und eine anwaltschaftliche Vertretung von marginalisierten Gruppen der Gesellschaft – auch in der öffentlichen Wahrnehmung – gehört zum Aufgabenspektrum der Sozialen Arbeit.
Zudem macht sich die Soziale Arbeit stark für einen Umgang mit Erkrankung, der nicht nur auf Heilung zielt, sondern ihre Aufgabe auch darin sieht, Menschen auf dem Kontinuum von Gesundheit und Krankheit zu begleiten und sie in den einzelnen Phasen entsprechend zu beraten und zu unterstützen. Dabei sind der Respekt und die Achtung vor der Autonomie des Menschen – gerade auch im Bereich der Suchterkrankungen – zentral. Dazu gehört auch ein akzeptierender Umgang mit Lebensentwürfen, die gesundheitsbewusstes Handeln nicht zum Maßstab der Dinge erklären, sondern andere Prioritäten setzen. Er bildet sich auch ab in einer Breite der zur Verfügung stehenden Hilfs- und Unterstützungsangebote für suchtkranke Menschen und für ein System der »zieloffenen« Hilfen (
Innerhalb der Sozialen Arbeit hat sich seit einigen Jahren die »Klinische Sozialarbeit t« etabliert, die sich als eine Fachsozialarbeit insbesondere in den Feldern des Gesundheitswesens versteht (Pauls 2013: 17). Als eine spezialisierte Form der Sozialen Arbeit zeichnet sich die Klinische Sozialarbeit durch einen deutlichen Problembezug aus; sie sieht ihr Gegenüber als hilfebedürftige Klienten und Klientinnen, zu denen auch Drogen- und Alkoholabhängige zählen (Pauls 2013: 18). Klinische Sozialarbeit ist spezialisiert auf beratende und behandelnde Soziale Arbeit in den Feldern des Sozial- und Gesundheitswesens. Sie betont die subjektive Erfahrung von Krankheit im Gegensatz zur Krankheit als einer objektiv vermessbaren Störung und sieht ihre Aufgaben vor allem in der Krankheitsbewältigung (Ningel 2011: 68). Jedoch wird ebenfalls an dem doppelten Auftrag der Sozialen Arbeit – Hilfe für den Einzelnen und Änderung der Lebensbedingungen – festgehalten (Pauls 2013: 19f). Der Bezug zur Lebenswelt differenziert damit die Klinische Sozialarbeit von der Psychotherapie. Es wird kontrovers diskutiert, ob mit der Etablierung einer Klinischen Sozialarbeit die Disziplin und Profession der Sozialen Arbeit eher geschwächt oder gestärkt wird. Eine Übersicht der diesbezüglichen Argumente findet sich bei Ningel (2011: 80). Die diesbezügliche Diskussion wird in Kapitel 12: Profil und ausgewählte Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit in der Suchthilfe wiederaufgenommen (
Antonovsky, A., 1987, Unraveling the Mystery of Health: How People Manage Stress and Stay Well, Jossey-Bass, San Francisco.
Bauer, R., 2014, Sucht zwischen Krankheit und Willensschwäche, Francke, Tübingen.
Pauls, H., 2013, Klinische Sozialarbeit: Grundlagen und Methoden psycho-sozialer Behandlung, 3. Auflage, Beltz Juventa, Weinheim.
2 Modelle der Entstehung von Sucht
In diesem Kapitel lernen Sie vier verschiedene Ansätze kennen, die die Entstehung von Substanzkonsum und Suchtentwicklung erklären. Diese Ansätze sind sehr bedeutsam für die Konzeptualisierung von Prävention, Beratung und Begleitung in der Suchtkrankenhilfe. Abschließend werden die Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede der vier Ansätze herausgearbeitet.
2.1 Einleitung
Zur Erklärung der Entstehung von riskantem Konsum, Missbrauch und Abhängigkeit liegt eine Vielzahl von Modellen unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen vor.
Verschiedene Schulen innerhalb der Psychologie (z. B. lernpsychologische Ansätze, psychoanalytische Ansätze) haben unterschiedliche Theorien zu Konsum und Abhängigkeitsentwicklung vorgelegt. Ebenso die Soziologie, die Suchtentstehung in vielen Ansätzen in den Kontext devianten Verhaltens stellt, aber auch als ein Lifestyle-Phänomen beschreibt (vgl. Laging 2005: 123–152). Auch die Medizin, die Gesundheitswissenschaften und die Wissenschaft Soziale Arbeit haben sich mit der Frage auseinandergesetzt, durch welche Faktoren Konsum, riskanter Konsum und abhängige Konsumformen entstehen können. Dieses Buch kann es nicht leisten, einen auch nur annähernd vollständigen Überblick über die vorliegenden Theorieansätze und diesbezüglichen Konzepte zu vermitteln. Vielmehr wird