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wäre erledigt.«

      »Was hast du gemacht?«

      »Wir brauchen eine Adresse. Er hat mir eine verschafft.«

      »Wir geben der Schule Caitlins Adresse?«

      Sie lachte. »Nein, nein. Ihr Vater lässt uns die Adresse seiner Anwaltskanzlei auf dem Broadway benutzen. Büros im Erdgeschoss, in den oberen Etagen Wohnungen, aber die Schule wird den Unterschied nicht bemerken. Wir können unsere gesamte Post dorthin weiterleiten lassen.«

      »Und das ist für ihn in Ordnung?«

      Sie fuhr los. »Er hat keine andere Wahl.«

      »Aber warum …«

      »Felix. Es reicht mit den Fragen.«

      Ich hielt die Klappe. Aber ich dachte an das letzte Mal, als ich Mr Poplowski gesehen hatte.

      Es war im Winter gewesen. Damals wohnten wir in unserer Eigentumswohnung. Auf dem Weg zur Schule ging es mir noch gut, aber später am Vormittag musste ich mich plötzlich übergeben. Die Schulkrankenschwester sagte, ich würde die Grippe kriegen. Sie rief meine Mom ein paarmal bei der Arbeit an, aber es ging niemand ran, also sagte sie, ich solle mich auf die Pritsche in ihrem Büro legen. Irgendwann wurde mir langweilig. Als die Schwester auf die Toilette ging, schlich ich mich hinaus. Ich wollte einfach nach Hause laufen und mich dort hinlegen, denn wenigstens hatten wir einen Fernseher.

      Ich schloss die Wohnungstür auf. Meine Mom war da – mit Mr Poplowski. Er zog gerade seine Schuhe an. »Hey, Felix, alter Kumpel! Was machst du denn schon zu Hause?« Er klang übertrieben enthusiastisch.

      »Caitlins Vater ist Anwalt«, sagte meine Mom. »Er hat mir mit dem Vertrag für die Eigentumswohnung geholfen.«

      Mir war schwindelig, und außerdem war ich erst acht oder neun, also stellte ich keine Fragen. Aber mein S.H.I.T. fand es sonderbar, dass meine Mom einen geschäftlichen Termin im Bademantel wahrnahm.

      Ich will gar nicht allzu viel darüber nachdenken. Aber ich schätze, Caitlins Dad war es lieber, an einer kleinen Lüge beteiligt zu sein als eine große Lüge ans Tageslicht kommen zu lassen.

      Auf dem schnellsten Weg fuhren wir zur Bibliothek in Kits. Astrid nahm eines der Blätter, die Caitlins Dad ihr gegeben hatte: eine Stromrechnung seiner Anwaltskanzlei. Sie fuhr einen Bibliothekscomputer hoch und fand eine Schriftart, die der auf der Stromrechnung glich. Sie tippte ihren Namen, Astrid Knutsson, und druckte ihn aus. Dann schnitt sie ihn vorsichtig aus und klebte ihn auf Mr Poplowskis Namen. Sie kopierte die Rechnung und zeigte mir das Ergebnis.

      Sah gut aus. Echt.

      Am nächsten Morgen um exakt 9.01 Uhr betraten wir das Sekretariat. »Ah, perfekt«, sagte Obasi. »Da sind Sie ja.« Astrid reichte ihm die Rechnung und er begutachtete sie. »Normalerweise nehmen wir keine Kopien an. Wir haben am liebsten das Original.«

      »Die Originale sind momentan bei meinem Steuerberater.«

      »Ist in Ordnung. Bringen Sie einfach bei Gelegenheit eine vorbei.« Obasi lächelte mich an und streckte den Arm aus. Wir schüttelten uns die Hand. »Herzlichen Glückwunsch, Felix. Wir sehen uns nächste Woche.«

      Ich war glücklich – regelrecht aufgedreht –, als wir wieder in den Bus stiegen. Der August war toll gewesen, aber ich freute mich darauf, wieder unter Gleichaltrigen zu sein, vielleicht sogar einen oder zwei Freunde zu finden.

      Astrid startete den Wagen nicht. »Damit wir uns richtig verstehen, Felix. Es ist am besten, wenn du deinen neuen Klassenkameraden nichts davon erzählst.«

      »Wie du mich in den Kurs gekriegt hast?«

      »Nein. Na schön, ja. Das auch. Aber ebenso über unsere derzeitige Wohnsituation.« Sie deutete auf den Bus. »Du und ich, wir beide wissen, dass es ohne jeden Zweifel vorübergehend ist. Aber andere Leute … verstehen das vielleicht nicht. Wir wollen niemandem Anlass geben, das MKFE anzurufen.«

      Ein Kälteschauer durchzuckte mein Herz.

      MKFE. Ministerium für Kinder- und Familienentwicklung.

      An die waren wir schon mal geraten, im April. Astrid und Abelard hatten in der Nacht zuvor eine ihrer spektakulären Auseinandersetzungen gehabt. Am nächsten Morgen stand ein Sozialarbeiter mit einem Haufen Fragen vor der Tür. Vermutlich hatte unser Vermieter dort angerufen, weil er über uns wohnte. Vielleicht hatte er sich Sorgen gemacht, dass ich körperlich misshandelt wurde. Ich nicht. Abelard hat sich an mir nie vergriffen. Wie dem auch sei. Aus dieser Erfahrung und den Geschichten, die meine Mom mir erzählt hatte, wusste ich, dass man lieber nicht auf dem Radar des MKFE auftauchen sollte. Nicht heute, nicht morgen, nicht in einer Million Jahre. Also sagte ich:

      »Okay.«

      Nicht über meine Wohnsituation zu reden, erschien mir zu dem Zeitpunkt als keine große Sache.

      Wie Astrid sagte, es war vorübergehend.

      Im Handumdrehen würden wir wieder eine Wohnung haben.

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      An meinem ersten Tag in Blenheim war ich so nervös, dass meine Verdauung zur Höchstgeschwindigkeit auflief, was in den besten Zeiten schon nicht gut ist, und wirklich gar nicht gut, wenn man in einem Bus wohnt.

      Zum Glück hatten wir in dieser Nacht ein paar Straßen von der Schule entfernt geparkt, gegenüber dem örtlichen Gemeindezentrum. Astrid hatte es so geplant, damit wir eine Möglichkeit hatten, uns morgens frisch zu machen. Innerhalb von einer halben Stunde flitzte ich drei Mal hinüber, um das Klo zu benutzen.

      Am Vortag waren wir zu Soleils Haus gefahren, um noch ein paar von unseren Sachen zu holen; dickere Pullis, wärmere Jacken, Schuhe und die Schulsachen, die ich noch vom letzten Jahr hatte.

      Als wir ankamen, war die Einfahrt leer und alle Jalousien heruntergelassen.

      »Ich glaube, es ist keiner zu Hause«, sagte ich.

      »Kein Problem.« Astrid fuhr los. Ich dachte, wir würden wegfahren. Stattdessen bog sie zweimal rechts ab und hielt in einer Gasse hinter Soleils Grundstück.

      Meine Eingeweide verkrampften sich. »Was machst du?«

      »Reingehen.«

      »Mom«, sagte ich. Sie sah mich scharf an; sie mag es nicht, wenn ich sie so nenne. »Wir brechen nicht ein.«

      »Wer hat denn was von Einbrechen gesagt?« Sie zog einen Schlüssel aus ihrer Tasche.

      »Soleil hat dir einen Schlüssel gegeben?«, fragte ich, als wir aus dem Bus stiegen.

      Astrid öffnete das hintere Tor. »Ja und nein. Sie hat ihn mir für die Dauer unseres Aufenthaltes gegeben. Ich habe ihn nachmachen lassen, bevor ich ihn ihr zurückgegeben habe.«

      Meine Eingeweide verkrampften sich erneut. »Dann brechen wir ein

      Sie steckte den Schlüssel ins Türschloss. »Nicht, wenn wir nur unsere Sachen mitnehmen.«

      Ich fing an zu hicksen. Das passiert immer, wenn ich Angst bekomme. »Und wenn sie nach Hause kommen?«

      »Werden sie nicht. Sie sind im Urlaub. Ich hab meine Hausaufgaben gemacht.«

      »Also hast du es so geplant. Hicks!«

      Astrid drückte die Tür auf. Wir wurden von einem schrillen Fiepton begrüßt.

      Eine Alarmanlage. Meine Eingeweide erschlafften.

      Aber Astrid gab nur einen Code in das Bedienfeld ein und der schrille Ton verstummte. »Böna, alles gut. Soleil wird nie erfahren, dass wir hier waren.«

      Schlussendlich verbrachten wir den gesamten Nachmittag dort. Astrid wusch unsere Wäsche. Dann ließ sie im Gästebad ein Schaumbad für mich ein. Mein Widerwillen schmolz dahin, als ich in die Wanne stieg. Es war herrlich. Während ich einweichte und mich abseifte, ließ sie für sich den Whirlpool im Badezimmer volllaufen.

      Ich

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