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je veux vivre en France.«

      Monsieur Thibault gab uns die gekürzte Version: »Winnie wurde zu einer begeisterten Frankreich-Liebhaberin, als sie den Eiffelturm gesehen hatte.« Dann hüstelte er. »In Las Vegas.«

      Und es war, als wären keine zwei Jahre vergangen, seit ich Dylan das letzte Mal gesehen hatte, denn wir guckten uns an und schmissen uns weg vor Lachen, allerdings auf unsere spezielle Art, die nur wir hören konnten.

      Den Rest des Tages machten wir Spiele, um einander kennenzulernen.

      Als es zum letzten Mal klingelte, fragte Dylan: »Willst du mit zu mir kommen?«

      Ich wollte unbedingt. Aber ich war so gespannt zu erfahren, wie es bei meiner Mutter gelaufen war. »Heute kann ich nicht. Wie wär’s mit morgen?«

      »Klar.«

      Wir gingen zusammen zu unseren Schließfächern. »Hey, habt ihr immer noch euren Poltergeist?«

      Als ich Dylan kennengelernt hatte, war er überzeugt gewesen, dass es in ihrem Haus einen freundlichen, aber oft auch zu Scherzen aufgelegten Poltergeist namens Bernard gab, denn ständig verschwanden seine Sachen.

      »Ja! Ich bin ziemlich sicher, dass er erst heute Morgen eine Socke geklaut hat!«

      Ich grinste. Ich fand es klasse, dass Dylan immer noch an Bernard glaubte.

      Wir verabschiedeten uns. Ich lief zurück zum Bus und klopfte das Geheimsignal. Astrid schob die Tür auf. »Wie war dein erster Tag?«

      Ich berichtete ihr von der neuen Schule und von Dylan.

      »Das ist toll, Felix.«

      »Wie war’s bei dir?«

      Sie lächelte. »Ich hab einen Job gefunden. In einem Café in Kerrisdale. Ich habe gesagt, ich hätte sehr viel Erfahrung im Servieren von Kaffee, was im Grunde wahr ist; ich serviere mir selbst jeden Morgen Kaffee.«

      Wir klatschten ab. »Astrid, das ist fantastisch.«

      »Die Bezahlung ist nicht supertoll, aber ich kann viele Schichten arbeiten und das ganze Trinkgeld behalten. Das ist erst mal okay, bis was Besseres kommt, und in der Zwischenzeit können wir uns nach einer Wohnung umschauen. In ein paar Wochen kann ich einen Arbeitsnachweis abgeben und meine Lohnabrechnung zeigen.«

      Wir feierten. Astrid wärmte zwei Dosen vegetarisches Chili auf dem Kocher auf. Ich gab Horatio eine Extraportion Salat. Wir bauten unsere Faltstühle im Park auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf und aßen unser Chili al fresco zusammen mit ein paar rohen Möhren und Gurke. Zum Nachtisch gab es Äpfel und selbst gekaufte Kekse.

      Gegen zehn Uhr lagen wir in den Betten und lasen mit unseren Stirnlampen, als es an der Tür des Busses klopfte.

      Astrid saß sofort kerzengerade im Bett. »Wer ist da?«

      »Nur ein besorgter Nachbar«, sagte eine Männerstimme. »Sie parken hier schon ein paar Nächte lang. Ich frage mich, wen Sie besuchen.«

      »Unsere Freunde«, erwiderte Astrid ohne zu zögern. »Wir schlafen hier draußen, damit sie ihre Ruhe haben.«

      »Verstehe. In welchem Haus wohnen Ihre Freunde?«

      »In dem rosafarbenen.« Rosafarbene Häuser gab es in diesem Wohngebiet überall.

      »Die Woodbridges?«

      »Ganz genau.«

      »Okay. Ich gehe kurz zu ihnen rüber und frage nach.«

      »Machen Sie das.«

      Ich zog einen der Vorhänge zurück und sah zu, wie er die Straße hinunterlief. Meine Mom kletterte auf den Fahrersitz. »Tut mir leid, Felix. Wir müssen einen neuen Platz für heute Nacht finden.«

      Der Mann sah auf, als wir vorbeifuhren.

      Astrid grüßte ihn mit dem Mittelfinger.

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      Am nächsten Tag ging ich nach der Schule mit zu Dylan, obwohl ich ziemlich erledigt war. Nachdem wir einen neuen Parkplatz für den Bus gefunden hatten, hatte ich eine ganze Weile gebraucht, um runterzukommen. Ich musste erst sämtliche amerikanischen Bundesstaaten in alphabetischer Reihenfolge im Kopf aufzählen, von Alabama bis Wyoming, und das gesamte Periodensystem durchgehen, bis ich endlich wegdämmerte.

      Dennoch war ich aufgeregt, als wir die fünf Blocks bis zu seinem Haus liefen. Es war lange her – und ich meine lange –, dass ich bei einem Freund zu Hause gewesen war, da an meinen letzten Schulen die Hauptzutat gefehlt hatte (Freunde).

      Das Haus der Brinkerhoffs war genau so, wie ich es in Erinnerung hatte. Die Terrasse sah immer noch aus, als würde sie demnächst einstürzen. Die neongelbe Farbe blätterte ab. Das Gras war braun und wuchs ungleichmäßig. Auf dem Rasen lag altes Kinderspielzeug, obwohl Dylan, der Jüngste, seit Jahren nicht mehr damit gespielt hatte. Drinnen konnte man vor lauter rumliegenden Schuhen, Socken, Pullis und Büchern kaum den Parkettboden sehen. Sie hatten Staubflocken, die größer als Horatio waren. In der Küche stand ein Stapel Geschirr in der Spüle, der exakt so aussah wie der Stapel, der sich vor ein paar Jahren dort getürmt hatte. Meine Socken blieben ganz leicht an ein paar Flecken auf dem Boden haften, genau wie früher.

      Es war wunderbar. So voller Leben.

      Eine riesengroße orangefarbene Katze tapste in die Küche und rieb sich an Dylans Beinen. »Das ist Craig«, sagte Dylan, als er ihn hochnahm. »Er ist zwei. Wir haben ihn letztes Jahr bekommen.« Er hielt mir den Kater hin und ich nahm ihn. Craig schnurrte selig auf meinem Arm.

      »Boah. Der wiegt bestimmt zwanzig Pfund.«

      »Einundzwanzig.«

      Dylans ältere Schwester Alberta spazierte herein. Auch sie sah noch genauso aus wie früher, mit den langen braunen Haaren, dem schielenden Auge und einer einzigartigen T-Shirt-Sammlung. Auf diesem stand: WAS DICH NICHT UMBRINGT, MACHT DICH HÄRTER. AUSSER BÄREN. BÄREN BRINGEN DICH UM. »Oh, wie süß, Dylan hat schon einen kleinen Freund gefunden.« Sie nahm die Milch aus dem Kühlschrank und trank direkt aus der Packung. »Warte mal. Diese Haare würde ich überall wiedererkennen. Du bist Bionicle Depp.«

      Ich wurde ein ganz kleines bisschen rot. »Bin ich. Aber ich werde lieber Felix genannt.«

      »Ihr seid immer in euren Toy-Story-Schlafanzügen mit euren Lego Bionicles rumgerannt und habt Laserkanonengeräusche gemacht. Rüuum rüuum rüuum! Ha-ha-ha-ha-ha-ha-Hiiee-Hah!« Ihr Lachen war ebenfalls noch dasselbe. »Ihr wart so süß. Voll die Nerds.« Sie betrachtete uns prüfend. »Manches hat sich kein bisschen geändert! Ha-ha-ha-ha-ha-ha-Hiiee-Hah!« Dann schenkte sie jedem von uns ein Glas Milch aus der Packung ein, aus der sie gerade getrunken hatte.

      Es war himmlisch.

      Kennen Sie das, dass Sie manchmal nicht wissen, wie sehr Sie etwas vermisst haben, bis Sie es wiederkriegen? So ging es mir mit der Tatsache, wieder einen Freund zu haben. Es war so, wie wenn man lange unscharf sieht, dann gibt einem jemand eine Brille und man schaut die Welt um sich herum an und sagt: »Wow! Das hat mir also gefehlt!«

      In diesen ersten zwei Wochen ging ich fast jeden Tag zu Dylan nach Hause. Er fragte nie, ob er mit zu mir kommen könnte; sein Zuhause lag so nah an der Schule, es leuchtete einfach ein. Wir machten unsere Hausaufgaben. Er berichtete mir alles über Bernard. »Erst gestern, okay? Ich habe das Catan-Spiel auf dem Wohnzimmertisch liegen lassen, weil Alberta und ich mittendrin waren. Ich war am Gewinnen. Und heute Morgen waren alle Teile so verschoben, dass es aussah, als würde sie gewinnen. Und ich nur so: ›Bernard, du raffinierter Halunke!‹«

      Wir aßen auch. Jede Menge. Die Schränke waren voller Riesenpackungen von Costco. Wir vernichteten Pizza-Pops und Burritos und schoben uns das Essen vor dem Fernseher rein. Da ich seit über einem Monat fast nur Essen aus Dosen zu mir genommen hatte, war das das Allergrößte, im Ernst.

      Eines Nachmittags lief eine Wiederholung von Wer, Was, Wo, Wann. »In welchem amerikanischen

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