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eine Übereinstimmung zwischen der Täterspur und den angefertigten Abdrücken.

      Wir waren hocherfreut und verließen Prof. Taats mit vielem Dank für seine Hilfe. Uns war aber bewusst, dass wir diese illegal gewonnenen Informationen in keiner Weise irgendwie verwenden konnten. Aber sie stützten unsere Bemühungen um die Ergreifung eines brutalen Mörders.

      Als nächstes ließen wir unseren Tatverdächtigen mit einem anderen Häftling zusammenlegen. Dass dieser Häftling in unserem Auftrag als Zelleninformator (ZI) tätig war, blieb natürlich unser Geheimnis. Wir suchten dann auch mehrere Tage nach einem geeigneten ZI, denn dieser musste eine Grundbedingung erfüllen: er musste zum Zeitpunkt des Verbrechens schon in Haft gewesen sein und konnte somit, wenn überhaupt, jedwede Information über die Tat nur von unserem Verdächtigen bekommen. Wir schufen noch eine weitere Sicherung. Wir sperrten den Besucherverkehr unseres ZI mit seinen Verwandten. Wir waren überzeugt, alles getan zu haben, um die Wahrheitsfindung in unserem Fall voranzutreiben.

      Gleichzeitig versuchten wir aber auch in mehreren Vernehmungen von unserem Tatverdächtigen ein Geständnis zu bekommen. Wir redeten dabei auch über die Spurenlage, um ihm zu zeigen, dass wir ihn für den Mörder der jungen Frau hielten. Dabei könnten wir aber etwas falsch gemacht haben und zu sehr auf den Zusammenhang zwischen seinem Gebiss und der Bissspur an der Leiche hingewiesen haben. Vielleicht hatte er aber auch begriffen, wie gefährlich diese Übereinstimmung für ihn war. Wir haben allerdings nicht mitbekommen, dass er sich über diesen Zusammenhang stundenlang eigene Gedanken gemacht hatte, um aus dieser gefährlichen Situation heraus zu kommen.

      Der ZI konnte nichts Wertvolles berichten, außer der Tatsache, dass unser Tatverdächtiger stundenlang schweigend in der Zelle hin- und herlief. Er war immer zu seiner Freistunde auf den Hof gegangen, jedoch hatte sich kein intensives Gespräch zwischen beiden Männern ergeben.

      Und dann nahm alles einen dramatischen Verlauf. Eines Tages, gleich zu Dienstbeginn gegen 8.00 Uhr, wurden wir durch den Bezirks-K-Leiter in Kenntnis gesetzt, dass die Leitung der Untersuchungshaftanstalt beim Operativen Diensthabenden in der Nacht angerufen hatte und um baldiges Erscheinen der Offiziere der MUK gebeten hatte. Ein Grund war nicht benannt worden. Wir fuhren sofort zur UHA. Was wir dort erfuhren, hatte selbst Hauptmann Grothe in seiner langen Dienstzeit bei der Kriminalpolizei und der MUK noch nie gehört: Unser Tatverdächtiger hatte sich in der Nacht mit einer Zange einen Zahn gezogen, der ZI hatte zwar Alarm geschlagen und an die Tür getrommelt, aber wie das eben nachts in einer mehrfach verschlossenen Haftanstalt so ist, war eine längere Zeit vergangen, bis das Personal die Trommelei an der Tür gehört und darauf reagiert hatte. Während wir die ersten Gespräche mit der Leitung der UHA führten, war unser Verdächtiger in zahnärztlicher Behandlung. Wie oft stellten wir uns die Frage, wie er in den Besitz einer Zange kommen konnte!

      Später erfuhren wir von ihm selbst, dass er die Zange auf dem Weg durch endlose Korridore in die Freistunde irgendwo an einem Fenster habe liegen sehen. Er sei zu diesem Zeitpunkt bereits mit Möglichkeiten des Zahnziehens beschäftigt gewesen und habe sofort zugegriffen. Wahrscheinlich war, dass irgendein anderer Häftling aus einem Arbeitskommando die Zange dort hingelegt und vergessen hatte.

      Damit hatte sich unsere mühevoll aufgebaute Beweismöglichkeit in Luft aufgelöst. Als wir später Prof. Taats von dieser vermaledeiten Geschichte erzählten, lachte er laut.

      Hauptmann Grothe und ich reagierten sehr kleinlaut, hatten uns aber vorgenommen, bei der zu erwartenden Befragung durch den Bezirks-K-Leiter unsere Schwedenaktion zu verschweigen, da sie ja nun ohnehin für uns wertlos war.

      Dank unseres ZI nahm letzten Endes doch alles noch einen guten Ausgang: Unser Häftling hatte sich in völliger Verkennung der Situation bei seinem Mitinsassen freudig darüber geäußert, dass nunmehr, wo dieser Zahn im Gebissschema fehlte, die Polizei ihm nichts mehr anhängen könne. Er war dann, nach den Aussagen des ZI und durch eine Reihe anderer Beweismittel, die wir gesammelt hatten, doch geständig. Er hatte die allein laufende Frau, die ihm weitläufig bekannt war, in der Nacht zufällig getroffen, dann vergewaltigt und erwürgt. Er wurde vom Bezirksgericht Halle zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

      Sachbearbeiter unnatürlicher Todesfälle / Straßenbahn nach Bad Dürrenberg

      Nachdem ich 1962 in die MUK der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei (BdVP) Halle versetzt worden war, erläuterte mir der damalige Leiter der Morduntersuchungskommission Hauptmann Grothe die Funktionsweise der MUK und ihre Pflichten im Zusammenwirken mit den Abteilungen Kriminalpolizei der einzelnen Volkspolizei-Kreisämter (VPKA).

      Damals gab es in jedem VPKA in der Abteilung Kriminalpolizei einen Sachbearbeiter für unnatürliche Todesfälle. Das war eine wirklich gute Einrichtung, denn jener Sachbearbeiter wurde immer dann tätig, wenn beispielsweise ein leichenschauender Arzt auf dem Totenschein die Todesart als ungeklärt angekreuzt hatte oder wenn aus einem Krankenhaus ein Todesfall »unter verdächtigen Umständen« gemeldet worden war. Er betrachtete auch bekannt gewordene Selbsttötungen aus kriminalpolizeilicher Sicht.

      Diese Sachbearbeiter waren quasi ein Filter zwischen Gut und Böse und wichtige Leute innerhalb der Kriminalpolizei. Das Verhältnis dieser Sachbearbeiter zur Morduntersuchungskommission war wirklich von Bedeutung. Oft ergaben sich telefonische Nachfragen bei der Klärung von Sachverhalten. Diese Sachbearbeiter mussten jeden Abschlussbericht über durchgeführte Untersuchungen bei einem Todesfall an die MUK schicken. Wir übten dann die Kontrolle über die Qualität der Untersuchung aus und gaben möglicherweise Hinweise zur Nachermittlung.

      Wegen der großen Entfernung zu diesen Sachbearbeitern – Quedlinburg etwa war einhundert Kilometer entfernt – hatten wir meist nur telefonische Kontakte, bei einem der eher seltenen Hilferufe fuhren wir natürlich zu ihm. Jährlich kamen mehrere hundert solcher Abschlussberichte zu uns zur Kontrolle.

      Als zum Beispiel im VPKA Merseburg ein neuer Sachbearbeiter für die Untersuchung unnatürlicher Todesfälle eingesetzt wurde, bestellten wir ihn zu uns in die MUK. Das war insofern günstig, da zwischen Merseburg und Halle eine Straßenbahnverbindung bestand. Es war eigentlich keine richtige Straßenbahn. Sie fuhr zwar auf Gleisen des innerstädtischen Straßenbahnnetzes und auch mit auf dem Dach befindlichen Stromabnehmern, aber es war keine innerstädtische Bahn, sondern eine Verbindung zwischen Halle, Merseburg und Bad Dürrenberg. Ihre Waggons waren länger, kompakter, hatten größere Fensterscheiben und mit Leder überzogene, heizbare gepolsterte Sitze. Für die damalige Zeit war es ein wahrer Luxus. Diese Bahn, genannt Überlandbahn, fuhr vom Riebeckplatz in Halle mit Haltestellen weiter nach Ammendorf, Merseburg, Schkopau und Leuna und hatte den Endpunkt in Bad Dürrrenberg. Es war eine schnelle und eine günstige Verbindung zwischen den genannten Städten. Sie fuhr stündlich, von meines Wissens 4.00 Uhr früh bis abends 23.00 Uhr. Viele Beschäftigte der umliegenden Werke benutzten sie täglich.

      So bestellten wir eines Tages, vermutlich 1963, den Leichensachbearbeiter von Merseburg zu uns nach Halle, wir wollten ihn persönlich kennenlernen. Dass er 1967, als ich in das MfS wechselte, mein Nachfolger werden würde, konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen.

      So kam der Leichensachbearbeiter Siegfried Schwarz mit der Überlandbahn nach Halle. Damals ahnte auch niemand, dass er später mit der Aufklärung des Mordes an einem Knaben, dessen Leiche in einem Koffer mit Zeitungen mit ausgefüllten Kreuzworträtseln gefunden wurde, bekannt werden würde. Er ist in der Zwischenzeit auch ein erfolgreicher Autor von Büchern mit wahren Kriminalfällen: Mord nach Mittag und Der Makronenmord.

      Bei uns eingetroffen, besprachen wir alles, was für seine künftigen Pflichten und für die Zusammenarbeit mit der MUK erforderlich war und wurden uns einig, nach so vielen trockenen Stunden gemeinsam nach Dienstschluss ein Bier zu trinken. Also fuhren wir abends mit der innerstädtischen Straßenbahn in ein Tanzlokal, ich glaube, es hieß »Café Rosengarten«. Wir redeten weiter über die Arbeit, über unsere Familien und debattierten über Gott und die Welt. Doch lief die Uhr wieder einmal viel zu schnell und wir kamen in Gefahr, die Betriebszeit der Straßenbahn, vor allem der Überlandbahn zu verpassen. Schwarz meinte dann: »Ich bestelle uns einen Wagen«, ging in das Büro des Geschäftsführers und verkündete nach der Rückkehr: »… in einer halben Stunde kommt der Wagen«. Wir tranken noch etwas, bezahlten und gingen vor die Tür. Vor

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