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Raja wandte sich an die Königswache. „Würdet Ihr Euch bitte darum kümmern? Sie sollen sich alle im Thronsaal versammeln. Und bitte bringt auch Weldran, den Waldelfen. Er versorgt zurzeit den König, ihr werdet ihn in dessen Gemächern finden. Algar darf unter keinen Umständen alleine gelassen werden. Für die Zeit von Weldrans Abwesenheit soll einer seiner Leibärzte über ihn wachen. Und jetzt geht, beeilt Euch.“ Der Wachmann nickte, verbeugte sich demütig und eilte davon.

      Einige Zeit später hallte lautes Stimmengewirr durch den Thronsaal. Alle waren gekommen, nicht nur der Hohe Rat, sondern auch die gesamte Königswache, selbst die eine oder andere Magd hatte sich unter die Menge gemischt. Sie alle wollten aus erster Hand die Neuigkeiten aus Walgerad erfahren.

      Raja und Ranon standen auf dem Podest vor des Königs Thron, der sich am Kopf der Halle befand. Schweigend betrachteten sie ihr aufgeregt durcheinanderschwatzendes Volk. Als sich Weldran aus der Menge löste und Raja zunickte, hob diese vielsagend die Hände. Augenblicklich wurde es still.

      „Wie ihr wahrscheinlich alle bereits erfahren habt, gibt es Neuigkeiten aus Walgerad“, hob sie mit kräftiger Stimme an. „Azarol, der Erolar-Verogand, hat uns seinen Eishabicht gesandt, Nilwa.“ Raja deutete auf das edle Tier, welches majestätisch auf der Rückenlehne des Throns saß. „Leider sind es keine guten Nachrichten, die uns Nilwa überbracht hat. Das bis auf die Grundmauern niedergebrannte Dorf der Feuerelfen konnte noch nicht wieder aufgebaut werden. Daher leben die Feuerelfen seit dem Angriff der Yargarmee zurückgezogen und in ständiger Furcht in einer der Höhlen am Strand. Nach unserer Abreise vor elf Tagen haben sich Nalaj, Azarol und der verbliebene Rest der Ältesten erst einmal beraten, doch konnten und wollten sie ohne des Königs Zustimmung nichts unternehmen. Da König Xagon zur besagten Zeit auf einem Jagdausflug mit einigen seiner Männer war und in den folgenden Tagen zurückerwartet wurde, beschlossen sie, auf ihn zu warten. Doch ihr Oberhaupt kam nicht. Stattdessen traf gestern Nacht ein Fremder ein. Ein Mann aus Ildria. Er erzählte, dass er beobachtet habe, wie der König mitsamt seinen Männern von einer Schar dunkler Wesen verschleppt wurde. Er meinte außerdem, er habe die Geschöpfe belauscht und gehört, dass sie ihre Gefangenen in die Höhlen im nördlichen Teil des Feliador-Gebirges bringen würden. Auf diese Nachricht hin besprachen sich die Elfen erneut. Sie beschlossen, ihren König und seine Männer nicht ihrem Schicksal zu überlassen, sondern sie zu retten. Vorab wurde eine Vorhut aus zehn Kriegern entsandt. Nalaj, Walgerads Seherin, meint jedoch, dass dies nicht reichen wird. Darum werden wir – die Mitglieder des Bündnisses, Saruna, Gweldon, Azarol, Zemeas und ich – uns zusätzlich auf den Weg ins Gebirge begeben.“ Raja machte eine Pause, um ihre Zuhörer eindringlich anzusehen. „Es ist ungemein wichtig“, fuhr sie mit ernster Miene fort, „dass wir den König finden und retten. Wenn die Zeit des Krieges gekommen ist, brauchen wir jeden Mann. Und nur Xagon ist in der Lage, sein Volk im Kampf zu führen.“

      Alle schwiegen bedächtig.

      „Und wann werdet ihr aufbrechen?“, brach Weldran schließlich das Schweigen.

      „Morgen früh, dann werde ich Gweldon und Saruna aus Dalwas abholen. Ich gedenke, mit den Felsschwingen zu reisen, so kommen wir schneller voran. Gegen Abend werden wir uns dann mit den Feuerelfenbrüdern Azarol und Zemeas in Miragon im Gasthaus Zum brennenden Strauch treffen. Wenn alles wie geplant verläuft, werde ich gegen Ende der Woche zurück sein. So lange“, Rajas Blick strich vielsagend über die anderen Anwesenden, „erwarte ich, dass ihr weiterhin alles Nötige für den Fall eines Angriffs vorbereitet.“ Ein unsicheres Murmeln ging durch die Menge. Nun meldete sich Ranon zu Wort und Raja trat einen Schritt zurück.

      „Älteste, Königswachen, Zwerge aus Felsstadt, hört mich an! Wir werden weder unser Volk noch den Rest von Nibelar im Stich lassen. Zusammen werden wir uns gegen die dunklen Mächte zu verteidigen wissen.“ Zustimmende Jubelrufe hallten von den steinernen Wänden wider. „Niemand wird sich unseres Volkes bemächtigen, dafür werden wir sorgen! Argon, Halder, geht in die Schmieden, die Essen sollen angefeuert werden. Targal, gib dem Gerber Bescheid, ich habe einiges für ihn zu tun. Und du, Minarus, besorge mir sämtliche Pläne der Stollen und Höhlen vom südlichen Teil des Selatog-Gebirges.“ Während Ranon seine Anweisungen an das Volk richtete, verschwand Raja gefolgt von Weldran in einem Nebenraum.

      „Und?“, erkundigte sich die junge Frau. „Wie geht es meinem Onkel. Hilft ihm deine Medizin?“

      „Das bleibt abzuwarten, morgen früh werden wir mehr wissen. Aber wenn ich ehrlich sein soll, es steht nicht gut um ihn.“

      „Denkst du etwa, er wird es nicht schaffen?“

      „Das habe ich nicht gesagt, aber sein Zustand scheint mir mehr als bedenklich. Warum habt ihr mich denn nicht früher geholt?“

      „Warum wohl? Algar wollte dich wegen solch einer Lappalie, wie er es nannte, nicht belästigen. Er sagte, er wüsste, dass du ohnehin schon viel um die Ohren hättest, und wollte dich nicht noch unnötig mit seinen Wehwehchen belasten.“

      „Dieser alte Narr“, schnaubte der Waldelf kopfschüttelnd. „Wenn ich nur ein, zwei Tage eher hier gewesen wäre, stünde er heute selbst vor seinem Volk, um es durch diese schweren Zeiten zu führen.“

      Raja schwieg, sie fühlte sich elend, war sie in ihren Augen doch verantwortlich für ihren sturköpfigen Onkel. Nie hätte sie gedacht, dass es so schlecht um ihn stand.

      Im Thronsaal nebenan schepperten nun Rüstungen und ein aufgeregtes Stimmengewirr erklang. Ranon hatte seine Ansprache beendet und die Zwerge beeilten sich, ihre Befehle auszuführen. Schon trat Ranon durch den Türbogen zu Raja und Weldran in den Raum. Sein Gesicht wirkte ernst, die Augen kühl, die Lippen waren unter dem vollen Bart zu einer strengen Linie zusammengekniffen. „Das war jetzt gerade nicht dein Ernst, oder?“, wandte er sich an seine Frau.

      „Ich verstehe nicht, was meinst du?“

      „Ich meine den Teil mit dem Gebirge. Du und der Rest des Bündnisses! Dass ihr König Xagon retten müsst.“

      „Ich verstehe nicht ... was ist dein Problem?“

      „Raja.“ Ranon sprach den Namen bewusst lang gezogen aus. „Weißt du denn nicht, wie gefährlich das Feliador-Gebirge ist. Man munkelt, dass sich dort sonderbare Wesen tummeln. Ständig verschwinden Leute aus den benachbarten Orten. Die Menschen in Felia trauen sich bereits nur mehr bei Tageslicht aus ihren Häusern. Und obwohl du gehört hast, was für abscheuliche Kreaturen König Xagon verschleppt haben, spielst du dennoch mit dem Gedanken, ihn und seine Männer zu retten!“

      „Ja, aber, Ranon, ich muss, wir brauchen Xagon und seine Männer.“

      „Und was ist mit dir und den anderen? Was, wenn ihr getötet werdet? Denkst du, dass man euch nicht braucht ... dass ich dich nicht brauche?“

      „Ach, daher weht der Wind“, flüsterte Raja.

      „Ich, ähm ... lass euch zwei mal einen Moment alleine“, stammelte Weldran verlegen. „Solltet ihr mich brauchen, findet ihr mich in des Königs Gemächern. Seine Nesselwickel müssen erneuert werden.“ Mit diesen Worten nickte der Graue dem Paar zu und verschwand raschen Schrittes.

      Ranon entrang sich ein Seufzen. „Raja“, sagte er liebevoll, „bitte, versteh doch, ich sorge mich um dich. Bei deiner letzten Reise in die Genusischen Sümpfe bin ich vor Kummer fast vergangen. Ich weiß nicht, wie ich das noch einmal überstehen soll.“

      „Ranon, du brauchst dir um mich keine Sorgen zu machen. Hast nicht du selbst mich zur besten Axtkämpferin Felsstadts ausgebildet?“

      „Schon, aber deine Waffe wird dich nicht retten angesichts der Übermacht, die im Feliador-Gebirge auf dich wartet.“

      „Ich bin ja nicht allein“, protestierte die kleine Frau. „Saruna, Gweldon, Zemeas und Azarol begleiten mich. Und wenn du gesehen hättest, was für Mächte Azarol innewohnen, hättest du keinerlei Bedenken mehr.“

      „Das mag ja alles sein, aber dennoch wisst ihr nicht, was euch da im Gebirge erwartet.“

      „Dann werden wir es eben herausfinden ... Ranon, bitte, versteh doch. Wir

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